Deutschland Thüringen Kreisfreie Stadt Erfurt

Erfurt (I)

PLZ: 990XX

GPS:

Standort: In der Mitte des Brühler Garten, bei der Melanchthonstraße im Stadtteil Brühler Vorstadt.

Größe / Material: 377cm hoch / Sandstein

Geschichte: Benennung: "Pestkreuz".
Der Brühler Garten war im 16.Jahrhundert eine Begräbnisstätte, danach von 1664 bis 1802 Kurmaienzischer Lustgarten und wurde 1820 als Friedhof wiedergeweiht. Erst 1925 wurde er zum Park umgestaltet.

Sage:

Quellen und Literatur:
Störzner, Frank - Das "Pestkreuz" im Brühler Garten, in: Störzner, Frank - Aus Stein gehauen… Die Klein- und Flurdenkmale von Erfurt und seiner Umgebung, 1992, S.156-157
recherchiert und bebildert von Hans-Ulrich Gembusch, Uhlstädt-Kirchhasel



Das "Pestkreuz" im Brühler Garten
von Frank Störzner

Das Kreuz im Brühler Garten

Im südlichen Teil des Brühler Gartens, der sich als grüne Oase zwischen Mainzerhofplatz und Gorkistraße erstreckt, erhebt sich in der Mitte der Allee auffällig ein steinernes Kreuz. Es ist 292cm hoch und in einen 80x80cm starken, 85cm hohen Würfelsockel als Postament eingesenkt, sodaß sich die beachtliche Gesamthöhe von 377cm ergibt. Das Kreuz zeigt ein hohes Gleich- und Ebenmaß; Schaft, Arme und Kopf sind zum Kreuzungsfeld hin gleichmäßig eingezogen. Die Armbreite beträgt 74cm und die Stärke 16-22cm. Sockel und Kreuz bestehen aus Seeberger Sandstein. Abgesehen von einem Abschlag am östlichen Arm und einer sich verstärkenden ober flächigen Verwitterung ist das Kleindenkmal gut erhalten.
Gelegentlich wird es als "Pestkreuz" bzw. als Gedenkmal für die Opfer der Pestepidemie von 1597 bezeichnet. In jenem Jahr wurde die Stadt von einem neuerlichen Pesteinbruch heimgesucht, dem etwa 40% der Bevölkerung zum Opfer fiel1). Die hohe Zahl der Verstorbenen, die um 7700 angegeben werden, nötigte den Rat zur Anlage von drei neuen Begräbnisstätten: "am Johansgraben inwendig dem Thor, den anderen am Löbergraben, den dritten vor dem krummenthore"2). Der letztgenannte Platz, der "Brühler Zwinger", gehörte seinerzeit zum Verteidigungssystem der Stadt. Später wandelte man ihn in einen Lustgarten um, und an der Stelle des Kreuzes stand auf einer Terrasse ein Konzertpavillon. Das ganze Areal wurde jedoch nach einem Ratsbeschluß vom 1. Oktober 1818 in einen Friedhof umgewandelt, der am 20. Juni 1820 eingeweiht werden konnte und späterhin "nach dem Dessauer und Leipziger mit zu den freundlichsten in Deutschland" zählte3).
Wohl zwischen 1818 und 1820 wurde das Steinkreuz errichtet. Es hat - entgegen hartnäckiger Überlieferung - keinen unmittelbaren Bezug zu den Pestbestattungen, sondern ist vielmehr ein Symbol des Friedhofes4). Das Friedhofskreuz gilt - wie auch der Grabstein - im metaphorischen Sinne als ein Siegeszeichen über den Tod und als Verbindung zwischen Lebenden und Toten - hier steingeworden symbolisch sichtbar.
Die letzten noch benutzten Innenfriedhöfe (Brühler-, August-, Krämpfer- und Johannesfriedhof) wurden am 1. Oktober 1871 geschlossen.

Anmerkungen:
1) Vgl. dazu und zu den sozialen Hintergründen H. Spiegier: Die Geschickte der Pest in Erfurt von den Anfängen bis zum Beginn des 17. Jhdts. Erfurt 1962. (Masch.-schr. Diss./ StAE 5/360-S 5). Bl.97-108.
2) StAE 5-100A6, S.260. - Das innere Brühler Tor, das zwischen Brühlerstraße und Mainzerhofplatz vor dem späteren Brühler Garten lag, wurde auch als 'Krummes Tor" bezeichnet.
3) C. Beyer: Erfurts Friedhöfe. Ein Beitrag zur Topographie unserer Vaterstadt. Erfurt 1825. S.2.
4.) "Jetzt erhebt sich an der Stelle, wo ehemals der Pavillon stand, ein hoher, mit grünem Rasen bekleideter Hügel, von dem ein steinernes, auf einem Würfel ruhendes Kreuz auf die Gräberreihen herabsieht". - Auch auf den anderen Erfurter Friedhöfen war "an einem schicklichen Orte" ein Kreuz aufgestellt. C. Beyer 1825 (wie Anm.3), S.2, 15.

(Störzner, Frank - Aus Stein gehauen… Die Klein- und Flurdenkmale von Erfurt und seiner Umgebung, 1992, S.156-157)



Erfurt (II)


die andere Seite
Foto: Fredrich (2007)

GPS: N 50° 59.030', O 11° 02.695'

Standort: Im östlichen Stadtgebiet, an der nordwestlichen Ecke der Grünanlage des "Hanseplatzes" ("Wilhelm-Döll-Platz"), 6m südlich der Leipziger Straße.

Größe / Material: 160:60:26 / Sandstein

Geschichte: An der Stelle des jetzigen Standortes befand sich die Erfurter Richtstätte "Rabenstein". Möglicherweise wurde das Steinkreuz bei deren Einebnung 1822/24 aus der näheren Umgebung hierher gebracht.

Sage:

Quellen und Literatur:
Störzner, Frank - Steinkreuze in Thüringen: Katalog, Bezirk Erfurt, 1984, Nr.69
Ostritz, Sven - Archäologischer Wanderführer Thüringen. Stadt Erfurt. Heft 6, hrg. vom Landesamt für Archäologie, Weimar 2005, S.49-50 (ISBN 3-937517-30-8)
recherchiert und bebildert von Hans-Ulrich Gembusch, Uhlstädt-Kirchhasel
Ergänzungen von Wolfgang Fredrich, Sponholz und Forschungsgruppe Preußische, Mecklenburgische und Anhaltische Meilensteine e.V.



Erfurt (III)

GPS:

Standort: Im Museum für Thüringer Volkskunde (Juri-Gagarin-Ring 140a), mitten auf dem Hof des Museums.

Größe / Material: 175:70:22 / Sandstein

Geschichte: Stattliches Steinkreuz in lateinischer Form. Die Entstehungszeit wird in das 14. Jahrhundert datiert (vermutlich vor 1388). Es wurde um 1890 nahe der Wüstung Schmidtstedt, einem untergegangenen Dorf, nahe der Weimarischen Straße, aufgefunden. Die örtliche Überlieferung bringt das Kreuz mit den Massenbestattungen von 1315 / 1316 in Verbindung (Pest und Hungersnot).

Sage: Der Sage nach kam der Sohn eines wohlhabenden Erfurter Bürgers nachts an einer der hier befindlichen Pestleichengruben vorüber und vernahm Hilferufe. Er entdeckte ein Mädchen, das scheintot mit beerdigt worden war. Nach der Genesung heirateten beide. Zur Erinnerung an dieses glückliche Ereignis wurde das Steinkreuz errichtet.

Quellen und Literatur:
Störzner, Frank - Steinkreuze in Thüringen: Katalog, Bezirk Erfurt, 1984, Nr.68
Ostritz, Sven - Archäologischer Wanderführer Thüringen. Stadt Erfurt. Heft 6, hrg. vom Landesamt für Archäologie, Weimar 2005, S.47-48 (ISBN 3-937517-30-8)
recherchiert und bebildert von Hans-Ulrich Gembusch, Uhlstädt-Kirchhasel
Ergänzungen von Wolfgang Fredrich, Sponholz und Forschungsgruppe Preußische, Mecklenburgische und Anhaltische Meilensteine e.V.



Erfurt (IV)


Foto: Fredrich
(2007)

Abbildung bei
Störzner (1984)

GPS:

Standort: Auf dem Gelände der Erfurter Gartenbau - Ausstellung, 150m südwestlich des Einganges am Gothaer Platz (Wirtschaftseingang), an der Zufahrt zur Cyriaksburg.

