Deutschland Baden-Württemberg Neckar-Odenwald-Kreis

Buchen (I)


Gesamt-Ansicht
Bessel-Kapelle

Abbildung bei
Azzola (1998)

Abbildung bei
Losch (1981)

Maria Magdalena
mit einem Salbtopf

Aufnahme vor 1923
(Sammlung
Karl von Amira
)

PLZ: 74722

GPS: N 49° 31,446', O 9° 19,515'

Standort: An der Besselkapelle in der Walldürner Straße, links.

Größe / Material: 128:91:25 / Sandstein

Geschichte: Benennung: "Pestkreuze". Die beiden Kreuze wurden nach Straßenbau 1969 neu aufgestellt. Das Zeichen auf dem linken Kreuz wird von Losch (1981) als "Haue oder Flasche bzw. anderes Behältnis oder Kerze" beschrieben. Azzola (1998) deutete es als Salbentopf und belegt dies mit Darstellungen der biblischen Maria Magdalena, deren Symbol ein Salbentopf ist.

Zwei Kreuze am Ortsausgang an der Landstraße nach Walldürn rechts und links der Besselskapelle. Der Standort ist nicht der ursprüngliche, doch sollen die Kreuze in unmittelbarer Nähe gestanden haben, und zwar zu dritt (?). Beide Kreuze vom Kinderspiel usw. stark mitgenommen. (Walter 1923)

Am Grabmal der heiligen Elisabeth in der Elisabethkirche in Marburg befindet in einer plastischen Figurengruppe das nebenstehende Abbild der Maria Magdalena, traditionsgemäß mit einem Salbtopf dargestellt, der dem Gefäß auf dem Buchener Kreuz ähnelt. Da aus Handschriften bekannt ist, dass Ärzte und Apotheker den Salbtopf als Standessymbol führten, wird die Auffassung bestärkt, dass das Kreuz zur Erinnerung an einen Arzt oder Apotheker errichtet wurde, der möglicherweise gewaltsam umgekommen ist. (Rumpf)

Auf einer wilden Wiese stehen zwei steinerne Kreuze. Das linke Kreuz zeigt in der Mitte eine undefinierbare Darstellung (Handschuh?). Das rechte Kreuz zeigt in der Mitte einen Kreis mit Unterteilungen. Auf der Rückseite (des Fotos) der dazugehörige Text: "Marktkreuz mit Handschuh und Landesherrliches Kreuz mit dem Mainzer Wappen in Buchen in Baden, dicht vor den Mauern des Städtchens, auf dem auch für Märkte und Messen benutzten Musterplatz!" (Sammlung Karl von Amira)

Sage: Die Kreuze sollen von den Bewohnern Buchens und der umliegenden Dörfer versprochen worden sein, als die Pest wütete.

Im Jahre 1634/35 grassierte die Pest besonders stark und etwa 1300 Menschen starben. Man wandte sich in der Not an den Pestheiligen, St. Rochus, und gelobte ihm eine Prozession. 1667 und 1671 wurde das Gelübde wiederholt. Die Prozession zieht auch heute noch alljährlich am St.-Rochusfest durch die Stadt. Auch die Mariensäule ("Das Bild") soll zum Gedenken an die Pest errichtet worden sein.
Möglich wäre demnach ein Zusammenhang zwischen der Interpretation als Pestkreuze und der Darstellung des Salbentopfs: der Pestheilige Rochus von Montpellier war ein ein Schutzpatron der Ärzte und Apotheker.

Quellen und Literatur:
Walter, Max - Vom Steinkreuz zum Bildstock, 1923, S.4 und 22f.
Losch, Bernhard - Sühne und Gedenken. Steinkreuze in Baden-Württemberg, Stuttgart 198, S.162
Azzola u.a. - Der Salbentopf als Attribut eines spätmittelalterlichen Steinkreuzes in Buchen an der Besselkapelle, - zugleich ein Beitrag zur Ikonographie des Salbentopfes als Zeichen der Ärzte und Apotheker, in: Der Odenwald, 45.Jg. 1998, H.2 (1998), S.71–80
Die rechtsarchäologische Sammlung Karls von Amira (1848-1930)
Recherche, Wegbeschreibung, aktuelle Infos und Aufnahme von Leopold Hessek, Oedheim
zusammengestellt und bearbeitet von Rudolf Wild, Annweiler-Queichhambach
Ergänzungen von Volker Rumpf, Ebsdorfergrund



Buchen (II)


Detail

Ansichtskarte:
Bessel-Kapelle
im alten Zustand

Abbildung bei
Azzola (2000)

Abbildung bei
Losch (1981)

Wappen von Buchen
mit Mainzer Rad

Aufnahme von 1973
(Foto Marburg)

GPS: N 49° 31,444', O 9° 19,514'

Standort: An der Besselkapelle in der Walldürner Straße, rechts.

