Deutschland Thüringen Lkr. Saalfeld-Rudolstadt

Kaulsdorf


die Bildreliefs
aller vier Seiten

Erläuterungstafel
Foto: Gembusch

Abbildungen bei
Störzner / Möbes
(1988)

PLZ: 07338

GPS: N 50° 37.235', O 11° 25.916'

Standort: Im Neubaugebiet aus den 1960er Jahren (ehemals Wohnlager des Neubau des Pumpspeicherwerkes Hohenwarte II.), vor dem Haus "Straße des Friedens 1", auf einer Grünfläche.

Größe / Material: 50:33:33 / Sandstein

Geschichte: Benennung: "Prinzenstein" oder "Knappenstein". Oberteil eines Bildstockrestes der hier auf einem Steinsockel neu aufgestellt wurde. Seine 4 Bildseiten sind mit wulstartigen Darstellungen versehen von denen 2 gegenüberliegende als Christus am Kreuz gedeutet werden können. Eine weitere Seite zeigt eine Person mit einer rockartigen Bekleidung. Die verbliebene 4.Seite läßt bei ihrem heutigen Aussehen nur spekulative Deutungen zu. Wie bei Störzner / Möbes (1988) zu lesen ist hat dieser Stein verschiedene Standorte und Lagerstätten gehabt ehe er an seiner jetzigen Stelle Aufstellung fand. Auch ranken sich um ihn mehrere Sagen, die einen realen Hintergrund haben sollen. Auf einer neben ihm befindliche Tafel erfährt der Leser folgende Erklärung:
Prinzen- oder Knappenstein. Dieser Stein war einst das Oberteil eines großen Denkmales und Stand bis 1939 an der NO-Spitze der Kreuzäcker am Fuß der Pfarchleite. Er ist wahrscheinlich zwischen 1600 und 1750 entstanden und ist Mittelpunkt von 2 örtlichen Sagen denen wahre Begebenheiten aus den Jahren 1454 und 1591 zu Grunde liegen. (Häfner 10/2008)

Bildstock-Rest (?). Mitten im Ort, auf der kleinen Grünfläche vor dem Haus Straße des Friedens Nr.1. Flurname am wohl ursprünglichen Standort: Kreuzäcker.
Bis um 1939 stand der Stein etwa 300m ö. des Ortes, in der NO-Spitze der Kreuzäcker unterhalb der Pferchleite, s. der Straße nach Könitz. Ursprünglich (bis zur Separation 1883/84) befand er sich auf der gegenüberliegenden Seite des Weges. Nach der Wegnahme vom alten Standplatz gelangte der Stein nach kurzer Zwischenlagerung in einem Garten in den Hof des Kaulsdorfer Schlosses, von wo aus er später privat nach Saalfeld verkauft worden ist. Durch die seit 1972 betriebene Nachsuche (W. Dietzel; R. Künstler, Saalfeld) und einem entsprechenden Aufruf in der Tagespresse konnte der Stein nach Kaulsdorf zurückgebracht und 1984 durch Mitglieder des Freundschaftskreises Natur und Heimat am jetzigen Standort neu aufgestellt werden.
Beispielgebende Neuaufstellung an geschützter Stelle. Aufgesetzt auf einen gemauerten Steinsockel, der das Denkmal gut zur Wirkung kommen läßt.
Steinblock mit annähernd quadratischem Querschnitt. Die vier Seiten tragen die Reste von figürlichen Darstellungen und sind wulstartig überwölbt. Die Beschaffenheit der Unterfläche zeigt, daß es sich um das Kopfteil eines ursprünglich größeren Denkmales handeln muß, über dessen Form (Bildstock?) aber keine Überlieferung bekannt ist.
O-Seite, plastisch herausgearbeitet: Männliche Person mit kurzem Rock, den linken Arm angewinkelt und die Hand am Gürtel. Über diesem Arm eine weitere kleine Figur (Dämon?). Vorn Kopf aus verlaufen nach oben mehrere parallele, strahlenförmige Rillungen. S-Seite, plastisch herausgearbeitet: Christus am Kreuz. W-Seite, plastisch herausgearbeitet: Menschliche Gestalt mit "wie segnend erhobenen Armen" (Dietzel 1983) und starkem Haarwuchs oder strahlenförmigem Heiligenschein. N-Seite, plastisch herausgearbeitet: Christus am Kreuz, ursprünglich wohl der Darstellung auf der S-Seite gleichend.
Die eine der dargestellten Figuren (W-Seite) wird von Frau Renate Jüttner, Saalfeld, als der heilige Christopherus mit dem Kind und die andere (O-Seite) als der gute Hirte mit einem Schaf auf den Schultern interpretiert. Entstehungszeit etwa zwischen 1600 und 1750 (Dietzel 1983).
Starke oberflächige Verwitterung, dadurch Einzeichnungen teilweise sehr verwaschen.
Zu den Sageninhalten: Dietzel (1983) verweist auf historische Begebenheiten, die zur Entstehung der Sagen geführt haben könnten: 1454 wurde der Saalfelder Bürger Fritz Brin wegen eines Flurstreites in Kaulsdorf erschlagen ("Brinstein" = "Prinzenstein"); und 1591 ist der Bergmann Wolf Leupold aus Kaulsdorf wegen angeblicher Hexerei hingerichtet worden. Eine Beziehung des Steines zu dem Totschlag an Fritz Brin 1454, geschehen durch Balthasar von Konitz, geht weder aus den urkundlichen Überlieferungen hervor (ausführlich Dietzel 1987), noch ist sie durch die Zeitstellung des Denkmales möglich. (Störzner / Möbes 1988)

