Marie Andree-Eysn


zur Übersicht | Lebensdaten ergänzen



Marie Andree-Eysn

*  1847 in Horn
 13.01.1929 in Berchtegaden

Hauptverdienste:

Geboren in Horn, im niederösterreichischem Waldviertel, siedelt die Familie Eysn in den frühen 1860er Jahren nach Salzburg über. Die günstigen Vermögensverhältnisse der Familie erlaubten es Marie Eysin schon früh das Salzburgerland zu durchstreifen und ihren volkskundlich-botanischen Interessen nachzugehen. Die "Altmeisterin der süddeutschen Vokkskunde" verdankt diesen Ruf ihrem sammlerischen Talent. Dabei konzentrierte sich ihre Sammlungsaktivitäten zunächst auf den naturwissenschaftlich-botanischen Bereich. So unterstützte sie Kerner von Marilaun (Professor für Naturgeschichte in Innsbruck, ab 1878-1898 Professor der Botanik in Wien) bei der Anlegung seiner Herbar-Sammlung "Flora exsiccata austro-hungarica" (1887-1891), für welche sie nachweislich über 1.200 Objekte zusammentrug. Eysn legte auch eine Algensammlung an, die sie später dem Salzburger Naturkundemuseum schenkte und widmete sich ihrer Spitzensammlung. In der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde galt sie als geschätzte Naturforscherin und Folkloristin. Weiterhin widmete sie sich der Votiv- und Amulettforschung. Eine starke Vorliebe hegte M. Eysn auch für die älteste Geschichte des Landes. Zusammen mit dem Nestor der österreichischen Vorgeschichtsforschung Dr. Much, nahm sie viele Begehungen vor im Salzburgischen und beteiligte sich auch an Untersuchungen, wie z.B. an Muchs klssischen Pfahlbauforschungen am Mondsee. In dieser Zeit entstand auch der Aufsatz "Über alte Steinkreuze und Kreuzsteine in der Umgebung Salzburgs". Auf wissenschaftlichen Kongressen traf sie ihren späteren Ehemann Richard Andree, der Geologie und Mineralogie studiert hatte und von 1873-1890 Leiter der Kartographischen Anstalt des Verlages Velhagen & Klasing in Leipzig war. Nach der Heirat lebte Marie Eysn-Andree von 1903-1919 in München. Richard Andree profitierte bei seinen weiteren Forschungen und Publikationen von der Arbeit Eysns. Sein 1904 erschienenes Werk "Votive und Weihegaben" basierte auf der o.g. Sammlung. Zusammen veröffentlichten sie 1910 ihr Hauptwerk "Volkskundliches. Aus dem bayrisch-österreichischen Alpengebiet". Richard Andree starb 1912.
1919 siedelte M. Eysn-Andree nach Berchtegaden über und verbrachte dort die letzten Jahre ihres Lebens. Sie bewohnte das Erdgeschoss des alten Hauses des Brandholzlehens, welches ihr von Kronprinz Rupprecht als Wohnung überlassen wurde. Früher sehr vermögend hatte Andree-Eysn in der Inflationszeit alles verloren und war an ihrem Lebensabend auf die Unterstützung Fremder angewiesen. In ihrer wirtschaftlichen Notlage sah sie sich in späterer Zeit dazu gezwungen, Teile ihrer Sammlung an Museen zu verkaufen, vor allem an die "Königliche Sammlung für deutsche Volkskunde in Berlin". Doch lange bevor finanzielle Verlegenheiten sie zu solchen Geschäften gezwungen haben, hat sie ihre lebenslang zusammengetragenen Kollektionen zu großen Teilen bereits in großzügigen Schenkungen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. So etwa im Jahre 1910, als sie dem Berliner Volkskundemuseum, dem sie zuvor bereits so manche Einzelstücke und Sammelreihen vermacht hatte, ihre rund 1.200 Nummern umfassende Votivsammlung übergab.
Dass Andree-Eysn ihre letzte Ruhestätte im Grab ihrer Eltern auf dem Salzburger Stadtfriedhof gefunden hat, verwundert nicht; eher schon, dass sie ihre Kremierung, die damals in Salzburg noch nicht möglich gewesen ist und so in München stattfinden musste, angeordnet hat. Ob die Entscheidung zur Feuerbestattung - die ja immerhin lange Zeit "weltanschaulichen Bekenntnischarakter" gehabt hat - ein Hinweis darauf ist, dass ihr 1903 (im Jahr ihrer Eheschließung) erfolgter Austritt aus der katholischen Kirche mehr gewesen ist, als ein konfessionell-solidarischer Akt gegenüber Richard Andree, muß dahingestellt bleiben.
Um so mehr bleibt Marie Andree-Eysn als eine selbstbewußte, vor der Zeit "emanzipierte" Frau in Erinnerung, die in geistiger und weitgehend ökonomischer Unabhängigkeit mit Nachdruck und Erfolg ihren vielfältigen Interessen weit über simple Liebhaberei hinaus nachgegangen ist.


