Deutschland Baden-Württemberg Neckar-Odenwald-Kreis

Unterneudorf / OT von Buchen


Abbildung bei
Max Walter (1923)

Foto: Glieschke,
bei Azzola u.a. (1992)

Das wieder errichtete
Steinkreuz an der
Straße nach
Hollerbach
Skizze von Bildhauer
Ralf Drolshagen

PLZ: 74722

GPS: N 49° 31,282', O 9° 16,237'

Standort: An der Straße von Unterneudorf nach Hollerbach, im Wald, rechts der Strasse. Die Straße gehört zum alten Hollerbacher Kirchenweg.

Größe / Material: 127:73:18 / Buntsandstein

Geschichte: Es handelt sich um eine Neuanfertigung. Das nachgebildete Steinkreuz im sog. Katzenwald am alten Kirchenweg von Unterneudorf nach Hollerbach wurde vom Heimatverein Unterneudorf anlässlich des Jubiläums "600 Jahre Unterneudorf" im Jahre 1995 errichtet.
Das Originalkreuz ist ca. 1975 verschwunden bzw. gestohlen worden.
Dem neuen Steinkreuz wurde die Kleeblattform des alten Originals verliehen. Auch das viereckige Loch in der Kreuzmitte findet sich bei dem heutigen Kreuz wieder. Laut Losch war 1981 der Sockel noch vorhanden. Es ist daher anzunehmen, daß das neue Kreuz im alten Sockel ruht. An diesem Sockel, einem Findling, ist eine Höhenmarke aus neuerer Zeit angebracht.
Max Walter schreibt 1923 zu den kunstvoller gefertigten Kreuzen des Odenwaldes (S.13/14; mit Abb.4): "...Im Bergland selbst steht nur ein besonders zu erwähnendes Kreuz, das Kleeblattkreuz bei Unterneudorf. Durch die Anbringung des viereckigen Loches in der Mitte der Kreuzung, dessen Seiten gleichlaufend zu den Rundbogen der Kreuzarme liegen, ist es dem Steinmetzen gelungen, den Eindruck lastender Schwere zu überwinden. Das andere Kleeblattkreuz bei Rumpfen fällt schon wieder zurück in eine tiefere Stufe des Könnens. Beide Kreuze stehen übrigens am gleichen Weg, dem Hollerbacher Kirchenweg; das eine mag Anregung zur Form des anderen gegeben haben. Ein weiteres, leider vollkommen zertrümmertes Kleeblattkreuz stand in Bödigheim. Das Kleeblatt als drei auf einer Grundlinie liegende Bogen weist noch das Hainstadter Kreuz auf; sauber gearbeitet, erreicht es in seiner von den gotischen Bogen zu den rechten Winkeln zurückkehrenden Form an Kunstwert nicht mehr die beiden obengenannten Steine."
Das "Hainstadter Kreuz" ist das Kreuz Buchen III (bei Losch); Walter verweist irrtümlich auf das Kreuz Hainstadt c) seines Inventars, gemeint hat er Hainstadt d).
Das in Bödigheim verschwundene, "Vronkreuz" genannte Kleeblattkreuz war vor seinem Verschwinden zerbrochen. "Außer dem Sockel war nur noch ein Stück eines Armes in Kleeblattform vorhanden" (Bödigheim a) in Walters Inventar).

Sage: 1. Früher kamen die Schäfer der Gegend alljährlich am Wendelinustag in Hollerbach zusammen. Drei von einer solchen Versammlung heimkehrende Schäfer stritten sich und stachen aufeinander ein. Einer starb am Ausgang von Hollerbach (Kreuz), der zweite am Platze des Unterneudorfer Kreuzes, der dritte bei Rumpfen (Kreuz c).
2. Eine weitere Sage berichtet, es hätten zwei Bäcker sich einander erstochen. (Walter 1923)

Das Kreuz Rumpfen (I) liegt sozusagen in der "Schnittmenge" zwischen zwei gleichlautenden Sagen. Denn die Sage zu den Kreuzen Rumpfen (I - IV) berichtet von vier Schäfern, die an den Stellen eben dieser Kreuzen gestorben sein sollen. Die Sage zu dem Unterneudorfer Kleeblattkreuz bezieht aber auch Rumpfen (I) mit ein. Wahrscheinlich bringt der Volksglaube die beiden Kreuze wegen ihrer ähnlichen Form auch in einer gemeinsamen Mordgeschichte miteinander in Verbindung.