Größe / Material: 100:70:23 / Sandstein

Geschichte: Bei der Anlage des damaligen Kulturparks Cyriaksburg um 1955 wurde das Steinkreuz um wenige Meter nach Osten versetzt. Vorher direkt an der Gothaer Landstraße.
Lateinische Kreuzform, Schaft nach unten leicht verbreitert. Loth (1896) überliefert folgende Inschrift, die jetzt nur noch andeutungsweise erkennbar ist: Fridericus DiE DNI (Südostseite, auf dem nordöstlichen Arm).
Ob den romantisierenden Sagenpublikationen echte Volksüberlieferungen zugrunde liegen, ist sehr fraglich. Historisch ist auch stets nur ein Steinkreuz (nicht drei) nachweisbar; ebenso auf realistischen Stadtansichten aus der Zeit um 1800 (Wilsdorf 1956) oder von 1840 (Meyers Universum 1840). Drei Kreuze zeigt u.a. eine Zeichnung von N.C.H. Dornheim aus der Zeit um 1800; zwei Kreuze werden 1819 dargestellt (Sybillen-Thürmchen 1819). (Störzner 1984)

Sage: 1. In Verbindung mit dem nahegelegenen Sybillentürmchen, einer hohen gotischen Bildsäule aus der Zeit um 1370/80 (Wiegand 1956): Hier sollen die ersten Erfurter Benediktinermönche begraben liegen (Thürmchen 1801).
2. Ein schottischer Ritter entführte Sybilla, die schöne Tochter des Ritters Berthold von Rabenswalde. Bei der Verfolgung kam es hier zu einem Handgemenge, wobei Sybilla und drei ihrer Bewerber ums Leben kamen. Drei steinerne Kreuze sollen die Ruhestätten der Jüngling bezeichnen (Beyer 1823)
3. Hier soll der Bräutigam der Gräfin Sybilla von Käfernburg und dessen zwei Knappen erschlagen worden sein. (Sybillen-Türmchen 1819)

Quellen und Literatur:
Thürmchen: Das Thürmchen vor dem Brühlertor, in: Gnädigst priviligierte thüringische Vaterlandskunde auf das Jahr 1801, Bd.1, 30.Stück, Oktober 28, Sp.465-478; 32.Stück, November 11, Sp.497-499, Erfurt
Sybillen-Thürmchen: Das Sybillen-Thürmchen bei Erfurt, in: Neue allgemeine Weltbühne für das Jahr 1819, 12.Stück, S.766, Erfurt
Meyers Universum: Meyer's Universum oder Abbildung und Beschreibung der Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde, Bd.7, Hildburghausen Amsterdam Philadelphia 1840,
Loth, R. - Die Steinkreuze in der Umgegend von Erfurt, in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt, Nr.18, 1896, S.71-90
Wiegand, Fritz - Das Sybillentürmchen und das Steinkreuz an der Cyriaksburg, in: Der Kulturpark Cyriaksburg in Erfurt und seine Geschichte, Verb. und erw. Sonderdruck des Bd.I der Schriftenreihe "Aus der Vergangenheit der Stadt Erfurt", 3.Auflage, Erfurt 1956, S.21-25
Störzner, Frank - Steinkreuze in Thüringen: Katalog, Bezirk Erfurt, 1984, Nr.70
Störzner, Frank - Aus Stein gehauen… Die Klein- und Flurdenkmale von Erfurt und seiner Umgebung, 1992, S.37-42
Ostritz, Sven - Archäologischer Wanderführer Thüringen. Stadt Erfurt. Heft 6, hrg. vom Landesamt für Archäologie, Weimar 2005, S.68-69 (ISBN 3-937517-30-8)
Häffner, Jost - Die Steinkreuze am Sybillentürmchen zu Erfurt, April 2009
Forscher-Wiki: 3 Steinkreuze am Erfurter Sybillentürmchen?
Ergänzungen von Wolfgang Fredrich, Sponholz und Forschungsgruppe Preußische, Mecklenburgische und Anhaltische Meilensteine e.V.
recherchiert und bebildert von Hans-Ulrich Gembusch, Uhlstädt-Kirchhasel



Die Steinkreuze am Sybillentürmchen zu Erfurt
von Jost Häffner, Erfurt

Schon in meinem Wiki Beitrag aus dem Jahre 2008 behandelte ich die Frage ob es einen Nachweis gibt für die Existenz von 3 Kreuzen in der Nähe der heute noch vorhandenen Betsäule (als Sybillentürmchen allgemein bekannt) welche am unteren Eingang zur ega (Erfurter Gartenbau Ausstellung) am Gothaer Platz zu finden ist oder ob sie aus der Phantasie der volkstümlichen Sagenbildung entstanden sind.

Im Standartwerk der Steinkreuzerfassung für Thüringen von Frank Störzner: "Steinkreuze in Thüringen, Katalog Erfurt" ,Weimar 1984 Katalog Nr.70 beschreibt der Autor ein Steinkreuz welches heute im ega-Gelände an der nördlichen Seite der Straße steht, die von der Einfahrt vom Gothaer Platz aufwärts führt. Es handelt sich dabei um einen alten Teil der Straße die einst hiernach Gotha führte. Er stellt dabei fest, dass historisch immer nur 1 Kreuz nachweisbar sei, Kat. Nr.70 Abs 12. "...vorm Brühlerthor in der spitzen bey dem steinernen Creutz unter St.Cyriaki...".

Tatsächlich sieht es bei erster Betrachtung tatsächlich so aus als entspräche diese Aussage den tatsächlichen Gegebenheiten. Alle bisherigen Veröffentlichungen sprechen wenn überhaupt nur von verschwundenen Kreuzen (Köber, Wiegand, Artikel der Tageszeitungen, usw.). In keinem der Beiträge wird aber das Aussehen beschrieben oder gar eine bildliche Darstellung gezeigt. Ein für die fast restlose Erfassung der Steinkreuze in Thüringen schon erstaunlicher Tatsache. Da ist die Feststellung, daß ich im September 1950 im Gebüsch auf der Höhe des Sybillentürmchen Steinkreuze gesehen haben will nicht unbedingt der überzeugenden Nachweis ihrer Existenz. Auch die angestellten Recherchen in den Erfurter Archiven erbrachte wie schon vorher beschrieben keinen wirklichen Nachweis über ihr einstiges Vorhandensein.

Bei weiteren Recherchen stieß ich allerdings auf Schriftstücke, die entgegen der oben gemachten Feststellung, eine veränderte Ansicht erlaubten

Einen ersten konkreten Hinweis fand ich in der Veröffentlichung von Monika Kahl "Denkmale jüdischer Kultur in Thüringen" 1997 S.75. in dem eine Lagezeichnung wiedergegeben ist die dass Gelände um den heutigen Gothaer Platz wiedergibt und auf der neben dem Sybillentürmchen 3 Kreuze zu sehen sind. Diese Zeichnung stammt aus der im Stadtarchiv vorhandenen Akte zur Errichtung jüdischer Friedhöfe in Erfurt. Die Zeichnung stammt aus dem Jahre 1812 und wurde dem Antrag auf Errichtung des Friedhofes der sich an der gegenüberliegende Seite der heutigen Cyriaksstraße befand, beigefügt. Er zeigt die Örtlichkeit noch vor der Bewilligung des Antrages zur Errichtung eines Friedhofes. Somit kann man die auf dieser Zeichnung zu sehenden 3 Kreuze schon als einen ersten Nachweis für ihr Vorhandensein betrachten. Es dürfte wohl kaum ernsthaft in Betracht gezogen werden, daß die Antragsteller zu einem Verwaltungsvorgang ihre Unterlagen mit den Elementen einer Sage bereicherten.

Verstärkt wird diese Auffassung durch den sehr aufschlussreichen älterer Aufsatz in der "Gnädigst-privilegierte Thüringische Vaterlandskunde" vom 28. Oktober 1801. Mit dem Titel "Das Thürmchen vor dem Brühlerthor". In ihm wird ausführlich über das Aussehen des Sybillentürmchen und seiner vermutlichen Geschichte berichtet. Die Ausführungen in dem ersten Teil der Abhandlung enden mit folgenden Sätzen: "Hier, ohnfern dieses Thürmchens drey alte steinerne tief eingesunkene bemooste Kreuze - Kreuze waren in den alten Zeiten Denkmale merkwürdiger Begebenheiten, oder an der Stelle begrabener glücklicher oder unglücklicher Menschen...".