Im Kreis Saalfeld hat Bodendenkmalpfleger W. Dietzel den "Prinzenstein" wiederentdeckt und sichergestellt. Mit umfassenden Publikationen trägt er bei, die historischen Begebenheiten um Steindenkmale (z.B. Sammelstein) aufzuhellen.
Durch Initiative und tatkräftige Unterstützung von Kreisbodendenkmalpfleger W. Rocktäschel ist im Kreis Zeulenroda ein heimatgeschichtliches Steindenkmal neu erstanden. Die Beschilderung der Bodendenkmale wurde überprüft und ergänzt sowie die Wüstungsforschung mit großem Erfolg weitergeführt.
G. Ost, Kreis Jena veranlaßte über den Kreis hinaus notwendige Steinkreuzumsetzungen, Restaurierungen, stellte bedeutende Grenzsteine sicher und führte dazu entsprechende Archivforschungen fort. (Möbes 1984)

In Kaulsdorf hat nach Aussage älterer Einwohner am Fuße des Wachhügels kaum 500 Meter nordöstlich vom Ort am alten Kamsdorfer Weg ein Steinkreuz mit "unentzifferbaren" Zeichen gestanden, das wahrscheinlich bei der Separation oder bei Errichtung eines Hochspannungsmastes entfernt wurde. Hier soll ein französischer Reiter gefallen sein. Heute erinnert nur noch der Flurname "Kreuzäcker" daran. (Deubler / Künstler / Ost 1978)

Sage: Die örtliche Überlieferung spricht stets von einem "Steinkreuz". Bezogen auf den ursprünglichen Standort:
1. Hier soll ein französischer Reiter gefallen sein.
2. Hier sollen einst zwei Prinzen gegeneinander gekämpft haben und dabei ums Leben gekommen sein.
3. Hier soll ein Knappe, den man für den Verlust von Geld verantwortlich machte, unschuldig hingerichtet worden sein. (Dietzel 1983).

Quellen und Literatur:
Köber, Heinz - Die alten Steinkreuze und Sühnesteine Thüringens, 1960, S.62 unter "verlorene Kreuze"
Deubler, Heinz / Künstler, Richard / Ost, Gerhard - Steinerne Flurdenkmale in Ostthüringen, 1976, S.49, 76
Dietzel, Werner - Der Prinzen- oder Knappenstein, in: Volkswacht. Organ der Bezirksleitung Gera der SED, Ausg. Saalfeld vom 16.April 1989
G. Möbes in: Urgeschichte und Heimatforschung Heft 21, Weimar 1984, S.76
Dietzel, Werner - Balthasar von Könitz. Zur Lebensgeschichte eines spätmittelalterlichen Landjunkers aus dem Saaletal, in: Rudolstädter Heimathefte, Heft 7/8, 1987, S.161-163
Störzner / Möbes - Steinkreuze in Thüringen: Katalog der Bezirke Gera und Suhl, 1988, Nr.114 (Gera)
recherchiert und bebildert von Jost Häffner, Erfurt (Fotos von September 2008)
Ergänzungen von Hans-Ulrich Gembusch, Uhlstädt-Kirchhasel


Sühnekreuze & Mordsteine