Größe / Material: 125:92:22 / Sandstein

Geschichte: Auf dem rechten Kreuz ist ein sechsspeichiges Rad in doppelten Konturen dargestellt, das von Azzola als Zeichen eines Wagners gedeutet wird. Das Kreuz war zerbrochen, unglücklich geklammert und verwitterte zusehends, weshalb es restauriert wurde.

Buchen gehörte 500 Jahre lang zum Bistum Mainz und führt daher das Mainzer Rad im Wappen; v.Ochselhauser (1901) interpretierte dementsprechend das Rad auf dem Kreuz als Mainzer Rad. Dieser Aussage widerspricht allerdings Max Walter (1923), der einen Ursprung des Kreuzes als Marktkreuz oder Grenzstein kategorisch ausschloss. Spätere Autoren gehen auf einen entsprechenden Zusammenhang gar nicht erst ein.
Es ist jedoch durchaus anzunehmen, dass auf dem Kreuz tatsächlich das Mainzer Rad - in welcher Funktion auch immer - dargestellt wurde. Das Mainzer Rad war auf dem Buchener Gebiet ja ein Staatssymbol, also ein Hoheitszeichen. Dies spricht dagegen, es auf dem Kreuz als Zeichen eines Wagners zu interpretieren, da Privatleute solche Hoheitszeichen auch heute nicht einfach so benutzen dürfen (vgl. Gesetz über Ordnungswidrigkeiten OWiG, § 124). Im Mittelalter war das bestimmt nicht anders. - vgl. hierzu auch Götzingen.

Zu den Kreuzen gibt es in der Literatur insofern etwas Verwirrung als 1901 zwei gleichartige Steinkreuze in Bödigheim beschrieben werden, die schon 1923 nicht mehr zu entdecken waren. Es könnte sein, dass die Kreuze von Bödigheim nach Buchen versetzt wurden oder um 1900 für einige Zeit in Bödigheim standen. Oder aber es waren einmal tatsächlich zwei sich gleichende Steinkreuzpaare in Buchen und Bödigheim vorhanden.

Zu diesem Rätsel finden sich folgende Hinweise:
v.Oechelhaeuser 1901, S.29 (Beschreibung von Bödigheim S.13-29): "Am Wege nach Buchen zwei Steinkreuze, von denen das eine das Mainzer Rad, das andere einen Handschuh eingemeißelt enthält, die Wahrzeichen des kurfürstlichen Marktprivilegs (vergl. Richard Schröder, die Rolande Deutschlands, Berlin 1890, S.3ff.).
Zwei ebensolche bei Buchen am Wege nach Walldürn (s. unten S.44)."
ebd., S.44 (Beschreibung von Buchen S.31-44): "An der Landstrasse nach Walldürn beim ersten Bahnwärterhäuschen zwei Steinkreuze (vergl. oben S.29), das eine mit dem Mainzer Rad, das andere mit einem Handschuh, den Wahrzeichen des kurfürstlichen Marktprivilegs (vergl. Rich.Schröder, die Rolande Deutschlands, Berlin 1890, S.3 ff.)."
Max Walter konnte die den Buchener Kreuzen gleichenden Denkmale in Bödigheim 1923 nicht finden, nennt sie aber unter Hinweis auf v.Oechelhaeuser unter "Bödigheim b": "Am Wege nach Buchen zwei Steinkreuze, von denen das eine das Mainzer Rad, das andere einen Handschuh eingemeißelt enthält [...] Trotz eifrigen Suchens und eingehender Nachforschungen gelang es mir nicht, die beiden Steine zu finden. In Bödigheim kennt sie niemand."
Losch geht 1981 in Fußnote 10 zu "Buchen I und II" ohne weitere Erklärung davon aus, dass die beiden Kreuze 1901 in von Oechelhaeusers "Kunstdenkmälern" doppelt aufgeführt waren.
Der Wortlaut bei von Oechelhaeuser weist aber ausdrücklich auf das Vorhandensein zweier identischer Denkmalpaare hin (siehe hervorgehobene Zitatstellen). - Der Beobachtung eines zeitgenössischen Chronisten sollte Glauben geschenkt werden.
Der ursprüngliche Standort der noch vorhandenen Kreuze könnte das kurmainzische Gebiet zu dem der Herren von Dürrn (heute Walldürn) abgegrenzt haben. Der Standort der beiden verschwundenen Kreuze mag die Grenze zum Gebiet der Herren von Collenberg in Bödigheim bezeichnet haben. (Hessek 2007)

