Deutschland Bayern Lkr. Hof

Pilgramsreuth (I)


Abbildung bei
Bucka / Heland
(1986)

Abbildung bei
Bucka (1969)

Zeichnung bei
Döberlein (1965)

PLZ: 95111

GPS: N 50° 13.710', O 12° 1.659'

Standort: Etwa 600 m nördlich des Ortes an der Straße nach Rehau.

Größe / Material: 89:75:28 / Granit

Geschichte: An der Straße Rehau - Pilgramsreuth steht dieses Steinkreuz aus Granit dicht am Straßenrand, ungefähr 500 Meter vor dem Dorf, bei einer Birke. Es ist 86cm hoch, 40cm breit und 23cm dick. Auf der Rückseite des Kreuzkopfes vermeint man bei günstigem Licht die Merkmale eines Gesichtes zu erkennen. Aber wahrscheinlich handelt es sich um Reste von Schabspuren, die bei Gewinnung von Steinmehl für Heilzwecke entstanden. An der Vorderseite des Kreuzes waren in den 60er Jahren zwei rutenförmig gebogene Linien mit einem kleinen Kreuz eingekratzt gewesen, die damals der Grund zu allerlei Vermutungen waren. In unserem Inventar aus dem Jahre 1969 gaben wir schon den Hinweis, daß diese eingekratzten Linien wahrscheinlich durch Kinderhand entstanden und mit dem ursprünglichen Aussehen des Kreuzes nichts zu tun haben. Heute ist davon nichts mehr sichtbar. (Bucka / Heland 1986)

An der Straße Rehau - Pilgramsreuth steht dicht am Straßenrand, ungefähr 600 Meter vor dem Dorf ein Steinkreuz aus Granit. Es ist 86cm hoch, 40cm breit und 23cm dick. An dieser Stelle soll angeblich ein französischer General, der beim Rückzug 1813 hier verstarb, mit seinem Pferd begraben liegen. Wahrscheinlich aber ist dieses alte Steinkreuz, das aus der Mitted es 15.Jahrhunderts stammen dürfte, ein altes Sühnekreuz. Lange Zeit lag es unauffällig am Wegrand, bis es wieder aufgerichtet wurde. An der südöstlichen Seite des Kreuzes sind seit einiger Zeit zwei rutenförmig gebogene Linien zu sehen, die vermutlich von Kinderhand in den Stein gekratzt wurden. Die Ornamente haben mit dem ursprünglichen Aussehen des Kreuzes nichts zu tun. Auf der Rückseite des Kreuzkopfes vermeint man bei günstigen Lichtverhältnissen die Merkmale eines Gesichtes zu erkennen. (Bucka 1969)

6. Das Steinkreuz bei Pilgramsreuth
An der Straße von Pilgramsreuth nach Rehau an einem links abbiegenden Feldweg. Das eingeritzte Kreuz ist jüngeren Datums. Darunter zwei rutenförmig gebogene Einmeißelungen.
Ein französischer General starb auf dem Rückzug von Rußland und liegt hier mit seinem Pferd begraben (1812/13). Eine früher neben dem Kreuz befindliche Steinplatte soll auf die Begräbnisstätte hingewiesen haben.
Die Flur auf der Bodenwelle zwischen Fohrenreuth und Pilgramsreuth heißt "Zum steinernen Kreuz". In dieser Gegend soll ehemals ein weiteres Steinkreuz gestanden haben, wo ein Mädchen ermordet worden sein soll. (Döberlein 1965)

Sage: Ein französischer General starb auf dem Rückzug von Rußland und liegt hier mit seinem Pferd begraben (1812/13).

Quellen und Literatur:
Trukenbrod, Georg - Steinkreuze im Bezirksamte Rehau, in: Der Siebenstern 10/1937
Döberlein, Christian / Döberlein, Hansgeorg - Steinkreuze / Kreuzsteine und steinerne Flurdenkmäler im Landkreis Rehau, Herausgegeben von der Arbeitsgemeinschaft für Heimatkunde im Schulamtsbezirk Rehau, 1965, S.10, 25, 24, Nr.6
Bucka, Hans - Flurdenkmale der Stadt Selb und des Landkreises Rehau, in: Mitteilungsblätter der Deutschen Steinkreuzforschung, 25.Jg., 1969, Heft 2, S.13-14, Nr.35
Bucka, Hans / Heland, Oskar - Die Steinkreuze u. Kreuzsteine im Lkr. Hof und in der Stadt Hof, Hof, 1986, S.34



Pilgramsreuth (II)


Rückseite

GPS:

Standort: Verbindungsweg zwischen Pilgramsreuth und Martinlamitz. Am Fuße des Petersberg in einem Waldstück (durch Wegweiser ausgeschildert).

Größe / Material: 129:20-43:14-20 / Granit

Geschichte: Mord-Gedenkstein in Form eines Pyramidenstumpfes mit Kreuz als Bekrönung. Der Stein trägt folgende Inschriften:
Vorderseite:
Hier wurde
ermordet
Jungfrau
M. Wolfrum
von
Hohenhäuser
Am 14. Sept.
1894
Rückseite:
Durch den
Mörder

Künzel
von
Schwarzen
bach a.S.
Das 18jährige Mädchen wurde durch 22 Messerstiche getötet. Als Täter wurde der 20-jährige Tagelöhner Christian Künzel überführt. Er verstarb am 3. Dezember 1896 in Verbüßung seiner Haftstrafe in der Strafanstalt Plassenburg.

