Deutschland Thüringen Wartburgkreis

Ruhla (I)


Blick zum Standort

die rechte Seite

die linke Seite

der Grenzstein mit
den Jagdhörnern
welcher den
Unfallort markiert

Oberseite des Gedenk-
steins, geschmückt mit
Eichenkranz und zwei
gekreuzten
Hirschfängern
Foto: Raddatz
veröffentlicht bei
Schäfer (1993)

PLZ: 99842

GPS:

Standort: Der Stein steht abseits vom Friedhof (dieser liegt unmittelbar hinter der St. Concordia-Kirche im Hanggelände oberhalb), neben dem Haupteingang von Nordwesten.

Der Weg zum Grenzstein, an welchem das Unglück geschah (N 50° 52.113', O 10° 19.463'): Man geht vom Waldhaus Kissel auf dem bezeichneten direkten Weg in Richtung ''Rennsteig'', ''Ruhla'', ''Ruhlaer Häuschen'' und trifft nach etwa 500m linker Hand auf eine Schutzhütte am Forstort ''Hoher Kissel''. Hier verlief die alte Landesgrenze markiert durch einige wuchtige Grenzsteine SE/SM - meist umgestürzt und überwuchert. Der an der Schutzhütte befindliche Wegweiser zeigt geradeaus nach dem ''Rennsteig'' und ''Ruhla'', links zum ''Wartburgblick'' doch wir gehen nun rechts auf den ''Arnsberg'' zu und erreichen nach knapp 200m eine kleine kreisförmige Lichtung von 25m Durchmesser mit einigen Birken. Hier steht ein etwa 1,5m hoher, schlanker Grenzstein im Grün - der gesuchte Stein. An diesem Grenzpunkt biegt die Grenzlinie rechtwinklig ab, daher sind auf drei Flächen des Steines SE für Sachsen-Eisenach und auf der letzten Fläche SM für Sachsen-Meiningen eingearbeitet. Unterhalb des Grenzsteines - im Tann verborgen - ist der in der Beschreibung erwähnte Hohlweg.

Größe / Material:

Geschichte: Der Stein macht einen ziemlich kläglichen Eindruck. Inschriften z.T. schon stark verwittert. Die zur Mauer befindliche Inschrift (eigentlich Vorderseite) ist zur Zeit nich einsehbar, weil von einem Kieshaufen - noch vom Wegebau übrig geblieben - verdeckt. Wasserschäden am Fuss, Eisenklammern - ungünstig, da Rostsprengung. Auf der Rückseite ist noch folgende, fragmentarisch erhaltene Inschrift lesbar, die bei Schäfer (1993) nicht wiedergegeben wurde:
Dies hohe Vorbild selten treuer Liebe
Richt auf die schwer
[...]gten Mutterherzen
Denn ob der G
[...] in der Steele bliebe
[...] Wiedersehn [...] heissen Sehnsucht
[...]
Da der Text hier zur Ehre der Verstorbenen und deren Angehörigen (Mütter) ins Lyrische übertragen wurde fällt es sehr schwer die Lücken zu ergänzen. Eine bessere Präsentation des Gedenksteines, der ursprünglich das Grabdenkmal der beiden Opfer war, wäre wünschenswert.

