Deutschland Thüringen Wartburgkreis

Großburschla


ehemaliger Standort
am Seiteneingang

Abbildung bei
Riske (1981)

Abbildung bei
Störzner (1984)

PLZ: 99830

GPS:

Standort: Der Stein steht etwas lieblos in einer Ecke in einem Vorraum der Kirche bzw. im korridorartigen Durchgang des Turmes, der heutige Hauptzugang. Bei Störzner (1984) stand das Steinkreuz noch neben dem seitlichen Eingang zur Kirche.

Größe / Material: 101:44:10 / Sandstein

Geschichte: Im östlichen Ortsteil, 1m südlich vor der Kirche auf dem Rasenstreifen östlich des seitlichen Einganges. Seit 1912 im Schulgarten, 1926 am jetzigen Standort aufgestellt, 1967 zerbrochen und wieder instandgesetzt, dann in der Kirche zwischengelagert und 1968 erneut am jetzigen Standort aufgestellt. Ursprünglich wohl auf dem Kirchhof unmittelbar an der Kirche.
Malteser-Kreuzform. Spitz "überdacht". Zierlich. Auf Quer- und Längsbalken plastisch herausgearbeitet:
Nordseite
14
APO
BEA
TIMORTVI
SELIG DIE IM
HERN
STER
BEN
1593
Südseite
FRA
CISC
DITHMAR CR
VCII CCL HVIS
MIN
[A]B AO
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93 IN
[...] VO
OBIIT DIE IN
DNO 12
[...]R
Grab-Steinkreuz für Franciscus Dithmar, den 1593 verstorbenen zweiten evangelischen Pfarrer von Großburschla. (Störzner 1984)

Nr.16. Großburschla, vor der St. Bonifatiuskirche. Grabsteinkreuz
Als Übergangslösung vom Steinkreuz zum Grabkreuz ist dieses Grabsteinkreuz zu werten. Es hat die Form eines Malteserkreuzes. Es wurde 1593 anläßlich des Todes des 2. evangelischen Pfarrers in Großburschla auf dem Kirchhof aufgestellt. Der Text lautet übersetzt:
Rückseite
14. Apo
[calypse]
Vers 13 a
Selig die im Herrn
sterben
1593
Vorderseite
Franciscus Dithmar
(?)
[...] (?) Dessen Amtszeit
Ab Anno 72 bis zum Jahre 93 in
welchem starb fromm im Herrn
12. Sept.
(Riske 1981)

Quellen und Literatur:
Saal, Walter - Ein Grabsteinkreuz des späten 16.Jahrhunderts in Großburschla an der Werra, in: Eichsfelder Heimathefte, 11.Jg., 1971, Heft 3, S.255-257
Riske, Erwin - Steinkreuze und artverwandte Flurdenkmale im Kreis Eisenach, Eisenacher Schriften zur Heimatkunde, Heft 14, 1981, Nr.16
Störzner, Frank - Steinkreuze in Thüringen / Inventar Bezirk Erfurt, 1984, Nr.43
recherchiert und bebildert von Manfred Beck, Wutha-Farnroda



Ein Grabsteinkreuz des späten 16.Jahrhunderts in Großburschla an der Werra
von Walter Saal

   Großburschla an der mittleren Werra war Sitz einer frühen Tochtergründung des Klosters Fulda, doch wurde die dem Heiligen Bonifatius geweihte Benediktiner-Propstei später in ein Kollegiatstift umgewandelt und im Jahre 1650 ganz nach Fulda verlegt. Neben der Stiftskirche besaß der Ort auch eine Dorfkirche, die dem Heiligen Nikolaus geweiht war. Die Letztere, die von einem Kirchhof umgeben war, wurde um 1800 dem Zerfall preisgegeben und die eine Zeit profanierte Stiftskirche wieder in Benutzung genommen. Die letzten Reste der Nikolaikirche wurden 1843 abgetragen. Der Kirchhof diente dann als Schulplatz.

Vorderseite des Grabsteins an seinem neuen Standort an der Stiftskirche (li.) Rückseite des Grabsteins auf dem alten Standort am Schulplatz (r.)
Fotos: Erwin Riske, Eisenach.

