Geschichte & Forschung Ikonographie Werkzeuge & bäuerliches Gerät

Attribute des Müllers
Haue / Dechsel, Mühlrad, Mühlstein, Läuferstein etc.

Bei den Einzeichnungen von Rädern unterscheiden sich die hier vorgestellten Mühlsteine / Läufersteine und Mühlräder von den symbolischen Darstellungen (Scheibenkreuz als rel. Motiv) durch die Ausarbeitung eines Auges (Loch in der Mitte), sie besitzen jedoch keinen Randreifen (Mühlräder einen verzahnten Rand), das unterscheidet sie von den Rädern, die Teil des Fuhrwerks sind oder den Spinnrädern.

 Einzeichnungen auf Steinkreuzen und Kreuzsteinen 

Hameln (III)
Niedersachsen / Lkr. Hameln-Pyrmont

Auf dem mit 1531 datierten Stein sehen wir das Hamelner Stadtwappen mit einem Läuferstein und einer Haue im Schild.
Foto: Marx (2007)


Schkauditz (II)
Sachsen-Anhalt / Burgenlandkreis

Mühlstein, achtfach geteilt, eingeritzt in der Kreuzmitte.
Foto: Saal (1989)


Unterhaun
Hessen / Lkr. Hersfeld-Rotenburg

Das Bruchstück eines Flur-Steinkreuzes aus dem beginnenden 16. Jahrhundert an seinem alten Standort bei der Ruine von St. Crucis über Unterhaun. Die Aufnahme aus dem Jahr 1966 läßt unterhalb des Querbalken eine Haue als historisches Müllerzeichen erkennen.
Foto: Azzola (1966 / 2005)



Wannweil
Baden-Württemberg / Lkr. Reutlingen

Die Einzeichnung wird als Mühlrad gedeutet.
Foto: Schnepf (2007)


Finkenbach
Hessen / Odenwaldkreis

Über dem Mühlrad die Einzeichnung einer Armbrust.
Foto: Rumpf


Unterknausen
Baden-Württemberg / Ostalbkreis

Mühlstein sechsfach geteilt, mit deutlich ausgearbeitetem Auge im Kreuzungsfeld.
Foto: Losch (1981)



Region Düsseldorf
Nordrhein-Westfalen / Kreisfreie Stadt Düsseldorf (???)

Das derzeit verschwundene Steinkreuz zeigt im Kreuzungsfeld eine Haue, darunter einen Hammer oder Schlegel.
Foto: eBay (2006)


Polch
Rheinland-Pfalz / Lkr. Mayen-Koblenz

Im Kreuzungsfeld die reliefierte Darstellung einer Haue.
Foto: Müller-Veltin (1977)





 Darstellungen in anderer Verwendung 

Das Müller-Zeichen von 1556 aus Godramstein zeigt das typische Mühlrad mit Zahnkranz, meist mit 4 oder 8 Speichen. Bei dem zweiten Werkzeug handelt es sich um eine Müller-Axt.
Foto: Wild (2004)

Das Zeichen von 1823 stammt von der Burrweiler Mühle, mit halbem Mühlrad und der Haue - hier allerdings ohne Loch in der Mitte dargestellt.
Foto: Wild (2006)

Die Kalkstein-Grabplatte von 1368 in der Dorfkirche in Kemnitz (MV) mit sechsspeichigem Mühlrad.
Foto: Fredrich (2007)

Die wappenartig gefasste Haue auf dem Grabstein des gewesenen Herrenmüllers Sebastian Kesseler, 1669, in Büdingen (Oberhessen).
Foto: Azzola (2005)

Die Stadt Mölln im Lkr. Herzogtum Lauenburg trägt ein Mühleisen (Haue) und ein Mühlrad im Wappenschild.
Quelle: Landesarchiv Schleswig-Holstein

Hameln trägt einen Läuferstein im Stadtwappen, Mühlhausen in Thüringen eine Haue.