[...] Etwa 600m nordöstlich des Kisselhauses, dort, wo die drei Forstorte "Arnsberg Ebene", "Kissel" und "Am Jägerstein" zusammenstoßen, steht der Grenzstein Nr.16 (laut Köllner No.6) mit der Jahreszahl 1787 und den Inschriften SE und SM. Über die Nummer des Steines ist auf der Seite, die nach dem ehemaligen meiningischen Landesteil hinzeigt, zum Zeichen dessen, daß hier ein Postweg entlangführte, ein Posthorn (laut Köllner ein Jagdhorn) eingeritzt. Hier ereignete sich am 28.Juli 1843 ein furchtbares Jagdunglück, wie es wohl selten in der Geschichte der Jagd vorkommt.
Bei dem Förster des damals eisenachischen Anteils in Ruhla war der wohlgebildete, liebenswürdige Forstgehilfe Conta aus Ilmenau stationiert. Er war mit einem jungen Mann gleichen Alters und Standes, Bach mit Namen, dem einzigen Sohn einer Witwe aus Wenigenlupnitz, eng befreundet. Bachs Amtssitz war Wilhelmstal. Beide hatten zusammen am Forstinstitut des Forstrats König in Eisenach studiert, ihr Examen zu gleicher Zeit abgelegt und bestanden. Dann hatten sie sechs Wochen zusammen im weimarischen Jägerbataillon gedient. Die aneinandergrenzenden Reviere gestatteten den beiden Jünglingen, die wie Brüder zusammen waren, sich oft zu sehen, ihre Erlebnisse und Erfahrungen auszutauschen. Da erschien eines Tages im Auftrag der von einer düsteren Ahnung geplagten Mutter Contas ihr zweiter Sohn, ein Ökonom, in Ruhla, um sich nach dem Befinden seines Bruders zu erkundigen. Der aber war froher Laune und nun bestrebt, seinem Gast ein Vergnügen zu bereiten.
Freund Bach in Wilhelmstal wurde von dem Besuch sogleich benachrichtigt und eingeladen, an einem Pirschgang am 28.Juli auf einen guten Bock auf dem Arnsberg teilzunehmen, der aus Anlaß der Anwesenheit von Contas Bruder erlegt werden sollte. Der Bruder jedoch hatte eine sonderbare Abneigung gegen den vereinbarten Ort und riet zu einer Pirsch in einem näher gegelegenen Revierteil.
Schließlich ließ er sich doch überreden, zusammen mit einem vierten jungen Mann aus Ruhla, namens Deusing, die beiden Freunde zum Arnsberg zu begleiten. Dort in der Buchendickung stand ein kapitaler Rehbock, der morgens und abends auf den nahen Schlag heraustrat. Die beiden Forstgehilfen stellten sich am Berghang auf den Anstand, Bach zu unterst, links von dem abwärts führenden Weg nach Gumpelstadt, Conta ein Stück höher am Berg auf der gleichen Seite des Weges in unmittelbarer Nähe der Dickung. Beide hatten den Bestand, aus dem der Rehbock auswechseln mußte, im Rücken, den Gumpelstädter Weg und den mit Fichten besäten Schlag jenseits davon vor sich. Auf dem Schlag waren noch einzelne Buchenüberhälter stehen gelassen worden, von ihnen einer dicht am Weg. Die beiden Gäste waren höher am Berge jenseits des Weges postiert. Wider Erwarten wechselte der Rehbock an diesem Abend nicht auf die Kultur. Die Dämmerung brach herein und bald begann es stark zu dunkeln.
Da lief der Jagdhund des Bach seinem Herrn in Richtung des Weges davon. Ohne nach altem Jägerbrauch abzupfeifen, folgte ihm Bach, um ihn anzuleinen. An der am Wege stehenden Buche angelangt, holte er den Hund ein und bückte sich, um ihn festzumachen. In dieser Stellung sprach Conta den sich nach vorne beugenden Freund mit dem rötlichen Jagdranzen irrtümlich als den lange erwarteten Rehbock an und drückte ab.
Das Unglück wollte es, daß er nur zu gut traf. Ein entsetzlicher Aufschrei brachte es ihm sofort zu Bewußtsein. Fassungslos warf er sich jammernd auf seinen todwunden Freund und schüttete in größter Verzweiflung das Pulver aus seinem Pulverhorn auf die gräßliche Wunde in der linken Seite des Getroffenen, um sein Blut zu stillen. Aber das half alles nichts und erhöhte nur die Schmerzen. Bach fühlte, daß es mit ihm zu Ende ging und sprach seinen Freund frei von aller Schuld, da er durch seine Unvorsichtigkeit den Unfall verursacht habe. Er scheide mit der alten herzlichen Liebe zu ihm aus der Welt. Da er furchtbare Schmerzen erduldete, bat er um die erlösende Kugel aus dem zweiten Lauf von Contas Gewehr. Dieser dagegen bezeichnete sich als Mörder und als alleinigen Schuldigen an der Tat.
Er wollte mit ihm sterben und an seiner Seite sein Leben aushauchen. Rasch griff er nach seiner Flinte und richtete sie gegen die Brust. Da raffte sich der tödlich verwundete Bach auf und wollte seinen verzweifeltem Freund in die Arme fallen, aber die Kräfte versagten ihm und er sank zu Boden zurück. In diesem Augenblick fiel der Schuß aus Contas Büchse. Durchs Herz getroffen stürzt der Freund an Bachs Seite nieder. Die beiden entfernt stehenden Begleiter wurden durch die kurz hintereinander fallenden Schüsse und die Klagelaute erschreckt und eilten zu der Unglücksstätte, an der sich ihnen ein entsetzlicher Anblick bot. Noch hatte Bach soviel Kraft, den Ankommenden das Geschehene mitzuteilen. Erneut bat er dann, seinen unerträglichen Schmerzen ein Ende zu bereiten. Doch Deusing versuchte ihm Trost zuzusprechen und versprach rasch ärztliche Hilfe herbeizuschaffen.
Indessen hatte sich Contas Bruder verzweifelt schreiend über den mit dem Tode ringenden Bruder geworfen, ihn mit Küssen bedeckt und begonnen, unbeschreiblich zu jammern. Plötzlich sprang er wie wahnsinnig auf, griff nach der Doppelflinte, spannte beide Hähne und richtete die Mündung auf sich. Von neuem Schrecken gepackt, stürzte sich Deusing auf ihn, rang mit dem Verzweifelten und entriß ihm nach harten Kampf und unter eigener Lebensgefahr das Gewehr, dessen Läufe er sehr schnell abschoß. Schließlich beschwor er Contas Bruder, sich kein Leid anzutun. Als ihm dieses Versprechen endlich gegeben ward, machte er sich auf den Weg nach Ruhla, um Hilfe für Bach herbeizuholen. In der Aufregung hatte er aber vergessen, auch Bachs geladenes Gewehr an sich zu nehmen. Nach dem Weggang Deusings bat Bach Conta, er möge doch den Hund, der immer noch angeleint war und ihn belästigte, abbinden. Während Conta dem Wunsche nachkam, zog Bach schnell die Doppelflinte an sich, spannte die Hähne und erlöste sich selbst mit zwei Kugeln von den unerträglichen Schmerzen. Nun stand der Übriggebliebene im Dunkeln zwischen zwei Toten im tiefen Wald fern von jeder menschlichen Wohnung, denn damals stand auf dem Kissel noch kein Jagdhaus. Die ärztliche Hilfe, die Deusing brachte, konnte nicht mehr in Anspruch genommen werden. Am nächsten Tag wurden die toten Freunde nach Ruhla gebracht und am Sonntagabend unter dem Geläut der Glocken und der Beteiligung einer sehr großen Menschenmenge jeglichen Standes und Alters von den Forstpraktikanten zu Grabe getragen. An jenem Unglückstage war Bachs Mutter von Wenigenlupnitz nach Wilhelmstal gekommen und hatte den Förster gebeten, ihren Sohn in der Nacht nicht in die Berge zu schicken. Sie werde von einer bösen Ahnung gepeinigt. Es war aber schon zu spät dazu. Der einzige Sohn war bereits tot.
Die beiden Freunde, die auf dem Ruhlaer Friedhof hinter der Concordiakirche ihre letzte Ruhestätte fanden, erhielten einen Gedenkstein in der Gestalt eines Würfels, dessen Oberseite ein eingehauener Eichenkranz schmückt, welcher zwei gekreuzte Hirschfänger umschließt.
Auf der Vorderseite war die Inschrift eingemeißelt:
In einer Gruft zwei edle Jugendfreunde
Bezeichnet dir, o Wandrer, diese Stelle,
Die unzertrennlich stets das Leben einen,
Wollen auch im Tode nicht geschieden sein.
An der rechten Seitenfläche lautet die Inschrift:
Viktor Friedrich Wilhelm Conta,
Forstgehilfe zu Ruhla,
geb. zu Ilmenau, den 13. März 1820,
gest. am Arnsberg in Wilh. Forst,
den 28. Juli 1843.
Auf der linken Seitenfläche lautet die Inschrift:
Julius Leopold Bach,
Forstgehilfe zu Wilhelmstal,
geb. zu Wenigenlupnitz, den 13. Februar 1822,
gest. am Arnsberg im Wilh. Forst,
den 28. Juli 1843.
Als im Jahr 1906 die alten Grabsteine eingeebnet werden mußten, ließ man den Stein auf den Platz vor dem Nordwesteingang der Kirche aufstellen. Auf Veranlassung des Oberförsters Schmidt-Burgk - des späteren Regierungs- und Oberforstrates in Weimar - wurde der Platz mit Tannen, Fichten und Eichen aus dem heimischen Wald umgeben und vor dem Gedenkstein eine gärtnerische Anlage hergestellt und mit Ruhebänken versehen. Seitdem ist der Platz - allgemein Jägersruh genannt - viel besucht worden. (Schäfer 1993)