Wenn auch über den Errichtungsgrund in dieser Abhandlung nur Vermutungen angestellt werden ist ihr körperliches Vorhandensein zum Zeitpunkt der Entstehung dieses Beitrages (Okt.1801) klar zu entnehmen.

Ebenfalls interessant ist ein weiterer Artikel zum gleichen Thema aus der “Neue allgemeine Weltbühne" für das Jahr 1819, Zwölftes Stück, Erfurt gedruckt und verlegt vom Buchdrucker Uckermann. Hier wird die Geschichte der Gräfin Sybille von Käfernburg erzählt (von der man weiß, daß eine Gräfin Sybille von Käfernburg nicht nachweisbar ist). Die Erzählung setzt sich wie folgt fort: "...Die unglückliche Gräfin wählte nun den Nonnenschleierund lies sich in dem vormals auf dieser Anhöhe liegenden Kloster einkleiden, die drei Ritter wurden am Fuße des Berges begraben, da, wo man noch drei mit Schwertern bezeichnete bemooßte steinerne Kreuze sieht".

Schlussfolgernd aus diesen drei zitierten Abhandlungen bzw. Unterlagen ist festzustellen, dass es sich bei den bekannten Bildern aus dem beginnenden 19.Jahrhundert (u.a. Dornheim) bei der Darstellung von 3 Kreuzen in der Nähe des Sybillentürmchens nicht um romantische Ausschmückungen der Maler handelt sondern um die Wiedergabe des Aussehens der Landschaft um das Sybillentürmchen, zu dem einfach die 3 Kreuze genau so dazu gehörten wie der Wasserlauf oder einzelne in der Nähe befindliche Gebäude. Der romantisierende Malstil ist dabei lediglich als Ausdruck des Zeitgeschmackes zu werten.

Diese Feststellung ist als eindeutiger Nachweis zu werten, daß die bei Köber und Wiegand als verschollen bezeichneten Kreuze existiert haben. Dabei ist es von geringem Belang, daß ich im September 1950 sie noch gesehen habe. Weshalb allerdings keine fotografischen Aufnahmen von ihnen bekannt sind (dies ist nicht gleich zu setzen mit nicht vorhandenen) darüber kann nur spekuliert werden. Ebenfalls ist ihr Verschwinden weiterhin ungeklärt. Es sind lediglich Vermutungen, die zu der Annahme neigen, dass sie zwischen 1950 und 1955 bei Bauarbeiten in diesen Terrain abhanden gekommen sind.

Es wurde bei der Behandlung des Themas auch die Theorie entwickelt, daß das heute im ega-Gelände stehende und eingangs erwähnte Kreuz eines der 3 Kreuze gewesen sei welches an seinen heutigen Standort umgesetzt worden sei. Dies halte ich für mehr als unwahrscheinlich, da man sich hierbei gleichzeitig die Frage stellen müßte, warum und wenn ja, warum nur das eine Kreuz. Es ergäbe keinen wirtschaftlichen oder anderweitigen Sinn eines der 3 Kreuze 200m weiter westlich neu aufzustellen und die beiden verbliebenen am alten Standort zu belassen.

Man kann also davon ausgehen, dass das heute noch vorhanden Kreuz mit dem erwähnten "...unter der Cyriaksburg..." identisch ist. Nur das sein heutiger Standort schon der seid Jahrhunderten sei, ist anzuzweifeln. Der Verlauf der Alten Gothaer Landstraße an dessen nördlicher Böschung das Kreuz heute zu finden ist, ist erst 1842/43 entstanden nachdem sie 1790 weiter südlich neu angelegt wurde (Robert Huth: Die Cyriaksburg bei Erfurt, Verlag Rockstuhl, Reprint 2008). Das hieße zum Standort des Kreuzes, dass es bis dahin frei in der Landschaft gestanden hat, oder was näher liegt, einen Standort über Jahrhunderte gehabt hat von dem es entfernt werden mußte. Betrachtet man die Merian Karte von 1620, so kann man unmittelbar unterhalb der Festungsanlagen eine Kreuzeinzeichnung feststellen, bei der es sich um den alten Standort dieses Kreuzes gehandelt haben könnte (...bei dem Creutz unterhalb von St Cyriaki...).

1790 und 1842/43 erfolgte ein umfangreicher Ausbau der Festungsanlagen, der sogar zweimal eine Veränderung des Straßenverlaufes der alten Landstraße nach Gotha (Via Regia) mit sich führte. Hierbei ist zu vermuten, dass bei diesen Baumaßnahmen dieses Kreuz seinen heutigen Standort erhalten hat.

Vielleicht ist dieser Beitrag ein Anstoß vorhandene Kenntnisse über den Verbleib oder sogar vorhandenes Bildmaterial zur Verfügung zu stellen.

(Jost Häffner, April 2009)



Erfurt (V)


Detail der
Möncheinzeichnung

Zeichnung bei
Störzner (1984)

GPS: N 50° 56,373', O 11° 2,291'

Standort: Am südlichen Stadtrand von Erfurt, an der B4 zwischen den kleinen Ansiedlungen Waldschlößchen und Hubertus im Steigerwald, in Höhe der Gaststätte "Hubertus".

Größe / Material: 270:78:24 / Rätsandstein

Geschichte: Es wird hier "Steigerkreuz" bzw. "Mönchskreuz" genannt. Eine in 5cm hohen Lettern eingemeißelte Inschrift gibt Auskunft über den Grund des Aufstellung des Kreuzes:
hIC EST OCCISVS MA
GISTER hENRICVS
DE SYBELEIBEN SACERDOS

Hier ist der Magister von Siebleben
ein Priester
erschlagen worden.
Darunter, unterhalb eines Zinnenkranzmusters, in einem gotischen Spitzbogen (28,5x59,5cm) ein knieender (betender) Geistlicher mit faltenreichem Gewand und Birett. Beidseitig des Spitzbogens je ein kleines, griechisches Kreuz eingekerbt. Im Kopf linear eingeritzt: Lateinisches Kreuz (11x19,5cm).
Das Steinkreuz wurde bei der Verbreiterung der Straße 1967/68 um 28m nach Westen in den Wald versetzt. Dabei (zum Schutz der Sichtseite) um 180° verdreht aufgestellt. (Störzner 1984)

Sage:

Quellen und Literatur:
Störzner, Frank - Steinkreuze in Thüringen: Katalog, Bezirk Erfurt, 1984, Nr.71
Störzner, Frank - Aus Stein gehauen… Die Klein- und Flurdenkmale von Erfurt und seiner Umgebung, 1992, S.30 / 45-51
Störzner, Frank - Das "Mönchskreuz" im Steigerwald, in: Geschichte(n) in Stein, 2001, S.7-9
Ostritz, Sven - Archäologischer Wanderführer Thüringen. Stadt Erfurt. Heft 6, hrg. vom Landesamt für Archäologie, Weimar 2005, S.68-69 (ISBN 3-937517-30-8)
Hohberg, Rainer - Der große Brand. Das Mönchskreuz im Steiger soll an einen Erfurter Feuerteufel aus dem Mittelalter erinnern, in: "Thüringer Allgemeine" vom 09.06.2008
Rassloff, Steffen - Geheimnisvolles Sühnekreuz, in: Denkmale in Erfurt (61), in: Thüringer Allgemeine vom 1.09.2012
Störzner, Frank - Das Mönchskreuz im Erfurter Steigerwald, in Thüringer Allgemeine vom 8.10.2016
aktuelle Aufnahmen von: Forschungsgruppe Preußische, Mecklenburgische und Anhaltische Meilensteine e.V.
Ergänzungen von Lenka Smetanová



Das "Mönchskreuz" im Steigerwald
von Frank Störzner

Die Strafe des Mordbrenners
"Als im Jahre 1472 am 19. Juni die Stadt Erfurt von dem schrecklichen 'großen Brande' heimgesucht wurde und Niemand wußte, aus welchen Ursachen das Unheil gekommen, ... wollte man einen verdächtig aussehenden, verkommenen Mönch gesehen haben, der durch das Löberthor flüchtend das Weite suchte. Man eilte ihm nach und sah ihn auf der Höhe des alten Steigers, wie er da saß und sich an dem gewaltigen Flammenmeere weidete. Bei Annäherung der Leute entfloh er, wurde aber ... gefangen genommen und zur Stadt gebracht, wo er später seiner geistlichen Würden entkleidet und dem Feuertode überliefert wurde. Die Hinrichtung erfolgte derselben Sage nach auf dem Platze, wo man ihn ergriff und so habe man zum immerwährenden Gedächtnis daselbst besagtes Kreuz errichtet."       (H. Kruspe)