Auf dem Weg Pilgramsreuth - Martinlamitz, nach Überquerung des Goldbachgrundes, kommen wir zum Anstieg des Petersberges. Zu beiden Seiten des Weges zeigen uns zwei größere Grenzsteine, daß hier der Staatsforst beginnt. In südlicher Richtung führt ein Steig am Waldrand entlang zu einer kleinen Waldschneise und zu dem Gedenkstein. Er ist aus Granit, 1,10 Meter hoch, oben 0,25 Meter breit und 0,15 Meter dick, unten 0,47 Meter breit und 0,25 Meter dick. Inschrift, vordere Seite: "Hier wurde ermordet Jungfrau M. Wolfrum von Hohenhäusern am 14. 9. 1894." Rückseite: "Durch den Mörder Künzel von Schwarzenbach a.d.S." Auf der Vorderseite ist oberhalb der Schrift ein Kreuz und auf der Rückseite ein Messer eingemeißelt. Auf dem Stein ist an einem kurzen Eisenstab eine Blechtafel befestigt. Die ehemals aufgemalte Schrift ist völlig verwittert und unleserlich. Ein in der Nähe arbeitender Bauer konnte uns den nicht mehr lesbaren Spruch vorsagen: "Schauet doch und sehet, ob irgend ein Schmerz sei wie mein Schmerz, der mich getroffen hat." Wie schon die Inschriften auf dem Gedenkstein besagen, wurde hier am 14.September 1894 die 18jährige Häuslerstochter Margareta Wolfrum von den Hohen Häusern während der Beerensuche von dem 17jährigen Künzel aus Schwarzenbach/Saale überfallen und durch 22 Messerstiche tödlich verletzt. Der Mörder konnte einige Zeit geschickt den Verdacht auf einen völlig unschuldigen Jagdpächter lenken, wurde aber dann doch durch einen Briefträger beim Reinigen seines zur Mordtat benützten Messers überrascht und überführt. Wegen seines jugendlichen Alters erhielt er lebenslänglich Zuchthaus. In der Strafanstalt Plassenburg beendete er selbst sein Leben. (Bucka 1969)

Sage:

Quellen und Literatur:
Bucka, Hans - Flurdenkmale der Stadt Selb und des Landkreises Rehau, in: Mitteilungsblätter der Deutschen Steinkreuzforschung, 25.Jg., 1969, Heft 2, S.8, Nr.13 unter Hohe Häuser
Tenschert, Tanja - Mord und Totschlag am Kornberg, in: Frankenpost, Rehauer Tageblatt vom 11.01.2008, S.13
Basler, Paul - Die Mordtat am Petersberg, Eine Zusammenfassung, 1999 (priv. Ausdruck)
Als die kleine Margaretha in einem Wald bei Martinlamitz bestialisch ermordet wurde, in: Amtsblatt 16/2004, Heimatzeitung für die bayrische Stadt Schwarzenbach / Saale (gekürzt)
Hüttel, Louis - Unhold mordete junge Beerensucherin, in: Schwarzenbacher Amtsblatt, o.J.
recherchiert und bebildert von Markus Hegner, Selb
Ergänzungen von Paul Basler, Schwarzenbach / Saale



Mord und Totschlag am Kornberg
von Tanja Tenschert

Gedenkstein | Am14. September 1894 wurde die 18-jährige Margarete Wolfrum im Fichtenwald erstochen

100 Meter zur Mordtat: Das Schild weist in Richtung des Gedenksteins, der an das Verbrechen erinnert

Foto: tate
Pilgramsreuth - Am Fuße des Kornbergs, im Fichtenwald, zwischen Pilgramsreuth und Martinlamitz sind es etwa 2300 Meter bis zum Ortseingangsschild Pilgramsreuth. Es sind 4,1 Kilometer bis nach Rehau, 4,9 Kilometer bis zum Wegweiser "Zum Kornberg“. Und es sind genau 100 Meter Richtung Mordtat. So steht es auf dem Holzschild am Wegrand. 100 Meter weiter ist es in Granit gemeißelt: "Hier wurde ermordet Jungfrau M. Wolfrum von Hohe Häuser am 14. September 1894“ - und auf der Rückseite: "durch den Mörder Künzel von Schwarzenbach an der Saale“.

22 Stiche mit dem Pilzmesser
Von einem "verlockenden Sonntag“ und einer "Fülle der herrlichsten Preiselbeeren“ ist im "Heimatfreund“ aus dem Jahr 1951 die Rede. Der Artikel widmet sich der "Bluttat vom Petersberg bei den Hohen Häusern“ und dem denkwürdigen Septembertag. Demnach geht die 18-jährige Gütlerstochter Margarete Wolfrum von den "Hohen Häusern“ an diesem Tag "frohgemut und fleißig“ auf Beerensuche. Das Mädchen kommt etwa bis zur Nordspitze des Petersbergs, als ein "Unhold“ über sie herfällt. Margarete setzt sich zur Wehr, wie spätere Gutachten des Gerichts ergeben, doch der Angreifer "zog blindlings sein Pilzmesser und stach auf das Mädchen ein“. 22 Stiche zählt man später, fünf davon tödlich. Tags darauf ist in der Zeitung zu lesen: "Seit gestern wird ein ... Mädchen namens Wolfrum ... vermißt. Dieselbe wurde zwischen Hohehäusern und Martinlamitz todt aufgefunden; ... Es liegt Mord vor.“
   Genauere Erkenntnisse gibt es drei Tage später. Am 18. September ist über die gerichtliche Sektion der Leiche zu lesen: "Durch die mit Wucht ausgeführten Stiche ... sind dem unglücklichen Opfer alle edlen Theile wie Lunge, Leber, Herz, Magen durchbohrt.“ Den "Mordbuben“ allerdings hat man auch drei Wochen nach der Tat noch nicht verhaften können.