3. Eine weitere Sage schrieb Brunhilde Irmen, geborene Heim, aus Unterneudorf als Schülerin auf:
"Vor langer Zeit lebte im Haus Nr. 15 ein achtzehnjähriges Madchen. Dieses schenkte einem unehelichen Zwillingspärchen das Leben. Um diese Schande aus der Welt zu schaffen, tötete die junge Mutter ihre beiden Neugeborenen und begrub sie im Wald. Bald darauf starb das Mädchen, fand aber im Jenseits nicht die erhoffte Ruhe. Zur Strafe für seine ruchlose Tat mußte es in Gestalt einer weiße Frau die Vorübergehenden am Grab der Zwillinge um Erlösung anflehen. Dies gelang nach längerer Zeit, als ihm ein heimkehrender Bauer beim Aufheben eines schweren Lastkorbes behilflich gewesen war. Das alte kleine Steinkreuz bezeichnet die Grabstätte der Kinderleichen."

4. Vom "Geist im Katzenwald", den man, in wallende weiße Gewänder gehüllt, umgehen sehe, erzählte auch die Variante, die Peter Assion in seine Sagensammlung aufnahm und mit der Notiz von Max Walter aus dem Jahr 1926 ergänzte:
"Im Katzenwald zwischen Hollerbach und Unterneudorf ging früher die weiße Frau um..." Sie setzte sich einem Mann aus Mudau auf den Rücken. Dieser betete für sie, worauf der Geist verschwand. Der Mann starb nach einigen Tagen. Er soll die Seele der weißen Frau erlöst haben.
Eine Überlieferung, die Unterneudorfern präsent ist, begründet die Errichtung des Kreuzes mit einem Mord aus Rache:
"Der Pächter des Rüdtschen Gutes hatte einen jungen Mann als Knecht eingestellt und ihn sehr schlecht behandelt. Der Knecht bekam viel Schläge und wenig zu essen. Bald ging er zum Militär. Nach einiger Zeit kehrte er zurück, suchte den Bauern überall und rächte sich, indem er ihm mit dem Schwert den Kopf abschlug."
Die Entscheidung, welche dieser Geschichten den wahren Begebenheiten am nächsten kommt, bedarf eines Kommissars Zufall und stichhaltiger Indizien. Leicht passiert es, daß sich eine Wandersage einnistet. Eine Überlieferung zur Problematik des unehelich geborenen Kindes wob sich auch um das Hollerbacher Steinkreuz. Die Erzählung von der Rache eines jungen Mannes ist der Sage vom Lauerskreuz bei Neckargerach verwandt. (Zemelka 1995)

Quellen und Literatur:
Walter, Max - Vom Steinkreuz zum Bildstock, 1923, S.7u.13-14
Losch, Bernhard - Sühne und Gedenken. Steinkreuze in Baden-Württemberg, Stuttgart 198, S.175
Azzola u.a. - Das Steinkreuz mit einer figürlichen Darstellung bei Rumpfen im Neckar-Odenwald-Kreis, 1992, mit Abb.4
Zemelka, Felicitas in: 600 Jahre Unterneudorf, 1995, S.58-59
Recherche, Wegbeschreibung, aktuelle Infos und Aufnahme von Leopold Hessek, Mosbach
zusammengestellt und bearbeitet von Rudolf Wild, Annweiler-Queichhambach


Sühnekreuze & Mordsteine