Der erstaunlich gute Erhaltungs­zustand lässt kaum vermuten, dass das "Mönchskreuz" seit nunmehr 678 Jahren (!) im Waldesdunkel steht; heute freilich am Rand einer Bundesstraße

Kein anderes thüringisches Flurdenkmal ist so bekannt und wird in der Heimat- und Fachliteratur so häufig genannt und beschrieben wie das Erfurter "Mönchskreuz". Ihm kommt historisch und denkmalkundlich eine ganz überragende Bedeutung zu, und außerdem ist es das älteste sicher datierbare Steinkreuz Thüringens.
Das "Mönchskreuz" steht am südlichen Erfurter Stadtrand, im Wald rechts der nach Arnstadt führenden Bundesstraße, etwa 250m südlich von der Waldgaststätte "Hubertus" entfernt. Es ist auf allen Steigerwanderungen von Erfurt, Rhoda oder den Gaststätten aus bequem zu erreichen. Vom Waldweg, der zum Parkplatz gegenüber dem "Hubertus" führt, zweigt ein unscheinbarer, aber markierter Pfad in Richtung Straße ab. Kurz vor dieser treffen wir auf das übermanns­hohe, insgesamt knapp 3m lange Kreuz. Ursprünglich stand es genau 28m weiter östlich (etwa im heutigen Mittelstreifen der Fahrbahn) und wurde beim vierspurigen Ausbau der Straße 1968 am jetzigen Platz neu aufgestellt. Hier folgt die Trasse fast genau der alten "Nürnberger Straße", in deren Mitte das Kreuz ursprünglich stand und dort alle Vorüberkommenden zu einer stillen Fürbitte aufforderte.
Seine Gestaltung und Mächtigkeit kennzeichnen das "Mönchskreuz" als ein sogenanntes "Hochkreuz", das als Flurdenkmal in Thüringen einmalig ist: ein annähernd gleichschenkliges Kreuz ist auf einen Pfeiler (den Schaft) aufgesetzt und nur durch die fehlende Abschrägung (Abfasung) der Seitenkanten deutlich von ihm abgesetzt, denn es handelt sich um zwei völlig verschiedene Strukturelemente. Hier fügt sich das Kreuz ein in eine kunsthistorische Entwicklungslinie, die auf das Stabkreuzmotiv früher Sarkophagdeckel des 10. Jh. (z.B. in den Domen von Halberstadt und Quedlinburg) zurückgeht und deren Endpunkt das plastische, frei stehende Steinkreuz ist. Das aus fein verkieseltem Seeberger Sandstein bestehende "Mönchskreuz" ist vorzüglich erhalten geblieben, und recht mühelos ist auch seine in gotischen Majuskeln ausgeführte Inschrift zu lesen: "HIC EST OCCISVS MAGISTER HENRICVS DE SYBELEIBEN SACERDOS" - Hier wurde der Priester und Magister Heinrich von Siebleben erschlagen. Wann das geschah und wer der Täter war, ist einem Eintrag im Totenbuch des Marienstiftes zu entnehmen. Dort ist vermerkt, dass Heinrich von Siebleben "vier Tage vor den Iden des Dezember", also am 10. Dezember, 1323 durch einen Grafen Heinrich von Schwarzburg getötet worden ist. Der Mord an einem Geistlichen galt im späten Mittelalter als ein besonders schwerer Bruch des Gottesfriedens. Diesem Umstand und der sozialen Stellung des Täters entsprechend fiel dann auch das Steinkreuz aus, das zum Zweck der Fürbitte am Ort der Untat aufgestellt wurde. Der Erschlagene war als Kanoniker mit Magister-(Doktor-)Würde immerhin ein Angehöriger der einflussreichen Erfurter Stiftsgeistlichkeit und entstammte einem angesehenen Adelsgeschlecht. Neben rein persönlichen Motiven für die Bluttat sind auch machtpolitische Gründe denkbar: einerseits hatten die Schwarzburger bedeutende Rechte in Erfurt inne, andererseits war der Erschlagene zuletzt auch als Schiedsrichter um die Abtwahl im Peterskloster tätig und konnte so leicht "zwischen die Fronten" geraten. Um die schrift- und lateinunkundige Bevölkerungsmehrheit auf die Bedeutung des Males aufmerksam zu machen, ist auf dem Schaft der "Mönch" in einem gotischen Spitzbogen im langen, faltenreichen Gewand dargestellt. Auch dieses Bildnis bezeugt das hohe künstlerische Niveau, mit dem sich das "Mönchskreuz" von allen anderen Steinkreuzen so deutlich abhebt. Das Ebenmaß und die Wohlausgewogenheit seiner Proportionen lassen ein hohes gestalterisches Können erkennen, mit dem der Steinmetz seine handwerklichen Fähigkeiten zu bereichern wusste. Das Kreuz ist aus einem Stück gearbeitet.
(Störzner, Frank - Geschichte(n) in Stein, 2001, S.7-9)



Erfurt (VI)


Abbildung bei
Störzner (2002)

Abbildung bei
Störzner (1984)

GPS:

Standort: Am westlichen Stadtrand, südlich der "Binderslebener Landstraße".

Größe / Material: 78:63:20 / Sandstein

Geschichte: Malteser Kreuzform. Die beiden Steinkreuze (VI und VII) stehen seit Anfang Mai 2005 wieder dicht an ihren alten Standorten. Im November 2003 wurden sie wegen den bevorstehenden Bauarbeiten (Verlängerung der Straßenbahnlinie) sichergestellt und zwischengelagert.

Der Straßenname "Am Kreuzchen" deutet es an: Hier steht ein spätmittelalterliches Steinkreuz, das vor etwa 500 bis 550 Jahren errichtet wurde und heute zu den ältesten Denkmalen des westlichen Stadtgebietes zählt. Ein konkreter Anlass seiner Aufstellung ist nicht überliefert, so bleibt nur eine verallgemeinernde Erklärung. Das Steinkreuz wurde für einen Menschen errichtet, der hier "unversehen", also ohne die zu jener Zeit unverzichtbaren heiligen Sterbesakramente empfangen zu haben, ums Leben kam. Erstmals bezeugt wird das Steinkreuz als markanter Geländepunkt in den städtischen Ver-rechtsbüchern von 1620, wo Ackerland "am Binterßlebischen wege zwischen den zweyen Creuzen" aufgeführt werden.
Der Flurname "Bei den zwei Kreuzen" ist in den Karten beständig geblieben und führte 1921 zu dem Straßennamen "Am Kreuzchen". Jenes zweite Steinkreuz, nur 110 Meter entfernt, markierte über Jahrhunderte hinweg die Gemarkungsgrenze zwischen Erfurt und Bindersleben. Ursprünglich gut geschützt am Zaun des Hauptfriedhofs stehend, ist es um das Steinkreuz in den letzten Tagen turbulent geworden. Für die neue Trasse zur Verlängerung der Straßenbahn nach Bindersleben muss das Steinkreuz weichen. In Absprache zwischen dem zuständigen Landesamt für Archäologische Denkmalpflege in Weimar und der EVAG hoben es Bauarbeiter der STRABAG vorsichtig aus dem Boden. Später erhält es in der Nähe einen würdevollen neuen Platz. (Störzner 2002)

Am westlichen Stadtrand, südlich der "Binderslebener Landstraße", gegenüber dem Grundstück "Binderslebener Landstraße 111", 110m östlich vom Steinkreuz 73. Flurname: "Bei den zwei Kreuzen", Straßenname: "Am Kreuzchen". Bei der Straßenverbreiterung 1969 geringfügig nach Süden versetzt. Ausgeprägte malteser-Kreuzform. Umrißkanten am Kopf abgefast. Sandstein. Höhe: 78cm, Breite: 63cm, Stärke: 20cm.
1969 am Schaft zerbrochen und wieder instandgesetzt. Der untere Teil des westlichen Armes ist alt abgeschlagen. Allgemeine oberflächliche Verwitterung.
In Verbindung mit Steinkreuz Nr.73: "Bei den beiden Kreuzen handelt es sich um Pestkreuze..." (W. 1969) Das ist eine unhaltbare Annahme! (Störzner 1984)