Briefträger entlarvt den Mörder
Der ist, so steht es im Artikel des Heimatfreunds, sogar beim Leichenbegängnis zugegen, meldet sich als Zeuge vor dem Untersuchungsrichter und lenkt den Verdacht zunächst auf "eine angesehene Persönlichkeit, die seinerzeit die Martinlamitz-Pilgramsreuther Jagd innehatte“ - einen Fabrikanten aus Schwarzenbach.
   Durch einen Briefträger wird der wahre Mörder, der 20-jährige Tagelöhner Christian Künzel, schließlich überführt. Er überrascht ihn beim Reinigen "des zur Untat benutzten Messers“, wie aus dem Artikel weiter hervorgeht.
   Am 24. Januar 1895 lautet die Meldung in der Tageszeitung daher: "Gestern Abend wurde der Mörder jenes Mädchens ... von der Gendarmerie verhaftet und nach Hof eingeliefert. Der Mörder ist der Sohn einer hiesigen Grünwarenhändlerin, Künzel mit Namen ... Dem hiesigen Postboten ist es gelungen, den Mörder zu entdecken und zur Anzeige zu bringen.“
   Die Anklage wegen Totschlags folgt am 11. März vor dem Schwurgericht Bayreuth. Christian Künzel wird zu vierzehn Jahren Zuchthaus, "in der bekannten Strafanstalt Plassenburg“ verurteilt. Dort endet sein Leben, am 3. Dezember 1896 - gemäß Heimatfreund, weil er Mauerteile herauskratzt und sie verschluckt. Andere Quellen berichten von Lungenschwindsucht.

tate
(Frankenpost, Rehauer Tageblatt vom 11.01.2008, S.13)



Die Mordtat am Petersberg
Zusammengefaßt von Paul Basler

Folgt man der unbefestigten Straße von Pilgramsreuth nach Martinlamitz über das Einzel "Hohe Häuser" in den Wald hinein und über den Goldbachgrund hinweg, so stehen - bevor der Weg zum Petersberg ansteigt - beiderseitig zwei Grenzsteine mit den Nummern 39 und 40. Etwa 10m nach dem linken Stein Nr.40 zweigt ein Forstweg ab. An dessen linkem Rand im Hochwald entdeckt man nach etwa 50m einen Gedenkstein, der an eine vor ge-nau 105 Jahren an dieser Stelle erfolgte schreckliche Bluttat erinnert:


Der Gedenkstein selbst ist aus Granit gefertigt, etwa 110cm hoch und von unten 47cm Breite und 25cm Stärke nach oben auf 25cm Breite und 15cm Dicke sich verjüngend. Die auf Vorder- und Rückseite eingemeißelten Inschriften künden von der Untat, die hier am 14. September 1894 begangen wurde!

Auf der Vorderseite liest man
unter dem Kreuz:

Hier wurde
ermordet
Jungfrau
M. Wolfrum
von
Hohenhäuser
Am 14. Sept.
1894
Die Rückseite zeigt ein
eingemeißeltes
Messer und darunter:

Durch den
Mörder

Künzel
von
Schwarzen
bach a.S.

In früheren Zeiten war auf dem Kopf des Steines ein kurzer Eisenstab mit einer Blechtafel befestigt. Die aufgemalte Inschrift war völlig verwittert und nicht mehr lesbar, ein in der Nähe auf seiner Wiese arbeitender Landwirt konnte den einst darauf zu lesenden Spruch noch aufsagen:

"Schauet doch und sehet,
ob irgend ein Schmerz sei
wie mein Schmerz,
der mich getroffen hat."

Heute findet sich statt dessen ein kleines Holzkreuz aufgesetzt mit der Inschrift R. J. 82.

Heller Sonnenschein durchflutete am 14. September 1894 die Fluren und Wälder, als die damals noch nicht ganz 19jährige Gütlerstochter Margarete Wolfrum, die mit ihren Eltern in der Einöde Hohe Häuser (zur Gemeinde Pilgramsreuth gehörig) wohnte, ihre Schritte nicht zum ersten Mal allein zu dem benachbarten Walde lenkte, um dort Preiselbeeren zu pflücken. Das lebensfrohe Geschöpf konnte nicht ahnen, daß der Gang ihr letzter sein und sie einem scheußlichen Verbrechen zum Opfer fallen würde. Das ahnungslose Mädchen kam bis zur Nordspitze des Petersberges - heute der grausigen Bluttat wegen "Mordtat" genannt - und begann zu pflücken. Als das Mädel am späten Abend noch nicht wieder nach Hause gekommen war, machten sich die Eltern verständlicherweise berechtigte Sorgen, und begaben sich noch im beginnenden Abenddunkel auf die Suche nach ihr.

Aber vergeblich! Unverrichteter Dinge kehrten sie heim und benachrichtigten den Bürgermeister von Pilgramsreuth und die Gendarmeriestation Rehau, deren Beamten am folgenden Tag den Wald durchstreiften und das Mädchen schließlich tot auffanden, mit mehreren Messerstichen erstochen.

In Windeseile hatte sich die Nachricht über dieses Verbrechen - lange vor Rundfunk, Fernsehen und Internet - im weiten Umkreis verbreitet, was unter der Bevölkerung eine Welle des allgemeinen Entsetzens und der Abscheu auslöste. Die Tageszeitungen berichteten über diese feige Mordtat:

"Die kräftig entwickelte Margarete Wolfrum verließ am Freitag Vormittag 11 Uhr freiwillig [die Wohnung], um wie schon oft, gegen den Kornberg zu Preiselbeeren zu sammeln. Als das Mädchen abends nicht nach Hause kam, suchte man nach ihr, fand sie aber leider erst am Samstag Nachmittag etwa 7-800 Schritte von der Martinlamitzer Straße entfernt, dicht am Nonnenwalder Weg in fürstlicher Waldung mit dem Gesichte nach unten liegend auf - sie war ermordet. Man hatte der Unglücklichen 4 Stiche, wahrscheinlich mit einem sogen. stehenden Messer, beigebracht und zwar 2 dicht beieinander unterhalb des linken Schulterblattes, einen unterhalb des rechten Schulterblattes und einen in die linke Brustseite. Diese Stiche müssen dem Opfer stehend beigebracht worden sein, denn das Blut drang unten zu. Von dem ungeheuren Blutverlust geschwächt, mag die Unglückliche zusammengebrochen und ihr junges Leben in der Nähe der elterlichen Wohnung ausgehaucht haben.

Allem Anschein nach liegt ein Lustmord vor und zwar muß derselbe kurze Zeit, nachdem das Mädchen das Haus verlassen hatte, erfolgt sein, denn in der etwas blutbefleckten Gießkanne befanden sich noch keine Beeren, auch hatte die Todte ihr Vesperbrod noch bei sich. Die Erbitterung über die grausame Ermordung des in der Jugendblüthe gestandenen Mädchens, welche sich des besten Leumundes und allgemeiner Beliebtheit erfreute, ist sehr groß. Leider fehlt jede Spur von dem Thäter."