Sage:

Quellen und Literatur:
Köllner, Lotar - Flur- und Forstortsnamen von Ruhla und Umgebung einschließlich Gewässer- und Objektnamen sowie alter Straßen- und Platznamen mit Lageangaben und Namenserläuterungen, in: Beiträge zur Ruhlaer Heimatgeschichte, Heft 1, Ruhla 1995
Schäfer, Gerd - Zwei Jägersteine, in: Altensteiner Blätter, Jahrbuch 1993, S.18-24
recherchiert und bebildert von Manfred Beck, Wutha-Farnroda (Fotos von August 2008)



Ruhla (II)


Blick zum Standort

GPS: N 50° 54,638', O 10° 19,979'

Standort: Vom Forstort ''Toter Mann'' (mit Schutzhütte) am Rennsteig begibt man sich auf einem bereits stark verbuschten Forstweg in nordöstlicher Richtung in das dort beginnende Tal und folgt dem Weg etwa 200m talabwärts. Rechter Hand erkennt man über sich die ersten Felspartien des Wachsteins. (Der bekannte Wachstein-Fels mit Resten eines Luftschutz-Beobachtungspunktes aus dem 2.WK liegt jedoch noch 600m weiter nördlich.) Man trifft nun in diesem Kerbtal auf einen modern ausgebauten Forstweg, welcher den bisherigen Weg schneidet und etwas oberhalb des bisherigen Weges um den Wachstein führt. Man wechsle nun auf diesen Weg (östliche Hälfte) und achte auf die Wegausschilderung "Waldgrab" am rechten Rand des Weges, die nach etwa 100 Schritten folgt. Der Brüsert-Gedenkstein befindet sich dann am Fuß des nördlichsten der o.g. Felspartien.