Aus meiner Kenntnis über Kurmainz, Strafrecht und rechtliche Symbole der Vormoderne heraus würde ich zustimmen, daß es sich bei dem Fall Buchen um ein Mainzer Rad - also ein Hoheitszeichen - handelt, wie es sich oft auf Grenzsteinen findet. Grundsätzlich halte ich die Auffassung, daß es "sich dabei stets um das Handwerkszeichen eines Wagners oder Müllers handelt, das Kreuz also zur Sühne wegen oder zum Gedenken an einen getöteten Wagner oder Müller errichtet wurde", für fraglich. Neben Hoheitszeichen kann das Rad - wie Galgen und Schwert - auch die vormoderne Strafjustiz und zwar die Todesstrafe Rädern symbolisieren. Das Rad war ein wichtiges Symbol der Strafjustiz / Strafe und ist z.B. auf zahlreichen vormodernen Stichen abgebildet. Grundsätzlich gilt weiterhin, daß herrschaftliche Symbole nicht einfach verwendet werden durften. Es gab das Delikt des Marksteinfrevels, das im Prinzip für alle Arten von hoheitlichen Steinen galt. Freilich konnten Gemeinden, Städte, Zünfte und auch "Privatpersonen" durchaus mit obrigkeitlicher Genehmigung Steindenkmäler errichten und dabei auch herrschaftliche Symbole verwenden. In der Regel gibt es dies aber kaum im "privaten" Bereich, sondern eine Korporation (Gemeinde, Zunft, Markgenossenschaft) verwendete die Symbole bzw. errichtete einen Stein. Viele Symbole waren aber auch mehrdeutig und wurden unterschiedlich verwendet. Es muß also nicht unbedingt ein ermordeter Wagner Anlaß für die Setzung eines mit dem Radsymbol versehenen Gedenksteins sein, sondern die Wagnerzunft könnte z.B. auch einen Gedenkstein aus religiösen Zwecken (Prozession, Pest etc.) gestiftet oder errichtet und mit ihrem Radsymbol versehen haben. Dies genau zu bestimmen kann nur im Kontext der örtlichen Bräuche und der örtlichen Überlieferung geschehen; man müßte also nach zusätzlichen Quellen / Akten suchen und vergleichen (z.B. Symbolgebrauch der Zünfte). Fälle / Strafen zum unbefugten Verwenden von herrschaftlichen Symbolen in Kurmainz sind mir bislang allerdings nicht begegnet. (Härter 2007)

Sage: siehe Buchen I

Quellen und Literatur:
Die Kunstdenkmäler der Amtsbezirke Buchen und Adelsheim, Bearb. von Adolf von Oechelhaeuser. Tübingen, Mohr, 1901. (Die Kunstdenkmäler des Großherzogthums Baden, IV/3 = IV. Band / 3. Abteilung).
Walter, Max - Vom Steinkreuz zum Bildstock, 1923, S.4 und 22f.
Losch, Bernhard - Sühne und Gedenken. Steinkreuze in Baden-Württemberg, Stuttgart 198, S.162
Azzola, Friedrich Karl - Die Historischen Handwerkszeichen der Stellmacher / Wagner..., in: Der Odenwald, 47. Jg. 2000, H.1, S.26-39.
Wie kommt das Rad ins Wappen von Mainz?
Gutenberg.de
PD Dr. Karl Härter, Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte, Frankfurt am Main
Foto Marburg
Recherche, Wegbeschreibung, aktuelle Infos und Aufnahme von Leopold Hessek, Oedheim
zusammengestellt und bearbeitet von Rudolf Wild, Annweiler-Queichhambach


Sühnekreuze & Mordsteine