Wie eine gerichtlich angeordnete Sektion des Leichnams später ergab, waren es nach Klaus Müller insgesamt 14 Messerstiche (Hüttel berichtet von 22 Stichen), die dem bedauernswerten Mädchen beigefügt worden waren und die fast alle lebenswichtigen Organe durchbohrt hatten (Hüttel spricht von fünf tödlichen Verletzungen). Auch die Hände des Opfers, das sich offenbar heftig gewehrt haben mußte, waren völlig zerschnitten. Spuren einer Vergewaltigung konnten dagegen zunächst nicht festgestellt werden.

Sofort nach dem Bekanntwerden dieser entsetzlichen Tat setzt eine fieberhafte Suche nach dem Unhold ein. Verdächtigungen, Vermutungen und Flüsterparolen führten zur Verhaftung mehrerer Personen, darunter auch ein "Stromer namens Hübner aus Hoff", die aber wegen nachgewiesener Unschuld wieder freigelassen werden mußten, die Behörden allerdings zu einer Veröffentlichung veranlaßte, in der es hieß:

"... Die Untersuchung wird natürlich möglichst geheim betrieben, und je weniger nach Außen dringt, umso mehr beschäftigt sich die Phantasie der Bierbankgelehrten mit der Sache und heckt Dinge und Kombinationen aus, die man als Hirngespinste einfach verlachen müßte, wenn sie nicht zu gefährlich wären und zu leichtsinnig mit Namen und Ruf von Nebenmenschen ihr frevles Spiel trieben..."

Der Täter, der 19jährige Taglöhner Christian Künzel, der in Martinlamitz bei seiner Mutter wohnte, besaß die Unverfrorenheit, sich das Leichenbegräbnis anzusehen. Im Rahmen der Untersuchungen ließ sich der Mörder von den Beamten als Zeuge vernehmen, und sagte aus:

"Ich war am 14. September in der Nähe der Mordstelle im Wald, um Pilze zu suchen. Da hörte ich auf einmal Hilferufe, ich habe aber nichts darauf gegeben. Aber kurze Zeit danach hörte ich im Walde einige Schüsse fallen."

Damit bezweckte er, den Verdacht der Täterschaft auf eine andere Person zu lenken. Zwar wurden die Aussagen seitens der Beamten sehr skeptisch aufgenommen, doch mußten sie auch in dieser Richtung weiter ermitteln. Und so kam es, daß ein vollständig Unschuldiger des grausamen Verbrechens beschuldigt wurde.

Bereits drei Tage nach dem grausamen Mord war gegen einen Fabrikanten aus Schwarzenbach/Saale Anklage erhoben worden. Der seinerzeit den Jagdbogen Martinlamitz - Pilgramsreuth innehabende Jagdpächter, Fabrikbesitzer Fritz Schaller, Mitinhaber der Firma Oscar Schaller u. Co. in Schwarzenbach an der Saale, ein hochangesehener Mann, hatte sich an diesem Tag auch in seinem Revier aufgehalten. Schaller sollte die Schreckenstat begangen haben. Und der Anschuldiger war der Mordbube selbst. Letzterer hatte es verstanden, das Alibi des Unschuldigen so zu belasten, daß man von dessen Schuld fast überzeugt war. Untersuchungen, Verhöre, Beschuldigungen aller Art wurden gegen den Mann, der die Natur und die Tiere des Waldes liebte und ein gutes Herz für alle Mitmenschen hatte, geführt. Glücklicherweise stellte sich bei der Verhandlung die Unschuld des zu Unrecht Verdächtigen heraus, nicht zuletzt durch die Fähigkeit seines Verteidigers, des damaligen Rechtsanwalts Gummi aus Hof, so berichtet Louis Hüttel.

Nach Hüttel war schon von Anfang an in Martinlamitz bei einer großen Zahl der damaligen Einwohner die Meinung vorherrschend, daß der Angeber Künzel selbst der Täter sei. Als nämlich anläßlich einer Briefzustellung der damalige Schwarzenbacher Briefträger Johann Thiem in Martinlamitz bei der Mutter des Mörders zu tun hatte, bemerkte er, daß sich der Bursche mit dem Reinigen eines langen Messers beschäftigte und dieses beim Auftauchen des Postbeamten verstecken wollte. Letzterer aber war schon lange im geheimen damit beschäftigt, den arbeitsunwilligen und frechen Burschen der Tat zu überführen. Für ihn stand fest, daß nur Künzel der Täter sein und jeder andere Verdacht unbegründet war.

Der brave Postbeamte erstattete den Gendarmeriebeamten Mitteilung und nicht lange währte es, da konnte der wirkliche Mörder entlarvt und verhaftet werden. Nur ein stärkeres Aufgebot von Sicherheitsbeamten konnte dem Täter bei dessen Abtransport die Lynchjustiz ersparen. Soweit Louis Hüttel.

Klaus Müller berichtet von einer Steigerung der Erregung unter der Bevölkerung auf Grund Künzels Aussage und von ständig wachsender Kritik an der Polizeiarbeit. So waren in Schwarzenbach zwei Gendarmeriebeamte von der Unschuld des angeklagten Fabrikanten völlig überzeugt und stellten auf eigene Faust Recherchen an. Ihr zunächst noch unbegründeter Verdacht richtete sich gegen den jungen Taglöhner Künzel, den sie heimlich beobachteten und überprüften.