Sage:

Quellen und Literatur:
Köber, Heinz - Die alten Steinkreuze und Sühnesteine Thüringens, 1960, S.29, Nr.9
W. Fr. - Es ist ein Kreuz mit den Kreuzen, in: Erfurter Wochenzeitung, 9.Jg., Nr.49 vom 10.12.1969
Störzner, Frank - Steinkreuze in Thüringen: Katalog, Bezirk Erfurt, 1984, Nr.72
Störzner, Frank - Nach den Bauarbeiten findet es einen neuen Platz. Spätmittelalterliches Steinkreuz geborgen, in: Thüringer Allgemeine, Ausgabe Erfurt vom 3.12.2002
recherchiert und bebildert von Hans-Ulrich Gembusch, Uhlstädt-Kirchhasel
Ergänzungen von Andreas Lehmann, Erfurt



Erfurt (VII)


Abbildung bei
Störzner (2003)

Abbildung bei
Störzner (1984)

Zeichnung bei
Loth (1905)

GPS:

Standort: Ca. 25m südlich der "Binderslebener Landstraße", gegenüber der Kleingartenanlage "Am Kreuzchen", 110m westlich des Steinkreuzes Erfurt VI.

Größe / Material: 90:83:33 / Sandstein

Geschichte: Lateinische Form. Grenzkerbe auf dem Scheitel des Kopfes.

Im November verschwand das erste Steinkreuz an der neuen Bahntrasse in der Binderslebener Landstraße (TA berichtete). Ein zweites, nur gute hundert Meter entferntes Kreuz, musste nun auch vor dem fortschreitenden Baugeschehen geschützt werden. Arbeiter gruben es sorgsam frei, hoben das massige, etwa zehn Zentner schwere Kreuz schließlich aus dem Boden und lagerten es sicher ein. Es war nicht die erste Umsetzung, die das etwa 550 bis 600 Jahre alte Denkmal über sich ergehen lassen musste. 1969, als die Straße ausgebaut wurde, setzten es Bodendenkmalpfleger 15 Meter von der Straße zurück. Auch hier stand es wieder genau im Verlauf der Gemarkungsgrenze zwischen Erfurt und Bindersleben, das am 1.Juli 1950 nach Erfurt eingemeindet wurde. Als einziges Steinkreuz in der Stadt war es seit altersher als Grenzstein zweckentfremdet worden. Ältere Abbildungen zeigen es mit geweißtem Kopf neben dem Ortsschild. Allerdings diente es einst nicht zur Grenzmarkierung, sondern ist wie alle anderen Steinkreuze ein Denkmal des Totengedenkens. Es ist das ältere der beiden Steinkreuze am Peterborn und wird wie das andere in den städtischen Verrechten (Steuerbüchern) von 1620 ersterwähnt. Nach den Bauarbeiten wird es eine feierliche Neuaufstellung mit Erläuterungen geben, die sicher nicht nur die Anwohner interessieren. Schon direkt nach der Bergung des ersten Steinkreuzes hatten besorgte Bürger bei der Zeitung nach dem Verbleib des Denkmales gefragt. (Störzner 2003)

Am westlichen Stadtrand, 25m südlich der Binderslebener Landstraße, südlich gegenüber der Kleingartenanlage "Am Kreuzchen", 110m westlich vom Steinkreuz Nr.72. Im Verlauf der ehemaligen Gemarkungsgrenze Erfurt / Binderslaben.
Flurname: "Bei den zwei Kreuzen", Kleingartenanlage: "Am Kreuzchen". Um 1965 geringfügig nach Süden versetzt. Vorher war das Kreuz tief eingesunken.
Lateinische Kreuzform, Schaft nach unten schwach verbreitert. Stattlich. Sandstein. Höhe: 90cm, Breite: 83cm, Stärke: 33cm. Grenzkerbe auf dem Scheitel des Kopfes. Nur noch schwach erkennbar. Geringfügig beschädigt, sonst gut erhalten. Allgemeine oberflächliche Verwitterung. Das Steinkreuz diente bis 1950 als Grenzmal zwischen erfurt und Bindersleben.
In Verbindung mit Steinkreuz Nr.72: "Bei den beiden Kreuzen handelt es sich um Pestkreuze..." (W. 1969) Das ist eine unhaltbare Annahme! (Störzner 1984)

Sage:

Quellen und Literatur:
Loth, Dr. Richard - Die Steinkreuze bei Marbach und Bindersleben, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte und Altertumskunde von Erfurt, Heft 26, 1905, S.141-142
Köber, Heinz - Die alten Steinkreuze und Sühnesteine Thüringens, 1960, S.30, Nr.10
Störzner, Frank - Steinkreuze in Thüringen: Katalog, Bezirk Erfurt, 1984, Nr.73
Störzner, Frank - Steinkreuz am haken. Kulturdenkmal in der Binderslebener Landstraße musste Bauarbeiten weichen, in: Thüringer Allgemeine, Ausgabe Erfurt vom 22.03.2003
recherchiert und bebildert von Hans-Ulrich Gembusch, Uhlstädt-Kirchhasel
Ergänzungen von Andreas Lehmann, Erfurt



Erfurt (VIII)

GPS:

Standort: Im Erfurter Dom, in einer Seitenkapelle die an der Südseite im Chorhals zu finden ist.

Größe / Material: Sandstein

Geschichte: Auf der Informationstafel ist zu lesen:
8) Die romanische Grabplatte
Ein Zeugnis romanischer Steinmerzarbeit ist die wohl um 1150 enstandene Grabplatte eines unbekannten geistlichen Würdenträgers. Die in den Sandstein eingearbeitete Ritzzeichnung von Kreuz und Krummstab legt nahe, dass der Verstorbene Bischof oder Abt gewessen ist.

Die Platte befindet sich seit 2004 in einer Seitenkapelle die an der Südseite im Chorhals zu finden ist. Bei der Neugestaltung dieser nach zwei Seiten offenen Kapelle, deren wertvollster Teil ein romanischer Altaraufsatz ist, fand die Grabplatte die auf das Jahr 1150 datiert wird, da sie der gleichen Stielepoche angehört, ihren neuen Standort. Sie wurde bei der Restaurierung des Hochaltares unter diesem gefunden. Dieser Ort dürfte allerdings nicht der ursprüngliche Standort gewesen sein, da die Grabplatte romanisch, der Chor aber hochgotisch ist. Sie dürfte demzufolge bei einer der vielen Baumaßnahmen am Dom dorthin gelangt sein. Wer der Verstorbene ist konnte allerdings bisher nicht geklärt werden. Es wird vermutet, dass sie für einen hohen geistlichen Würdenträger geschaffen wurde.

Sage:

Quellen und Literatur:
recherchiert und bebildert von Lenka Smetanová
Ergänzungen von Jost Häffner, Erfurt



Erfurt (IX)


Christus am Kreuze

der in den Armen
der Mutter Gottes
liegende Leichnam
Christi

Christus am Ölberg
Foto: Stößel

Abbildung bei
Loth (1896)

Zeichnung bei
Tettau (1890)

GPS: N 50° 58.233', O 11° 0.597'

Standort: Vor dem unteren ega-Eingang auf der Fläche zwischen Gothaer Straße und Cyriaksstraße.

Größe / Material:

Geschichte: Benennung: "Sybillentürmchen". Am Zugang zum Gelände der Cyriaksburg (ega) steht eine mittelalterliche Betsäule die nicht allzu bekannt ist. Sie wird in der Beschreibung der Erfurter Kunstdenkmäler sowie auch in der Literatur, wenn überhaupt nur am Rande beschrieben. Und doch stellt sie nicht nur in ihrer Größe als auch in ihrem Aussehen ein beachtlichen Kunstwerk dar. Über den Grund ihrer Errichtung oder den Bauherrn ist nichts bekannt. Umsomehr hat sich die Sage diesem Bauwerk angenommen, meist in Verbindung mit den ehemals drei Steinkreuzen am Fuße des Sybillentürmchens, von denen noch eines erhalten ist (Erfurt IV).