Müller-Siegel aus Riesenburg (Westpreußen) mit diversen Mühleisen (hier verwendet als Überbegriff für Bille, Haue usw.), Zirkel, Kammrad, Beil, Winkelmaß, Mühlstein.
Quelle: Grenser (1889)

Glas mit Müllerwappen, Brno, Ende 18.Jh.
Foto: Gerth (2007)

Der von Kürenberg, um 1150/60. Das Wappen zeigt einen Mühlstein, eine Anspielung auf den Namen, denn mhd. kürn heißt Mühle.
Quelle: Minnesinger in Bildern der Manessischen Liederhandschrift



 Aussehen und Funktion von Haue / Dechsel und Mühlrad, Mühlstein, Läuferstein 

Die ursprünglich Form besteht aus zwei Mühlsteinen, die das Mahlgut zerkleinern. Dabei liegt der untere Stein, der Bodenstein, fest, während sich der oben liegende, der Läufer, durch ein Mühleisen angetrieben, dreht. Diese beiden Steine werden durch eine sie umgebenen Holzbütte eingefasst.
Das durch das im oberen Stein angebrachte Mahlauge zugeführte Mahlgut gerät zentral mit Hilfe des "Schlucks" zwischen die Steine. Dieser Schluck ist quasi ein Hohlraum in den aufeinander liegenden Mahlsteinen, die die Zufuhr des Mahlgutes begünstigt. Die beiden Mahlsteine schweben aufeinander mit einem kleinen Spalt. Der Abstand des Spaltes ist variabel und wird kleiner als der Durchmesser des Mahlguts eingestellt. Im Idealfall berühren sich die Steine nicht. Durch die Rotationsbewegung des oberen Steins und die auf dem Stein aufgebrachte "Steinschärfe" wird das Mahlgut zerschnitten und zerrieben (weniger zerquetscht) und fällt außen aus dem Mühlsteinspalt heraus und wird in der, die Steine umgebenden Bütte, gesammelt und über einen Absackstutzen abgeführt. Die Aufgabe der Bütte ist weiterhin den Mahlgang einzukapseln und so den entstehenden Staub und die Feuchtigkeit zurückzuhalten und gegenüber Umgebungseinflüssen zu isolieren. Weiterhin leitet die Bütte das entstehende Mahlgut in die dafür eingerichteten Absackstutzen.
(Quelle: Wikipedia)

Die Mühlsteine selbst bestehen aus Süßwasserquarz. Diese Steine kommen vorwiegend aus Frankreich, Müller bezeichnen sie deshalb auch als "Franzosen".
Sie besitzen eine große Härte und gute Porosität, die sich vorteilhaft auf den Mahlvorgang auswirkt.
Die Mahlfläche ist vom Steinauge - das ist die Bohrung in der Mitte - bis zur Mahlbahn hin abgeschrägt. Diese Vertiefung bezeichnet am auch als "Schluck". Sie hat den Zweck, einen sicheren Einzug des Mahlgutes zu gewährleisten und durch Vorzerkleinerung die Mahlarbeit zu unterstützen.

Ein Läuferstein von 81,5 Zentimeter Durchmesser im Freilichtmuseum Anzenaumühle bei Bad Goisern in Oberösterreich. Die Haue ist in ihrer passend herausgehauenen Vertiefung im Läuferstein zunächst durch kleine Holzkeile fixiert und danach mit Blei ausgegossen.
Foto: Azzola (2002)

Abb. oben: Haue (b), in den Läuferstein (A) eingepasst.
Abb. unten: Seitenansicht einer Haue
Quelle: Pappenheim (1878)

Läuferstein an der hist. Mühle in Wechselburg (Sachsen).
Foto: Gerth (2008)

Mahlflächenmuster:
Im Laufe der Zeit haben die Müller immer wieder das Furchenmuster der Mahlflächen verändert, doch erstaunlicherweise ist das heutige Muster fast identisch mit dem Muster römischer Mühlsteine. Die Mahlfläche des Steins ist aufgeteilt in Abschnitte mit Haupt- und Nebenfurchen, die Viertel genannt werden.


Normal behauener
Mühlenstein.

Römischer Mühlstein
aus dem 4. Jhdt. n. Ch.

Mühlstein mit durchgehenden
Furchen aus dem 19. Jhdt.

Deutscher Mühlstein
aus dem 18. Jhdt.

Darstellung einer Wassermühle mit Wasserrad im Sachsenspiegel (1225-1235). Pflug, Kirche und Mühle standen unter königlichem Sonderfrieden.
Quelle: sachsenspiegel-online.de

Altes Antriebs-Zahnrad der Wassermühle in Neuhof (Lkr. Leipziger Land).
Foto: Gerth (2007)

Darstellung einer Mühle mit Mühlrad auf einer Karte aus dem 17.Jh.
Quelle: Staniczek



 Werkzeuge des Müllers 

Billen (Spitz- und Breitpicken). Abb. rechts: Stiel für die beiden rechten Billen.
Quelle: Pappenheim (1878)

Bille im Stiel befestigt / Messerbickenhalter.