Inzwischen beteuerte der Fabrikant immer wieder seine Unschuld, Verhöre und Zeugenvernehmungen brachten keine neuen Erkenntnisse. Für die Ergreifung des Täters setzte die Regierung von Oberfranken eine Belohnung von 300 Mark aus. Wochen ergebnisloser Suche vergingen. Aber da kam den beiden Polizeibeamten Kollege "Zufall" zu Hilfe: anläßlich einer Wirtshausschlägerei im Januar 1895 konnten sie den verdächtigten Künzel als Zeugen vorladen und sagten ihm auf den Kopf zu: "Christian, du hast die Margaret umgebracht!" Völlig überrumpelt brach der junge Mann zusammen und schluchzte: "Um Gottes willen, Herr Kommandant, zeigen sie mich nicht an. Ich geb‘ ihnen alles, was ich habe." Auch bei den folgenden Vernehmungen blieb der Bursche bei seinem Geständnis und erzählte - wie von einer schweren Last befreit - unaufgefordert:

"Ich bin der Täter, aber ich habe Angst vor meiner Mutter. Ich konnte die erste Zeit nach der Tat vor lauter Aufregung nicht mehr schlafen. Ja, es war am 14. September vorigen Jahres. Ich ging in den Wald und wollte Schwämme suchen. Da traf ich Margareta. Ich packte sie an, sie wehrte sich, ich kämpfte mit ihr und versetzte ihr dabei mehrere Stiche in die Brust; sie rief zweimal um Hilfe. Ich hielt ihr mit der Hand den Mund zu und versetzte ihr noch weitere Stiche, bis sie sich nicht mehr rührte. Ich drehte sie um und gab ihr noch einige Stiche in den Rücken. Als ich das Messer aus der Tasche zog, griff die Wolfrum danach und verletzte sich dabei an den Fingern, ich sah ihre Finger bluten..."

Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht, daß der wahre Täter gefaßt war, in Schwarzenbach. Als der gefesselte Künzel zum Bahnhof gebracht werden sollte, mußte ihn die örtliche Feuerwehr vor der wütenden und aufgebrachten Bevölkerung schützen.

Bereits am 11. März 1895 fand vor dem Schwurgericht Bayreuth die Anklage wegen Totschlags, Notzucht und Meineid statt. Künzel wurde zu einer Zuchthausstrafe von 14 Jahren und Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von 10 Jahren verurteilt und auf die Plassenburg verbracht. Dort verstarb er am 3. Dezember 1896. In einem Zeitungsbericht hieß es darüber:

"Der Mörder der Häuslerstochter Wolfrum von Pilgramsreuth, der in Schwarzenbach a.S. geborene, zuletzt in Martinlamitz wohnhaft gewesene Taglöhner Künzel ist auf der Plassenburg an der Lungenschwindsucht gestorben. Er hat also nur 1½ Jahre von den ihm wegen Todtschlags zu gesprochenen 14 Jahren Zuchthaus verbüßt."

Das Verfahren gegen den verdächtigten Fabrikanten hatte man sofort eingestellt, die beiden Gendarmen aus Schwarzenbach erhielten die ausgesetzte Belohnung, wurden öffentlich gelobt und ausgezeichnet.

Louis Hüttel hingegen schreibt, nur auf Grund seines jugendlichen Alters wurde Künzel zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt, ansonsten sei ihm das Fallbeil sicher gewesen. Im damaligen Zuchthaus Plassenburg habe nach kurzer Inhaftierung sein Leben geendet, indem er Mauerteile herauskratzte und diese verschluckte.
Hüttel schließt :

"Viele der Zeugen und der vorbenannte Unschuldige haben längst das Zeitliche gesegnet. Noch heute gedenkt man mit Schrecken der ruchlosen Tat eines vertierten jungen Mannes. Und mit Wehmut sei noch des Mannes gedacht, der gänzlich unschuldig das Schwerste ertragen mußte, als Mörder bezeichnet zu werden. Er, der als wirklich guter Mensch ein wahrhaft goldenes Herz besaß, wirkte noch jahrzehntelang in seiner Heimatstadt Schwarzenbach an der Saale im öffentlichen wie im Privatleben. Ruht er auch schon Jahrzehnte in heimatlicher Erde, so wird und darf sein Name doch nie untergehen."

Das Andenken des ermordeten Mädchens ehrt die Bevölkerung auch noch heute mit gelegentlichen Blumengaben am Gedenkstein.

Literatur:
1) Klaus Müller: Der Große Kornberg, eine Hohe Bastei; Schönwald 1997
2) Schwarzenbacher Amtsblatt: Unhold mordete junge Beerensucherin - Louis Hüttel berichtet über die Bluttat am Petersberg; Jahr ?
3) Hans Bucka, Oskar Heland: Grenzsteine, Flur- und Kleindenkmale im Landkreis Hof; Hoermann-Verlag Hof 1991 S.66-67
4) Rehauer Tagblatt: E. Sch.: Bluttat am Kornberg entsetzte die Region; 25.8.1999

(Paul Basler, 1999)



Als die kleine Margaretha in einem Wald bei Martinlamitz bestialisch ermordet wurde.
Sexual- und Eifersuchtsdelikte stehen in der Skala der Gewaltverbrechen ganz oben
In Nordbayern höhere Tötungsquote als im Süden des Freistaates

Laut Statistik werden in Nordbayern mehr Menschen ermordet als in Südbayern. Und das, obwohl die Nordbayern eigentlich als ruhige, besonnene Menschen gelten. Andererseits gelten die Rahmenbedingungen für ein gesundes soziales Umfeld in Oberbayern als besser wie jene im Norden des Freistaates. Die höchste Tötungsquote hat dabei die Oberpfalz. Und sie, die Oberpfälzer, werden in einer Studie auch schon mal zu Aggression und Hitzigkeit neigenden Zeitgenossen eingestuft. Nach einer Statistik wird jeder 10.000. Weidener ermordet. 2001 gab es in Weiden vier Fälle von Mord und Totschlag. Noch höher liegt die Tötungsquote im Jahr 2001 in Deggendorf und im Landkreis Neustadt an der Waldnaab mit zehn Fällen von Mord und Totschlag. In Kempten im Allgäu beispielsweise gab es im Jahr 2001 überhaupt keine Gewalttat, im Kreis München bei 295 000 Einwohnern wurden drei Fälle registriert. Zur Zeit sorgt der "Peggy"-Prozess vor dem Hofer Schwurgericht für Aufmerksamkeit nicht nur in der Hofer Region. Die neunjährige Peggy soll von einem Triebtäter aus Lichtenberg erdrosselt worden sein. Von der Leiche fehlt auch heute, fast drei Jahre nach der vermeintlichen Tat, jede Spur. Einem Sexualverbrechen fiel auch die kleine Margaretha Wolfrum zum Opfer, die zwischen Martinlamitz und Pilgramsreuth zu Tode kam. Mit diesem Fall wollen wir spektakuläre Kriminalfälle, die sich in und um Schwarzenbach in der Vergangenheit zutrugen, noch einmal aufrollen.