   Großburschla gehörte zur Ganerbschaft Treffurt. Schirmherr des Kollegiatsstiftes war der hessische Landgraf. Die Ganerbschaft Treffurt unterstand den Kurfürsten von Mainz und Sachsen und dem Landgrafen von Hessen gemeinsam. Hessen und Sachsen führten zur Reformationszeit in ihren Gebietsteilen den evangelischen Glauben ein. 1528 wollte der Landgraf von Hessen den Prediger Johann Ernst in Großburschla einsetzen, doch weigerte sich das Stift auf das Energischste. Zwei Jahre später konnte der Landgraf jedoch einen derartigen Zwang auf das Stiftskapitel ausüben, so daß dieses gegen den Willen des Fuldaer Abtes Johann Hossbach als ersten evangelischen Pfarrer an die Dorfkirche St. Nikolai berief. Der Pfarrer Hossbach erhielt sogar vom Stift eine jährliche Besoldung.
   Nach dem Tode des Pfarrers Hossbach nahm der Landgraf Wilhelm IV. von Hessen-Kassel das Patronatsrecht in Großburschla für sich in Anspruch und berief den von der Superintendentur Allendorf angestellten Pfarrer Franciscus Dittmar an die Großburschlaer Dorfkirche. Der Abt von Fulda erhob sofort im Mai 1573 scharfen Protest und wies darauf hin, daß das Kollegiatstift seit "undenklichen Zeiten auf solcher Pfarre in presentandi, investiendi et introduciendi unbestreitbar und wohlhergebracht" besessen und ausgeübt habe. Er bat darum den eingesetzten Pfarrherrn wieder abzuschaffen und in Zukunft ähnliche Handlungen zu unterlassen. Trotz des Widerspruches des Abtes behielt Hessen das Patronatsrecht. An die fürstlich-hessischen Beamten erfolgte die Weisung, daß dem Stift Fulda in Großburschla weder Gebot noch Verbot zustehe.
   Auch Franz Dittmar wandte sich nach seinem Amtsantritt an das Stift mit der Bitte, daß er in gleicher Weise bedacht werden möge wie sein Vorgänger und versprach, seinen Herrn zu achten, wie es sich gebühre (Schreiben vom 4.2.1574 lt. Kopialbuch). Er bezog folgende jährliche Einkünfte: 1 Gulden 5 Albur, 3 Malter Korn, 10 Klafter Kernholz und 10 Schock Reisig.
   Dadurch, daß der Landgraf von Hessen 1583 auf Grund eines Vertrages mit dem Mainzer Erzbischof auch den mainzischen Anteil am Dorf Großburschla erhielt, konnte dieser seinen Einfluß auf das Kollegiatstift weiterhin verstärken. Nach dem Tode Dittmars 1593 setzte Hessen Johann Stückrad als Pfarrer ein, ohne daß Fulda nocheinmal Einspruch erhob. Im 17. Jahrhundert versuchte Hessen verschiedentlich reformierte (kalvinistische) Pfarrherrn einzusetzen, doch konnten sich diese, wohl auch infolge des sächsischen Einflusses, nicht behaupten und mußten durch Lutheraner ersetzt werden.
   Franz Dittmar wurde in der Nachbarschaft seiner Kirche auf dem Kirchhof beigesetzt, dabei muß sein Grabstein umgesetzt worden sein, denn er stand bis vor einigen Jahren mit der Vorderseite vor einer Scheunenwand und ließ nur die Rückseite erkennen. - Bei der Neugestaltung des Schulplatzes wurde er entfernt und nach einer vorübergehenden Aufbewahrung in der Stiftskirche wurde er an ihrer Südseite auf einem Rasenstreifen neu aufgestellt.
   Der aus Sandstein gefertigte Grabstein hat die Form eines Malteserkreuzes, das mit einem Satteldach abgedeckt ist. Damit klingt die Umsetzung der handwerklichen Gestaltung eines Holzkreuzes in Stein an, vor allem in der Abdeckung, die noch die Abfassung der Holzbretter (Wassernasen) in Erscheinung treten läßt, eine Maßnahme ohne die der Schutz eines Holzkreuzes nicht möglich wäre. Der Stein ragt 69cm über den Erdboden hinaus und ist mit seinem unbearbeiteten Ende noch 32cm in den Erdboden eingelassen. Am Fuß ist er infolge eines geringfügigen Verlustes noch 35cm breit, seine größte Breite beträgt zwischen den Enden der Abdeckung 44cm. - Die Vorderseite trägt in kräftig ausgeführten lateinischen Großbuchstaben von 4-4,5cm Größe den Namen des Bestatteten und die Lebensdaten. Leider ist infolge kleinerer Beschädigungen, der obere Teil war abgebrochen und ist wieder aufgesetzt, nicht alles zu entziffern, doch ist der Inschrift zu entnehmen, daß Franz Dittmar sein Amt in Großburschla bereits 1572 antrat und 1593 starb. - Auf der Rückseite findet sich der Text der Leichenpredigt in Latein und Deutsch. Es ist der 13. Vers des 14. Kapitels aus der Offenbarung Johannis, hier auf dem Grabstein freilich als APO(stelgeschichet) 14 angegeben.

Literatur:
Georg Kohlstedt: Die Benediktincrpropstei und das spätere Kollegiatstift Großburschla an der Werra. St. Benno-Vlg. G.m.b.H., Leipzig, 1965.

(Eichsfelder Heimathefte, 11.Jg., 1971, Heft 3, S.255-257)


Sühnekreuze & Mordsteine