Publikationen: 1897Ueber alte Steinkreuze und Kreuzsteine in der Umgebung Salzburgs. in: Zeitschrift für österreichische Volkskunde, Bd.3, S.65-79
1898Hag und Zaun im Herzogthum Salzburg. in: Zeitschrift für österreichische Volkskunde, Bd.4, S.273-283
1898Botanisches zur Volkskunde. in: Zeitschrift des Vereins für Volkskunde, Bd.8, S.226f
1904Andree, Richard - Votive und Weihegaben des katholischen Volks in Süddeutschland. Ein Beitrag zur Volkskunde.
1910Volkskundliches. Aus dem bayrisch-österreichischen Alpengebiet
1915Der Birnbaum auf dem Walserfelde, in: Bayerische Hefte für Volkskunde, Heft 4, S.13ff


Nachruf:

Frau Marie Eysn †
Im hohen Alter von 82 Jahren, aber bis zum Ende geistesfrisch und körperlich rüstig, ist Marie Andree-Eysn in Berchtesgaden, wo sie ihren, Lebensabend geruhsam verbracht hat, am 13. Jänner verschieden. Sie hat sich als Forscherin und Sammlerin auf volkskundlichem Gebiete in Oesterreich wie in Deutschland einen höchst geachteten Namen erworben. Ihr schönes und inhaltsreiches Buch: "Volkskundliches aus dem bayrisch-österreichischen Alpengebiet" (1910) gehört zu den meistgelesenen und benützten Werken der deutschen volkskundlichen Literatur und bewahrt seine anregende und vorbildliche Wirkung bis auf den heutigen Tag. Unserer Zeitschrift hat die Verewigte in den ersten Jahren ihres Erscheinens zwei wertvolle Beiträge geliefert, über "Hag und Zaun in den Alpen" und über "Stein- und Sühnkreuze", welche für beide Gegenstände grundlegend geworden sind. Unser Verein hat ihr anläßlich seines fünfundzwanzigjährigen Bestandes durch die Wahl zum Ehrenmitglied gehuldigt. In unseren Kreisen, wie bei allem volkskundlichen Interessenten, wird ihr Andenken, verbunden. mit dem Andenken ihres ihr schon lange im Tode vorausgegangenen Gemahls, Professor Richard Andree, stets in hohen Ehren gehalten werden.

Prof. Michael Haberlandt
(Wiener Zeitschrift für Volkskunde. 34. Jahrgang, 1929, Heft 1-3, S.36-37)


Alle Angaben wurden nach bestem Wissen und Gewissen zuzsammengetragen. Keine Garantie auf Vollständigkeit.
(vgl. Nikitsch, Dr. Herbert - Eine Volkskundlerein aus Salzburg: Marie Andree-Eysn (1847-1929), in: Salzburger Volkskultur, 25.Jg., April 2001, S.42-50 und Deutsche Gaue, XI. Bd., 1910 Doppelheft 207/8, S.114ff)


Sühnekreuze & Mordsteine