An der Stelle, wo die kleine Margaretha ermordet wurde, erinnert heute noch ein Gedenkstein an das schreckliche Verbrechen.

Der heimtückische Mord an der kleinen Margaretha Wolfrum trug sich in den Mittagsstunden des 14. September 1894 zu. Das Mädchen wurde beim Preiselbeersammeln im Wald auf bestialische Weise mit einem Dutzend Messerstichen von dem 19-jährigen Maurerhandlanger Christian Künzel aus Martinlamitz umgebracht. Der Sohn einer Grünwarenhändlerin war vor Jahren von Schwarzenbach nach Martinlamitz gezogen. Niemand hatte dem kleinen, schmächtigen Burschen eine solche grausame Tat zugetraut. Entdeckt wur-de das Verbrechen von dem Postboten Johann Thiem, der auch die ausgesetzte Belohnung von 500 Mark erhielt.

Verhandelt wurde der Mädchenmord am 11.März 1895 vor dem Schwurgericht Bayreuth. Was sich damals im Gerichtssaal zutrug, übermittelte uns Redakteur Heinz Wolfrum. Interessant war die Zusammensetzung der Geschworenen. Dem Geschworenen-Gremium gehörten an: 1 Gutsbesitzer, 2 Bierbrauer, 1 Exportbierbrauereibesitzer, 2 Kaufmänner, 2 Mühlenbesitzer, 2 Fabrikbesitzer und 1 Privatier. Der wegen Totschlags, Notzuchtversuchs und Meineids geklagte 19-jährige Tagelöhner Christian Künzel wird wie folgt beschrieben: "Der Jugendliche Verbrecher ist ein halberwachsener Bursche mit kurzgeschorenen Haaren, wegstehenden Ohren und unsteten Augen; kein Flaum ist im Gesicht sichtbar, man hält diesen halbwüchsigen Burschen keines so scheußlichen Verbrechens für fähig." Auf dem Gerichtstisch liegen die Kleider des ermordeten Opfers sowie die Tatwaffe, ein stumpfes, gewöhnliches Brotmesser. Der Angeklagte, welcher bereits in der Voruntersuchung ein umfassendes Geständnis abgelegt hatte, wiederholte dasselbe. Der Vorsitzende ermahnte den Angeklagten, ein reumütiges Geständnis abzulegen.

Künzel: "Am Freitag, dem 14.September diesen Jahres um Mittag ’rum bin ich in den Petersberg, um Schwämme zu suchen. Im Walde traf ich mit der Margaretha Wolfrum von den Hohenhäusern zusammen. Sie hatte einen Kiezer und wollte Preiselbeeren sammeln. Da ist mir der Gedanke gekommen, ich will sie fleischlich gebrauchen; ich schlang meinen Arm um ihren Hals, aber sie wollte es nicht leiden. Sie hat mich gleich am Hals gepackt und gedrosselt."
Präsident: "Das wird wohl nicht der Fall gewesen sein, das Mädchen wird gesagt haben: Geh weg, du unverschämter Kerl!"
Künzel: "Die Wolfrum war stärker als ich, sie hat gesagt, sie zeigt mich an."
Präsident: "Das war alles noch im Vorwald?"
Künzel: "Ja, sie ist dann weiter in den Wald hinein, ich bin ihr nachgegangen."
Präsident: "Warum sind Sie ihr nachgegangen?"
Künzel: "Ich hab’ doch gedacht, ich erreiche noch meinen Zweck. Ich hab‘ sie wieder angepackt, sie hat mich wieder gedrosselt. Nun hat sie gesagt, wie wir am Boden lagen, ich zeig’ dich an! Wir haben miteinander gerungen, ich kam manchmal untenhin. Nun kam ich in Aufregung."
Präsident: "Was ist Ihnen nun in den Sinn gekommen?"
Künzel: "Ich hab‘ mein Messer aus dem Korb genommen und hab‘ gestochen."
Präsident: "Haben Sie der Wolfrum nur ein kleines Stichlein beibringen oder haben Sie das Mädchen aus der Welt schaffen wollen?"
Künzel schweigt und läßt den Kopf sinken.
Präsident: "Wo haben Sie den zuerst hingestochen?"
Künzel: "Ich weiß es nicht!"
Präsident: "Haben Sie gedacht: Ich will das Mädel umbringen?"
Künzel: "Wir waren am Boden gelegen, als ich zugestochen habe."
Präsident: "Früher haben Sie gesagt: Ich hab‘ das Mädchen deshalb erstochen, weil ich gedacht habe, wenn das Mädchen tot ist, kann es keinen Zeugen mehr geben."
Künzel: "Ja, so ist es, ich hab‘ zugestochen, bis das Mädchen sich nicht mehr gerührt hat."
Präsident: "Der Kampf muß doch lange gedauert haben? Das Messer ist nicht einmal so spitzig, mit furchtbarer Gewalt müssen Sie hineingehauen haben!"
Künzel: "Ja!"
Präsident: "Sie haben dem Mädchen nicht weniger als 12 Stiche in den Oberkörper versetzt; davon sind neun in den Brustkorb und drei in den Unterleib gegangen; zwei Stiche haben den Herzbeutel, ein Stich das Herz durchbohrt, je ein Stich ging in den Magen, die Leber! Sie haben ja eine ganz schaurige Tat begangen!"
Künzel schweigt.
Präsident: "Sie sind weiter noch beschuldigt, daß Sie am 22.September beziehungsweise 13.Oktober diesen Jahres vor dem Herrn Untersuchungsrichter, Landgerichtsrat Meyer von Hof, auf Eid hin die Unwahrheit sagten, Sie hätten am kritischen Tag zwischen Martinlamitz und Pilgramsreuth am Grenzpfahl zweimal auf circa 150 Schritte dumpfe Hilferufe gehört, aber Sie hätten niemand gesehen."
Künzel: "Ja, ich hab dies gesagt, aber es war nicht wahr."
Präsident: "Nun sehen Sie, was für ein großes Herzeleid über eine brave Familie gebracht und wie Sie zwei unbescholtene Männer in den Verdacht gebracht haben, diese grausige Tat begangen zu haben."
Künzel weint.