Größe / Material:

Geschichte: Mord-Gedenkstein mit der Inschrift:
Hier ruht in Gott
uns. seit 2 Oct. 1887 ver
misster lieber Sohn
G. Büssert
a. Gotha * 24.Oct.1869
Ders. wurde 24.März
1888 unt. dies. Felsen
tot aufgefunden
Ruhe sanft!

Die Fantasie der Menschen erfand mancherlei Gruselgeschichten über die Leiche im Eis. Wer und was tatsächlich hinter jenem G. Brüssert aus Gotha steckt, dessen "Waldgrab" seit 119 Jahren an einer unwirtlichschauerlichen Stelle im Wald bei Ruhla existiert, war bis jetzt ein Rätsel.
Andreas Huke aus Eisenach fand in etwa zweijähriger Recherchearbeit heraus, was es mit diesem abgelegen, zwischen Wachstein und Zollstock in der Nähe des Rennsteigs befindlichen Ehrengrabes, auf sich hat. Der 17-Jährige G. Brüssert wurde 1887 höchst wahrscheinlich Opfer eines Raubmordes. Ob seine Mörder je gefasst und verurteilt wurden, bleibt jedoch wahrscheinlich für immer im Dunkeln. Die historischen Akten des Amtgerichtsbezirkes Eisenach verbrannten 1945 nämlich leider im Archivdepot in Bad Sulza. Auch das fand Huke heraus. [...]
Nun kam Licht ins Dunkel: Seit dem 2.Oktober 1887 - das steht auch auf dem Stein - wurde der Handlungs-Lehrling vermisst. Gustav Brüssert lernte bei der bayerischen Hypotheken- und Wechselbank in Erfurt. Mit mehreren hundert Mark in der Tasche sollte der damals 17-jährige an einem Sonntag (!) einen Feuerversicherungsfall in Molschleben regulieren. In Erfurt setzte sich der junge Mann in den Zug wurde in "Dietendorf" noch in selbigem gesehen, kam am Ziel aber nie an, berichteten die Zeitungen damals. Zuerst wurde angenommen, der Lehrling sei mit dem Geld durchgebrannt.
"Er war ein guter Sohn und es liegt kein Grund vor anzunehmen, daß er sich ein Leid zugeführt oder seinen Aufenthalt zu verheimlichen habe", ließen seine Eltern Franz und Friederike durch die Zeitung wissen. Gustav war ihr erster Sohn, fand Huke heraus. Die Personenbeschreibung nennt Brüssert blond und blauäugig. Zum Zeitpunkt seines Verschwindens trug er ein "dunkel gewürfeltes Jacket" und hatte neben dem Bargeld eine silberne Zylinderuhr und zwei Taschentücher mit den gehäkelten Zeichen G.B. 3 - und 4. [...]
Die Suche nach Gustav Brüssert blieb erfolglos. Im März 1888 fanden Holzhauer am Wachstein bei Ruhla unter einem überhängenden Felsen eine in Eis gehüllte Leiche. Zuerst nahm man an, dass es sich hierbei um einen ebenfalls verschollenen Pfeifenbeschläger handelte. Der Leichnam wurde in Eisenach bestattet, kurz darauf aber exhumiert. Brüsserts Eltern identifizierten den Toten als ihren Sohn - der Barschaft und der Uhr beraubt. Gustav Brüssert wurde nach Gotha überführt.
Die Eltern setzten den Gedenkstein. Ein kleines Schild "Waldgrab" kaum sichtbar. [...]
Für Huke gibt es immer noch Fragen: Wie kam Brüssert aus Erfurt an diesen abgelegenen Ort? Wurde er vor der Ermordung entführt? Er hat eine Theorie, mehr nicht. Dass der Fall im Nachhinein gänzlich rekapituliert werden kann, glaubt Huke nicht. (Zlotowicz 2007)

Sage:

Quellen und Literatur:
Zlotowicz, Jensen - Mörderische Spur gen Ruhla, in: Thüringer landeszeitung vom 18.08.2007
recherchiert und bebildert von Manfred Beck, Wutha-Farnroda (Fotos vom 18.08.2007)


Sühnekreuze & Mordsteine