   A. Das Sybillenthürmchen (Nr. 75) ist eine im Brühlerfelde am Fusse des Cyriaxberges unfern der Strasse nach Hochheim belegene Betsäule. Die Zeit und die Veranlassung seiner Entstehung sind nicht bekannt. Nach einer Volkssage soll es eine Gräfin Sybilla von Käfernburg gewesen sein, welche dies Denkmal an der Stelle hat errichten lassen, wo ihr Verlobter ermordet worden und derselben den Namen verdanken (Kruspe, die Sagen d. St. Erfurt I, S.114). Nach einer anderen, von einer handschriftlichen Chronik von Erfurt im Stadtarchive und von Falkenstein, Hist S.273, 274 mitgetheilten Erzählung, soll es zum Andenken an die erfolglose Belagerung Erfurts durch den Markgrafen Friedrich von Meissen und den Kaiser Karl IV. 1375 und den nach deren Aufhebung erfolgten Besuch der Stadt durch die Kaiserin Elisabeth errichtet sein (vergl. Kruspe, 1.c. S.111), was jedoch den Namen unerklärt lässt. Noch andere glauben, dass hierdurch die Stätte hat bezeichnet werden sollen, wo die erste christliche Kapelle in der hiesigen Gegend gestanden hat (Härtung, Häuserchr. II, S.123); aus kunstgeschichtlichen Gründen scheint es aber unzweifelhaft, dass die Errichtung nicht früher als am Schlüsse des 14. oder am Anfange des 15. Jahrh. stattgefunden hat. - Im Jahre 1716 war das Denkmal "vom Alterthum schier verzehrt und von den Vorfahren sehr vernachlässigt," und es wurde daher auf Veranlassung des Kurfürsten Lothar Franz wiederhergestellt, wie die auf der einen Seite in lateinischer auf der andern in deutscher Sprache befindliche Inschrift verkündet (Mittgetheilt bei Härtung 1.c.)
   Puttrich, der 1.c. Taf.12 eine Abbildung bringt, sagt: "Die Betsäule hat zwar ein etwas schwerfälliges Verhältniss, allein ihre Verzierungen sind im besten Geschmack des gothischen Baustyls und ist daher ihre Entstehung schwerlich später als in das 14. Jahrhundert zu setzen. Ueber einem viereckigen Untersatze von Mauerwerk erhebt sich an jeder Seite eine Dreiviertelsäule, deren Fuss und Kapital höchst einfach sind. Ueber dieser Säule steht ein Pfeiler, welcher in einen gegliederten Spitzbogen übergeht, mittelst dessen ein Pfeiler mit dem andern verbunden ist So bildet sich auf jeder der vier Seiten eine Nische, deren nördliche mit dem Relief des in den Armen der Mutter Gottes liegenden und von den beiden anderen heiligen Frauen umgebenen Leichnams Christi geschmückt ist" (Die drei anderen Seiten zeigen: Christus am Oelberg, Christus am Kreuze und den Verrath des Judas.)
"Ueber jedem Bogen ragt ein durchbrochener und mit Füllungen im reinsten Styl versehener Spitzgiebel empor, welcher mit einer Blume schliesst; an jeder Ecke der Betsäule, aber über dem erwähnten Pfeiler, ist eine kleine Spitzsäule angebracht. Das Ganze ist mit einer alle Theile überragenden steinernen Spitze bedeckt, welche am oberen Ende eine Blume trägt. (Tettau 1890)

Sage: 1. Gräfin Sybille von Kefernburg habe es an der Stelle errichten lassen, an der ihr Bräutigam mit zwei Knappen von Räubern erschlagen wurde. Die Toten habe man in der Nähe begraben und zu ihrem Gedächtnis auch noch drei Steinkreuze gesetzt.
2. In etwas abgewandelter Form will eine andere Sage wissen: Ein Ritter Hugo aus Schottland soll Sybille, die einzige Tochter des Ritters Berthold von Rabenswalde, mit Gewalt entführt haben. Bei der Verfolgung durch Berthold und drei Freunde, die Bewerber um Sybille waren, habe man Hugo am Fuße der Cyriaksburg eingeholt und erschlagen. In dem Handgemenge sollen auch die drei Freunde getötet worden sein, aber Berthold habe seine Tochter nicht mehr lebend angetroffen. Den toten Freunden zum Gedächtnis habe Berthold die drei Steinkreuze und für seine Tochter das Türmchen errichten lassen.
3. Nach anderen Überlieferungen soll das Türmchen an der Stelle stehen, an der schon vor Bonifatius die erste christliche Kapelle gestanden habe.
4. Eine weitere Erzählung besagt, daß hier in heidnischer Zeit eine Druidenpriesterin gewohnt habe, die durch das Christentum verdrängt worden sei. (vgl. dazu auch das Fraubillenkreuz in Ferschweiler (RLP), in welchem, der sagenhaften Überlieferung nach, die germanische Schicksalsgöttin Sybille wohnt).
5. Weitere Sagen künden von Grabstätten der ersten Erfurter Benediktiner und von drei Nonnen, die hier zur Bestrafung eingemauert worden seien.

Quellen und Literatur:
Thürmchen: Das Thürmchen vor dem Brühlertor, in: Gnädigst priviligierte thüringische Vaterlandskunde auf das Jahr 1801, Bd.1, 30.Stück, Oktober 28, Sp.465-478; 32.Stück, November 11, Sp.497-499, Erfurt
Sybillen-Thürmchen: Das Sybillen-Thürmchen bei Erfurt, in: Neue allgemeine Weltbühne für das Jahr 1819, 12.Stück, S.766, Erfurt
Krupe, H. - 74. Das Sybillen Thürmchen / 75. Sybilla von Käfernburg., in: Die Sagen der Stadt Erfurt. 1. Bändchen, Erfurt 1877, S.111-114
Tettau, Dr. Wilh. Freih. v. - Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Stadt Erfurt und des Erfurter Landkreises, Halle a.d. Saale, 1890, S325-326
Loth, R. - Die Steinkreuze in der Umgegend von Erfurt, in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt, Nr.18, 1896, S.71-90
Wiegand, Fritz - Das Sybillentürmchen und das Steinkreuz an der Cyriaksburg, in: Der Kulturpark Cyriaksburg in Erfurt und seine Geschichte, Bd.I der Schriftenreihe "Aus der Vergangenheit der Stadt Erfurt", 3.Auflage, Erfurt 1956, S.21-25
Störzner, Frank - Aus Stein gehauen… Die Klein- und Flurdenkmale von Erfurt und seiner Umgebung, 1992, S.37-42
Forscher-Wiki: 3 Steinkreuze am Erfurter Sybillentürmchen?
Forscher-Wiki: Wurden Menschen in Bildstöcken vermauert?
Gerth, Sven - Warum wurden Menschen in religiöse Andachtsmäler eingemauert?, in: Pomniki Dawnego Prawa, Heft 5, März 2009, S.30-57
Rassloff, Steffen - Geheimnisvolles Denkmal, in: Thüringer Allgemeine vom 28.07.2012
recherchiert und bebildert von Jost Häffner, Erfurt
Ergänzungen von Manfred Beck, Wutha-Farnroda und Uwe Stößel, Saalfeld



Das Sybillentürmchen und das Steinkreuz an der Cyriaksburg
von Fritz Wiegand

Unmittelbar vor dem Haupteingang zum Kulturpark Cyriaksburg steht eine kapellenartige Säule, die gar nicht in das lebhafte Treiben von heute passen will: das Sybillentürmchen. Viele Besucher gehen achtlos an ihm vorüber, aber manche bleiben doch betrachtend stehen, gefesselt durch die eigenartige Form und das offenbare Alter.