BILLE, f. ligo, ascia, so heiszt eine doppelschneidige kurze flachhaue, womit der müller die malsteine schärft. hier und da auch der stock, auf dem die sensen gedengelt werden. von billen hauen und nah verwandt mit beil.
HAUE (als Handwerksgerät): bei den müllern ist haue ein starkes eisen, das den läufer (den laufenden mühlstein) umwälzt;
(Quelle: Grimm, Deutsches Wörterbuch von 1854)

Mühlsteine sind meist aus einem einzigen, großen Steinblock gemacht, können aber auch aus mehreren Segmenten zusammengesetzt und von einem Bandeisen zusammengehalten werden. Die anfangs verwendeten Mühlsteine aus Sandstein, die täglich zehn Stunden in Betrieb waren, mussten etwa alle zehn Tage neu geschärft werden. Gegen Ende des 19. Jhdts. kamen Steine aus einem härteren Zement-Stein-Gemisch in Gebrauch.

Im Laufe der Zeit nutzen sich die Mühlsteine ab, die Mahlbalken werden zu glatt und die Luftfurchen zu flach - die Mühlsteine müssen nachgeschärft werden.
Dieses ist eine Zeitraubende Arbeit, da der Müller hierfür den Mahl- oder Schrotgang auseinandernehmen muß. Zunächst entfernt er die Rumpfleiter und den Rüttelbock. Anschließend die Bütte (die äußere Verkleidung des Mahlganges). Jetzt liegen die Mühlsteine frei und er kann mit Hilfe des Steinkranes den schweren Läuferstein abheben, umdrehen und mit der Schärfe nach oben neben den Mahlgang legen.
Dem Müller stehen nun verschiedene Werkzeuge zum Bearbeiten des Steines zur Verfügung: Mit dem Kraushammer richtet er die Mühlsteine ab und raut die Mahlfläche der Steine für die Schrotgänge auf. Während dieser Arbeit überprüft er mit dem Richtscheit die Ebenheit des Mühlsteines. Mit der Picke und dem Furchenhammer arbeitet er die Luftfurchen nach. Die Steine des Mahlganges erhalten mit der Messerpicke (Bille) die sogenannte Sprengschärfe, das sind feine, parallel zu den Luftfurchen verlaufende Rillen.

In einem Ökonomischen Wörterbuch des 17.Jh. lesen wir: Die Müller führten ehedem Müller-Äxte, sie dienten ihnen ehemahls zu ihrem Reisegewehr, und sie gingen immer damit; ihr Mutwillen aber hat dazu geführt, daß ihnen solches verboten worden ist.
Tatsächlich benötigten die Müller für die unterschiedlichsten Wartungs- und Erweiterungsarbeiten an Wind- und Wassermühlen Äxte und Beile in versch. Ausführungen. Der "Mutwillen" bezeichnet hier den Mißbrauch des Werkzeugs als Waffe bei Streitereien und Auseinandersetzungen.




 Weiterführende Quellen und Literatur (speziell) 
Azzola, F.K. - Der Flur-Kreuzstein bei Wüstenbuchau im Landkreis Kulmbach. Das wohl älteste Kleindenkmal mit einer Haue als historisches Handwerkszeichen der Müller, in: Archiv für die Geschichte von Oberfranken, Band 82, 2002, S.139-144
Azzola, F.K. - Das Steinkreuz-Bruchstück von St. Crucis über Unterhaun nahe Bad Hersfeld, in: Mein Heimatland, Bd.44, Nr.11, Nov.2005, S.41-43
Azzola, F.K. - Ein später Scheibenkreuz-Grabstein im Grünberger Stadtarchiv. Die Müllerhaue als Handwerks- und Namenszeichen, in: Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins Giessen, NF 79.Band (1994), S.63-69
Grenser, Alfred - Zunft-Wappen und Handwerker-Insignien, Eine Heraldik der Zünfte und Gewerbe, 1889 (Reprint 1977)
Pappenheim - Populäres Lehrbuch der Müllerei, Wien 1875
sachsenspiegel-online.de - Nach öffenen der Seite oben links auf "Browser" klicken um die Handschrift und Erläuterungen dazu einzusehen.
Wikipedia - Mühlstein
Wild, Rudolf - Das Rad der Müller, auf: heimat-pfalz.de


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