Deutschland Bayern Lkr. Ostallgäu

Unterthingau

PLZ: 87647

GPS:

Standort: An der Ostseite (Straßenseite) der Friedhofsmauer.

Größe / Material: 118:87:36 / Sandstein

Geschichte: Das Steinkreuz wurde errichtet für den fürstbischöflichen Untertan Matheiß Stainer, Schmied zu Unterthingau, welcher am 15. November 1630 erstochen wurde. Der verurteilte Täter Matheiß Völk musste die Gerichtskosten und den Unterhalt der Witwe nebst ihren drei Kindern übernehmen. Weiterhin wurde er verpflichtet dieses Sühnekreuz am Tatort zu errichten. Der genaue Ort des Geschehens läßt sich heute nicht mehr genau feststellen.
Das Steinkreuz wurde im Jahre 2003 restauriert.

   Unterthiengau, Bez-A. Oberdorf, eines am Eingang, an der Oberdorfer Straße (brieflich). (Groß 1895)

Sage:

Quellen und Literatur:
Groß, J. - Von alten Steinkreuzen an Straßen und Wegen im Allgäu, in: Allgäuer Geschichtsfreund, 8.Jg. 1895, S.53, zugleich: Das Kleindenkmal, wissenschaftliche Schriftenreihe der "Arbeitsgemeinschaft Denkmalforschung e.V.", Jg.6, 1982, Nr.1
Steinkreuze, in: Deutsche Gaue, Band III, 1901, S.43
Dömling, Martin - Sühnekreuze im Landkreis Marktoberdorf, in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben, 59./60.Band, 1969, S.326-329
recherchiert und bebildert von Thomas Pfundner, Holzschwang



Sühnekreuze im Landkreis Marktoberdorf
von Martin Dömling

   Es ist uns aus dem Landkreis Marktoberdorf nur noch ein Sühnekreuz bekannt, bei dem wir zuverlässig wissen, warum es gesetzt wurde. Am 15. März 1631 wurde Matthäus Stainer von Oberthingau von seinem Landsmann Matthäus Volk erschlagen. Schon sechs Wochen später, am 29.4.1631, kam ein Sühnevertrag zustande. Nun war Stainer fürstbischöflich-augsburgischer, Volk aber stiftkemptischer Untertan. Der Vergleich wurde daher zwischen je einem Vertreter des Fürstbischofs von Augsburg und des Fürstabts von Kempten geschlossen: Hans Caspar Blarer von Wartensee zu Wartenegg, fürstlich-kemptischer Rat, und Adam Truckhenmiller, Gerichtsschreiber des Pflegamts Oberdorf, unterzeichneten ihn. Neben anderen Sühneleistungen war der Totschläger verpflichtet, zwei Steine zu setzen, nämlich auf dem Grab des Getöteten und am Ort der grausigen Tat.
   Sühnekreuze stehen heute noch in Aitrang (2 Kreuze an der Gabelung der Straße nach Reinhardsried und Gerwangs, eines gut erhalten, das andere verwittert und umgekippt), bei der Walburgiskirche in Immenhofen, beim alten Schulhaus in Unterthingau. In Geislatsried befindet sich ein Sühnekreuz an der Wegegabel Bidingen-Ob-Rettenbach unter einer schönen Linde, die 1871 gepflanzt wurde. 1945 wurde es umgefahren und liegt seitdem am Boden. Die beiden Sühnekreuze in Ebersbach sollen der Überlieferung nach an den Totschlag erinnern, den Felix von Werdenstein (gestorben 1567) an einem Ebersbacher Juden beging. Sie stehen am Nordausgang des Dorfes, auf dem ehemaligen Pestfriedhof, sind gut erhalten und zeigen nur geringe Verwitterungserscheinungen.
   Auch in Marktoberdorf sollen noch in der Mitte des vorigen Jahrhunderts 2 Sühnekreuze gestanden sein: das eine beim Sailerkeller, das andere beim Salzstadel. Landrichter Fischer will sie noch gesehen haben; in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts sind sie abhanden gekommen.
   In der Stadt Kaufbeuren befinden sich noch 2 Sühnekreuze: eines steht bei der Kirche St. Kosmas, das andere stand an der Mindelheimer Straße, es mußte wegen der Verlegung der Straße entfernt werden und befindet sich nun im Hof des Museums. Im Landkreis Kaufbeuren stehen Kreuze in Apfeltrang, Buchloe, Denklingen, Honsolgen, Jengen, Lengenfeld, Rieden, Schlingen, Unterostendorf und Weicht.
   Im Landkreis Füssen stehen Sühnekreuze in Pfronten, Nesselwang und Maria Rain.
   Wir haben nun alle diese Kreuze als Sühnekreuze bezeichnet, obwohl wir nur von den Kreuzen bei Bertoldshofen und Oberthingau mit Sicherheit wissen, daß sie in Erfüllung einer Sühneverpflichtung gesetzt worden sind. Ob dies auch bei den anderen Kreuzen zutrifft, wiesen wir nicht. Wäre es nicht möglich, daß es Erinnerungszeichen sind, pietätvolle Erinnerungen an teure Menschen, die eines jähen Todes oder infolge eines Unglücksfalles gestorben sind? Das Unglück ist doch häufiger als Mord und Totschlag, selbst in den mordlustigen und kriegerischen Zeiten des Mittelalters. Und dann: die Verpflichtung zur Setzung eines echten Sühnekreuzes wurde doch immer in einem Sühnevertrag schriftlich niedergelegt. Warum sind so wenige Sühneverträge erhalten? Wer aber sollte Veranlassung genommen haben, ein Unglück amtlich niederzuschreiben? Höchstens der Pfarrer, der dem Toten ein Blatt in seinem Kirchenbuch einräumte. Wurde aber der Unglücksfall wirklich schriftlich niedergelegt, warum sollte man das Kreuz erwähnen?
   Gleichviel: das Kreuz gilt der frommen Erinnerung an ein jäh aus dem Leben geschiedenes Menschenkind, das den Vorübergehenden bewegen sollte, dem Unglücklichen ein Gebet zu widmen. Und so dürfen wir unbedenklich ein Gedicht Martin Greif's auf unsere Sühnekreuze beziehen:

Am schwindelnden Hang der Straße
Steht einsam ein starrer Block.
Umwuchert von wilden Farren
Erhebt sich der Marterstock.
Sein Täflein bezeichnet die Stelle,
Da starb ein Menschenkind.
Wohl ist es schon fast verfärbet
Von all dem Regen und Wind.
Doch der es am Weg erblicket,
Hält an zu kurzer Ruh
Und betet davor in Stelle.
Dann wandert er wieder zu.

(Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben, 59./60.Band, 1969, S.326-329)


Sühnekreuze & Mordsteine