Blick vom Fuße des Cyriaksberges zur Stadt um 1825. Im Vordergrund das Sybillentürmchen. (StAE 6/III F 2)

Noch vor 80 Jahren war die Umgebung des Türmchens unbebaut; es lag außerhalb der Stadtmauer im Brühler Feld, und neben ihm standen einst noch drei steinerne Kreuze. Vor dem Türmchen erreichte die von der Schmiraer Höhe herabkommende Hohe- oder Königstraße den Talboden. Bald waren nun des Weges daherkommende Wanderer, Kaufleute, fahrendes Volk am Ziel ihrer Reise, dem Handelsmittelpunkt Erfurt, angelangt.
Wollten sie aber westwärts ziehen, begann an dem Türmchen der Aufstieg in das wellige Bergland. Ein lebhafter Verkehr flutete jahrhundertelang über diesen bedeutenden mitteldeutschen Handelsweg, der weit aus dem Westen kam und bis t ief in den Osten hineinführte.
Obwohl das Sybillentürmchen außerhalb der Stadt lag, war es durch sechs Jahrhunderte Zeuge vieler geschichtlicher Ereignisse. Es sah Jahre friedlicher Entwicklung; Ratsherrn und Bürger zogen bei Flurbegehungen an ihm vorüber; hier rasteten Fuhrleute mit ihren schwer beladenen Wagen, bevor sie die Fahrt zur Höhe antraten. Das Türmchen könnte auch erzählen, wie die napoleonischen Truppen nach ihrer Niederlage bei Leipzig vorübereilten, und wie ihnen die siegreichen Befreiungstruppen der Preußen, Russen und Österreicher folgten. Es mußte auch erleben, wie in neuester Zeit verängstigte Menschen in wilder Flucht vorüberhasteten, um sich vor den Angriffen feindlicher Flieger in Sicherheit zu bringen.
Und heute grüßt das Sybillentürmchen Tausende von Menschen, die in den Anlagen des Kulturparkes Cyriaksburg Ruhe, Erholung und Zerstreuung suchen und finden.
Wie bei vielen alten Denkmälern, ist nicht bekannt, wann und warum das Türmchen errichtet wurde. Die Anzeichen deuten darauf hin, daß es ursprünglich eine Andachts- oder Betsäule war. Sie ist das einzige gotische Denkmal seiner Art, das die Stadt noch aufzuweisen hat. Nach Charakter und Stil zu urteilen, wird das Türmchen zwischen 1370 und 1380 entstanden sein.
Das Türmchen ruht auf einem gemauerten Fundament. Der Pfeiler von quadratischer Grundform und mit säulenverzierten Ecken trägt ein kräftiges, steinernes Gehäuse. Über seinen spitzbogigen Nischen steigen mit Maßwerk gefüllte Wimperge empor, die von einer gedrungenen Säulenspitze mit Kreuzblume überragt werden. Die Nischen sind mit Reliefs aus der Passionsgeschichte geschmückt. Das erste zeigt den betenden Christus in einem felsigen Garten, der mit einem Korbzaun umgeben ist, das zweite den Judaskuß, im Hintergrund stehen die Jünger und Kriegsknechte. Das dritte Relief stellt die typische Form der Kreuzigung dar und das vierte die Beweinung. Die sitzende Maria hält ihren toten Sohn auf den Knien, links steht Johannes, die Hände ringend, rechts mit hoher Mütze Josef von Arimathia.
Die Plastiken zeigen eine einfache, zum Teil rohe handwerksmäßige Arbeit. Die Körperformen wirken ungeschickt und unverstanden. Die beste Darstellung ist die Beweinungsszene, die einer ausdrucksvollen und dramatischen Wirkung nicht entbehrt. Bei einigen Figuren scheint sich der Bildhauer an Vorbilder des Erfurter Meisters Gerhart1) gehalten zu haben, ohne aber deren Schönheit zu erreichen.

Sybillentürmchen Aufnahme: Stadtwerbung

Die erzählende Geschichtsschreibung überliefert, daß die Erfurter das Türmchen zum Andenken an die erfolglose Belagerung ihrer Stadt durch Kaiser Karl IV. und den Landgrafen Friedrich III. im Jahre 1375 errichtet hätten. Diese Mitteilung erscheint nicht einmal unwahrscheinlich, da das Türmchen dieser Zeit zuzurechnen ist. Die weitere Mitteilung jedoch, daß man es nach der damaligen Kaiserin benannt habe, trifft nicht zu, denn sie hieß Anna und nicht Sybille. Die Annahme, daß es nicht nur als Gedenk-, sondern auch als Bet- und Andachtssäule erbaut worden sei, ist bei der religiösen Einstellung des mittelalterlichen Menschen nicht unwahrscheinlich.
Am Anfang des 18. Jahrhunderts war das Türmchen so schadhaft geworden, daß es gründlich erneuert werden mußte. Die am Pfeiler angebrachten beiden Tafeln weisen in Deutsch und Lateinisch auf diese Wiederherstellung hin. Die deutsche Inschrift, die inhaltlich mit der anderen übereinstimmt, lautet:

Diese vom Alterthum schier verzehrte
und von denen Vorfahren sehr ver
Nachlässigte Denk Zeichen der Wahren
Christlichen Frömmigkeit hat Chur
Fürst Lotharius Franciscus wiederum
erneuern lassen, damit Die künftige
Zeiten die alte Löbliche
Andachtsübungen der ersten Kirchen
erkennen Mögen Im Jahr 1716.

In dieser Zeit war der Name „Sybillentürmchen" noch unbekannt, erst seit dem Anfang des 19.Jahrhunderts wurde er gebräuchlich. Bis dahin ist immer nur von dem Türmchen oder dem viereckigen Bildstock im Brühlerfeld die Rede.
Je mehr die Erinnerung an den Ursprung des Türmchens verblaßte, umso stärker beschäftigte sich die sinnende Volksphantasie mit ihm. Ein dichter Kranz von Erzählungen, Geschichten und Legenden entstand2), der sich von Generation zu Generation forterbt und einen noch geheimnisvolleren Schleier um Herkunft und Bedeutung windet. Mit den sagenhaften Erzählungen ist erst der Name "Sybille" mit dem Türmchen in Verbindung gebracht worden.
So teilt die "Weltbühne" von 1819 ihren Lesern mit: Gräfin Sybille von Kefernburg habe es an der Stelle errichten lassen, an der ihr Bräutigam mit zwei Knappen von Räubern erschlagen wurde. Die Toten habe man in der Nähe begraben und zu ihrem Gedächtnis auch noch drei Steinkreuze gesetzt. In etwas abgewandelter Form will eine andere Sage wissen: Ein Ritter Hugo aus Schottland soll Sybille, die einzige Tochter des Ritters Berthold von Rabenswalde, mit Gewalt entführt haben. Bei der Verfolgung durch Berthold und drei Freunde, die Bewerber um Sybille waren, habe man Hugo am Fuße der Cyriaksburg eingeholt und erschlagen. In dem Handgemenge sollen auch die drei Freunde getötet worden sein, aber Berthold habe seine Tochter nicht mehr lebend angetroffen. Den toten Freunden zum Gedächtnis habe Berthold die drei Steinkreuze und für seine Tochter das Türmchen errichten lassen.
Nach anderen Überlieferungen soll das Türmchen an der Stelle stehen, an der schon vor Bonifatius die erste christliche Kapelle gestanden habe. Eine weitere Erzählung besagt, daß hier in heidnischer Zeit eine Druidenpriesterin gewohnt habe, die durch das Christentum verdrängt worden sei.
Schließlich sollen die drei Steinkreuze als Mahnmal errichtet worden sein, weil man hier drei Nonnen in einem Gewölbe eingemauert hätte; sie sollen aus dem benachbarten Cynakskloster entwichen sein und dadurch das Ordensgelübte gebrochen haben. Man hat aber auch die Vermutung ausgesprochen, daß unter den Kreuzen die ersten Benediktinermönche beerdigt worden seien.