Die Eltern des Mädchens kommen zu Wort und erzählen ihren ganzen Jammer über das Ausbleiben ihres braven Mädchens und unter welch traurigen Umständen sie ihre Tochter im Walde aufgefunden haben.

Entdeckt wurde das Verbrechen vom Postboten Johann Thiem (Zweiter von rechts)

Gendarmeriestationskommandant Kühn von Schwarzenbach konstatiert, daß ursprünglich der Verdacht der Täterschaft auf die Fabrikbesitzer Oskar und Friedrich Schaller von Schwarzenbach an der Saale fiel; als sich später der Verdacht auf den Angeklagten lenkte, habe man im Volksmunde gemurrt und zu erkennen gegeben, dadurch solle der Verdacht von dem reichen Fabrikbesitzer abgelenkt werden. Einstmals hätten die Gendarmen bei Künzel in seinem Wohnzimmer des Nachts beobachtet wie er eine Räubergeschichte las. Seine Mutter schimpfte über die Leserei, da sagte Künzel: "Mutter, so ein Räuberhauptmann möchte ich auch sein!" Die Gendarmerie überwachte Künzel unausgesetzt und endlich gelang es ihr auch, ihn zu einem Geständnis zu bewegen, worauf seine Festnahme erfolgte.

Der Landgerichtsarzt Dr. Walther von Hof konstatiert, daß der Angeklagte die ersten Stiche nach dem Rücken seines Opfers führte, es entstanden dann Lungenblutungen, das Mädchen mußte sich aufsetzen und husten, da Blut in die Bronchien eingetreten war, aber der Täter ließ nicht ab, er versetzte dem Mädchen noch mehrere Stiche, wovon einer das Herz durchbohrte. Nachdem bereits der Tod eingetreten war, erfolgten noch Muskelzuckungen, und da versetzte der Mörder seinem Opfer noch drei weitere Stiche. Diese Stiche waren unblutig, müssen demnach nach eingetretenem Tode zugefügt worden sein.

Herr Staatsanwalt Gummi eröffnete sein Plädoyer mit folgenden Worten: "Eine ungemein schwere Bluttat ist es, über die Sie heute, meine Herren Geschworenen, zu erkennen haben. Ungemein schwer ist die Rohheit bei Verübung der Tat, ungemein schwer ist sie in ihren Folgen. Es hat am 14.September des Jahres ein junges, lebensfrohes, kräftiges Mädchen, durch Mörderhand geendet. Es war der letzte Gang des Mädchens, als es an jenem verhängnisvollen Tag in das Beerensuchen ging und nicht mehr zurückkam... Die öffentliche Meinung lenkte den Verdacht der Täterschaft auf einen hochangesehenen Mann, den Fabrikbesitzer Schaller von Schwarzenbach an der Saale; die Gendarmerie, das Gericht, die Staatsanwaltschaft konnte nicht umhin, gegen den genannten Fabrikbesitzer die Untersuchung zu eröffnen. Welche Seelenqualen mögen dadurch dem Manne entstanden sein? Wie schwer mag dieser Mann unter diesem Verdacht gelitten haben? Dem Gerichte kann kein Vorwurf gemacht werden deshalb, wir können nur der öffentlichen Meinung den Vorwurf dieses falschen Verdachts machen. Uns steht kein anderes Mittel zur Verfügung als hier öffentlich zu erklären: an dem Ehrenmanne Friedrich Schaller haftet nicht der leiseste Schatten eines Verdachtes. Die öffentliche Meinung, im gewöhnlichen Leben heißt es immer, Volkesstimme ist Gottesstimme, hat sich im vorliegenden Fall arg getäuscht und ich freue mich, die vollständige Rehabilitierung des Herrn Schaller hier öffentlich aussprechen zu können." Der Herr Staatsanwalt beantragte sämtliche Schuldfragen zu bejahen, er konnte sich nicht entschließen, die Anklage auf Mord zu erheben. Der Verteidiger, Herr Rechtsanwalt Gewinner, sucht mit großer Beredsamkeit die Tat des Angeklagten im milden Lichte erscheinen zu lassen, er führte zu diesem Zwecke das straflo-se Vorleben des Angeklagten, seine Jugend und sein umfassendes Geständnis ins Feld.

Durch den Wahrspruch der Geschworenen, Obmann Bock, Bayreuth, wurde der Angeklagte unter Ausschluß mildernder Umstände für schuldig erachtet und demgemäß zu einer Gesamtzuchthausstrafe von 14 Jahren, Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf zehn Jahre und Stellung unter Polizeiaufsicht verurteilt. Künzel nahm das Urteil ganz ruhig auf und erklärte, sich dabei beruhigen zu wollen. Ein zahlreiches Publikum wohnte der Verhandlung an.

(Amtsblatt 16/2004, Heimatzeitung für die bayrische Stadt Schwarzenbach / Saale)



Unhold mordete junge Beerensucherin
Louis Hüttel berichtet über die Bluttat am Petersberg

Heller Sonnenschein durchflutete am 14.September 1894 die Fluren und Wälder, als die damals 18jährige Gütlerstochter Margarete Wolfrum von den "Hohen Häusern", zur Gemeinde Pilgramsreuth gehörig, ihre Schritte zu dem benachbarten Walde lenkte, um Preiselbeeren zu pflücken. Das lebensfrohe Geschöpf konnte nicht ahnen, daß der Gang ihr letzter sei und sie einem scheußlichen Verbrechen zum Opfer fallen würde. Das ahnungslose Mädchen kam bis zur Nordspitze des Petersberges - heute der grausigen Bluttat wegen "Mordtat" genannt - und begann emsig Preiselbeeren zu pflücken.