Steinkreuz am Fahrweg zur Cyriaksburg. Aufnahme : H. Peinhardt, 1956

Keine der Sagen läßt sich geschichtlich beweisen; ein Körnchen Wahrheit jedoch mag die eine oder andere bergen. Welche der Erzählungen aber die größte Wahrscheinlichkeit für sich hat, das läßt sich bei dem gegenwärtigen Stand der Forschung nicht erkennen. Am schwierigsten wird die Antwort auf die Frage nach Zweck und Ursprung der drei Steinkreuze sein. Sie könnten Gedenkkreuze für einen tödlichen Unfall gewesen sein, wie sie bisweilen in der Neuzeit noch gesetzt wurden3). Es ist auch nicht ausgeschlossen, daß sie kirchliche Maler waren, deren Aufstellung schon Papst Leo III. im Jahre 779 angeregt haben soll4). Es kann aber auch angenommen werden, daß die drei Kreuze Sühnekreuze gewesen sind, die von den Tätern nach dem Rechtsbrauch im 12. bis in den Anfang des 16.Jahrhunderts für Totschlag gesetzt werden mußten.
Bei vielen der heute noch vorhandenen Steinkreuze läßt sich an Hand urkundlichen Materials nachweisen, daß sie als Sühne- oder Mordkreuze errichtet wurden, so das große Kreuz im Steiger in der Nähe des Waldschlößchens. Ein derartiges Sühnekreuz dürfte auch das Steinkreuz an der rechten Böschung des Fahrweges nach der Cyriaksburg, der ein Teil der alten Landstraße nach Schmira war, sein. Ob dieses Kreuz eins von den drei Kreuzen am Sybillentürmchen ist oder immer am Straßenrand stand, ist unbekannt. Alle urkundlichen Quellen schweigen, auch die an dem einen Querarm befindlichen Schriftspuren, die als Fridericus DiEDNI gelesen wurden5), geben keinen Aufschluß.
Bis jetzt war nur festzustellen, daß bereits 1321 ein Kreuz am Fuße der Cyriaksburg gestanden hat; es könnte mit dem noch vorhandenen identisch sein. Dieses Kreuz und sein Standort waren sicher allgemein bekannt, denn jahrzentelang wird nach ihnen die Flurlage eines Weinberges, der "kunigundis de vrinstete", als nahe beim Kreuz unten am Berg des H. Cyriakus bezeichnet6).
Die Veranlassung zum Bau des Sybillentürmchen und zur Errichtung des Steinkreuzes mag im Dämmerlicht der Vergangenheit versinken. Die beiden stummen Zeugen aus längst vergangenen Tagen legen der Gegenwart aber die Verpflichtung auf, sie zu achten und zu schützen.

Anmerkungen:
1) Ge(r)hart, Johann wirkte in der 2.Hälfte des 14.Jahrhunderts in Erfurt. Einige Bildwerke in der Severikirche entstammen seiner Hand.
2) Loth, Richard: Die Steinkreuze in der Umgegend von Erfurt. Erfurt 1896. S.84.
3) 1898 wurde bei Sülzenbrücken ein Steinkreuz für den dort verunglückten Bernhard Seitz aus Erfurt errichtet.
4) Man solle an Kreuzwegen oder an Orten, an denen sich sonst Leute zu begegnen pflegen, Steine in Gestalt von Kreuzen aufstellen und den heidnischen Gebräuchen, welche sich an derlei Maler hingen, Abbruch tun …"
5) Loth, a.a.0. S.85.

(in: Der Kulturpark Cyriaksburg in Erfurt und seine Geschichte, Bd.I der Schriftenreihe "Aus der Vergangenheit der Stadt Erfurt", 3.Auflage, Erfurt 1956, S.21-25)



74. Das Sybillen Thürmchen

   soll nach einer handschriftlichen Chronik, welche sich in der Magistrats-Bibliothek befindet, seine Entstehung aus dem Folgendem ableiten: Als im Jahre 1375 Markgraf Friedrich unter Beistand des Kaisers Karl IV. 16 Wochen lang Erfurt nutzlos belagert hatten, richtete es der Kaiser dahin, daß die Stadt dem Markgrafen eine Summe Geldes zahlt, und Friedrich zog ab.
   Ehe der Kaiser abreiste, wünschte dessen Gemahlin Elisabeth die Stadt zu besuchen, und als sie eingeführt wurde, wunderte sie sich über die große Menge Volks, und die Säcke voll Mehl, welche vor allen Backhäusern aufgestellt waren. Es war aber so angeordnet worden, einen großen Vorath Proviant zur Schau zu stellen. Als das kaiserliche Paar abgereist war, errichtete man zum Gedächtnis an seine Anwesenheit ein kleines artiges Thürmlein im Brühlerfelde. Demnach müßte dasselbe das Elisabeththürmchen heißen. Nach manche andere Sage knüpft sich an dieses schöne gothische Monument, auf die wir später zurückkommen. Es soll, da von der Belagerung der Stadt die Rede ist, nach einer Kriegsthat im Vorübergehen gedacht werden, die in Barthels Lesebuch in poetischer Form mitgetheilt wird.

Die rothen Streifen im Wappen.

   Als Karl der Vierte mir großer Heeresmacht Erfurt belagerte und die tapferen Bürger kühne Ausfälle wagten, kam es zu heißen Kämpfen. In einem derselben zeichnete sich ein Landsknecht durch ungewöhnliche Tapferkeit aus. Der Kaiser beobachtet ihn voll Freude, ritt auf ihn zu, lobte seinen Heldenmuth und reichte ihm die Hand. Der überraschte Krieger zögerte nicht, ihm auch die seinige zu geben, aber sie blutete aus frischen Wunden über und über. Da wischte er das Blut an seinem Harnisch ab und gab dem Kaiser die Hand. Doch schien dem Kaiser diese Anerkennung noch lange nicht ausreichend; er schlug ihn angesichts seiner Kämpfer zum Ritter und befahl, daß er für alle Zeiten 4 purpurrothe Streifen auf Silbergrunde im Wappen führen sollte, wie ihm jetzt die vier blutigen Streifen als schönstes Zeichen seines Heldenmuthes den Harnisch schmückten. Der biedere Held war Gottsche Schoff. Er wurde der Ahnherr eines reichen Grafengeschlechts, das noch blüht und dessen Güter, Schlösser und Städte man vom Kynast nimmer zu überschauen vermag.
   Die in Form eines Thürmchn aufgeführte Betsäule, von deren vier Seiten Scenerien aus der Leidensgeschichte unseres Herrn in Stein ausgehauen sind, dürften der Volkssage nach den Ort bezeichne, wo die erste christliche Kirche in dieser Gegend gestanden haben soll.

(Bechstein)

   Eine andere Sage erzählt, daß in vorchristlicher Zeit hier der Aufenthaltsort einer blutdürstigen, aber schönen Velleda oder Druidenpriesterin gewesen sei, die durch das aufblühende Christenthum verdrängt wurde und deren ruheloser Geist sich noch bisweilen zeigen soll und das Denkmal wehklagend umschwebt, da das heidnische Phantom in den geweihten Raum desselben nicht mehr eindringen kann.

n. Bertha Vallet, e. gek. D.I, 12.

   Nach einer anderen Sage wurden hier in einem Gewölbe vier Nonnen aus dem darüberliegenden Cyriaxskloster, die theil aus dem Kloster entwichen, theils auch eines der wichtigsten Ordensgelübde gebrochen hatten, lebendig eingemauert. Man gab ihnen ein Brod und einen Krug Wasser mit hinein, mit welchem sie sich, nachdem das Brod verzehrt war, in der Verzweiflung erschlagen haben sollen.
   Als Lebensstrafe kommt das Lebendig begraben 1515 und 16 vor. 1515 wird die Mutter der beiden Selbitze, die auf deren Rath ihre Weiber umbrachten, lebendig begraben; desgl. 1516 eine Frau, wegen ähnlichen Verbrechens.

75. Sybilla von Käfernburg.

   Eine dunkle Sage erzählt, daß einstens die Gräfin Sybilla von Käfernburg ihren Bräutigam, eine schönen, mannhaften Ritter erwartet habe und vom Söller ihres Schlosses herab die Blicke in das Thüringerland schweifen ließ, um den Geliebten zu erspähen. Aber vergebens. Der Erwartete blieb aus und statt seiner kam ein Bote an, der brachte die traurige Botschaft: Der Ritter sei mit zwei Knappen an der Stadt Erfurt vorbeigeritten, da hätte ihn unter dem Cyrixklösterlein seine Feinde überfallen und trotz heldenmüthiger Gegenwehr überwunden und alle drei getödtet. Als Sybilla das hörte, weinte sie sehr, hüllte sich in tiefe Trauer und eilte nach der Unglücksstätte. Da ließ sie den treuen Ritter und seine Knappen begraben, setzte dem ersterem das schöne Denkmal, welches nach ihr noch heute den Namen Sybillenthürmchen führt und den treuen Waffengefährten steinerne kreuze. Sie selbst aber nahm droben im Kloster den Schleier und beschloß ihre Tage in steter Trauer um den Geliebten.*)

Thuringia I. 108.

*) Freilich gedenkt die Geschichte der Grafen von Schwarzburg, Käfernburg, Gleichen u. der Stadt Erfurt ihrer nirgends, weder als verwittwete Braut, noch als Nonne.

(Krupe, H. - Die Sagen der Stadt Erfurt. 1. Bändchen, Erfurt 1877, S.111-114)


Sühnekreuze & Mordsteine