Zu gleicher Zeit hatte sich der in Martinlamitz bei seiner Mutter wohnende 17jährige Gelegenheitsarbeiter Christian Künzel in den Wald begeben, um Pilze zu sammeln. Dabei stieß er auf das Mädchen, und da er annehmen konnte, daß niemand in der Nähe sei, versuchte er es seinem Willen gefügig zu machen. Dieses jedoch, ein kräftiges Wesen, setzte sich zur Wehr, so daß sein Vorhaben mißlang. Aus Angst vor der zu erwartenden Anzeige faßte er den Entschluß, das Mädchen für immer stumm zu machen.

Mit einem zum Sammeln der Pilze bestimmten spitzen Küchenmesser überfiel der Un-mensch plötzlich sein Opfer und brachte ihm nicht weniger als 22 Stiche bei. Fünf davon waren tödlich. Um die Spuren seiner Schreckenstat zu verbergen, schleppte er die blutüberströmte Ermordete ins Gebüsch.

Als das Mädchen zur gewohnten Zeit nicht nach Hause kam, gerieten die Angehörigen in Sorge und machten sich gemeinsam mit Nachbarn auf die Suche. Entseelt und bestialisch zugerichtet fand man die Unglückliche.

Niemand konnte ahnen, wer der Mörder war. Gendarmerie- und Gerichtsbeamte waren eifrig mit der Fahndung nach dem Täter beschäftigt. Leider gelang es vorerst nicht, seiner habhaft zu werden. Als man die Unglückliche zu Grabe trug, besaß Künzel die Unverfro-renheit, sich das Leichenbegräbnis anzusehen.

Nicht genug seines scheußlichen Verbrechens, ließ er sich von den die Untersuchung führenden Beamten als Zeuge vernehmen und log diesen vor, er habe abends gegen 5 Uhr Hilferufe vernommen, doch habe er sich gefürchtet, die Richtung einzuschlagen, um nicht etwas abzubekommen. Damit bezweckte er, den Verdacht der Täterschaft auf eine andere Person zu lenken. Zwar wurden die Aussagen seitens der Beamten skeptisch aufgenommen, doch mußten diese die Richtung weiter verfolgen. Und so kam es, daß ein vollständig Unschuldiger des grausamen Verbrechens beschuldigt wurde.

Der seinerzeit den Jagdbogen Martinlamitz - Pilgramsreuth innehabende Jagdpächter, Fabrikbesitzer Fritz Schaller, Mitinhaber der Firma Oscar Schaller u. Co. in Schwarzenbach an der Saale, ein hochangesehener Mann, sollte die Schreckenstat begangen haben. Und der Anschuldiger war der Mordbube selbst. Letzterer hatte es verstanden, das Alibi des Unschuldigen so zu belasten, daß man von dessen Schuld fast überzeugt war. Untersuchungen, Verhöre, Beschuldigungen aller Art wurden gegen den Mann, der die Natur und die Tiere des Waldes liebte und ein gutes Herz für alle Mitmenschen hatte, geführt. Glücklicherweise stellte sich bei der Verhandlung die Unschuld des ungerechterweise Verdächtigen heraus, nicht zuletzt durch die Fähigkeit seines Verteidigers, des damaligen Rechtsanwalts Gummi in Hof.

Wer war nun der Täter? Schon von Anfang an war in Martinlamitz bei einer großen Zahl der damaligen Einwohner die Meinung vorherrschend, daß der Angeber Künzel selbst der Täter sei. Diese Mutmaßung erwies sich als Tatsache.

Als nämlich gelegentlich einer Briefzustellung der damalige Schwarzenbacher Briefträger Johann Thiem in Martinlamitz bei der Mutter des Mörders zu tun hatte, bemerkte er, daß sich der Bursche mit dem Reinigen eines langen Messers beschäftigte und dieses beim Ansichtigwerden des Postbeamten verstecken wollte.

Letzterer aber war schon lange im geheimen damit beschäftigt, den arbeitsunwilligen und frechen Burschen der Tat zu überführen. Für ihn stand fest, daß nur Künzel der Täter sein und jeder andere Verdacht unbegründet war.

Der brave Postbeamte erstattete den Gendarmeriebeamten Mitteilung und nicht lange währte es, da wurde der wirkliche Mörder entlarvt. Die Bestie in Menschengestalt wurde nun in Haft genommen. Niemand, der Zeuge seines Abtransportes war, wird vergessen können, wie nur ein stärkeres Aufgebot von Sicherheitsbeamten dem Täter die Lynchjustiz erspart hat.

Seines jugendlichen Alters wegen wurde er zu lebenslänglichem Zuchthause verurteilt, andernfalls ihm das Fallbeil sicher gewesen wäre. Im damaligen Zuchthaus Plassenburg endete nach kurzer Inhaftierung sein Verbrecherleben, indem er Mauerteile herauskratzte und diese verschluckte.

Viele der Zeugen und der vorbenannte Unschuldige haben längst das Zeitliche gesegnet. Noch heute gedenkt man mit Schrecken der ruchlosen Tat eines vertierten jungen Mannes. Und mit Wehmut sei noch des Mannes gedacht, der gänzlich unschuldig das Schwerste ertragen mußte, als Mörder bezeichnet zu werden. Er, der als wirklich guter Mensch ein wahrhaft goldenes Herz besaß, wirkte noch jahrzehntelang in seiner Heimatstadt Schwarzenbach an der Saale im öffentlichen wie im Privatleben. Ruht er auch schon Jahrzehnte in heimatlicher Erde, so wird und darf sein Name doch nie untergehen.

An der Stelle, wo die Mordtat geschah, steht seit jener Zeit ein Stein aus Granit. "Mordtat" wird er im Volksmunde genannt. Die in den Gedenkstein eingegrabenen verwitterten Worte lauten:

"Schautet doch und sehet, ob irgend ein Schmerz sei
wie mein Schmerz, der mich getroffen hat."

(Schwarzenbacher Amtsblatt, o.J.)


Sühnekreuze & Mordsteine