Sammlungen Flurdenkmal-Sagen Sagen aus Berlin


B

zum Kreuz Das Steinkreuz am Neuen Markt in Berlin - 10178 Berlin
1. Variante
Der Neue Markt ist der zweite Markt der alten Stadt Berlin. Auf ihm erhebt sich auch die zweitälteste Berliner Pfarrkirche, die von St. Marien, und vor ihrem Eingange steht das sagenhafte Steinkreuz. 1325 hatte der Probst Nikolaus von Bernau die Berliner beim Gottesdienst in der Marienkirche gescholten, daß sie trotz des päpstlichen Verbotes zu ihrem vom Kaiser eingesetzten Markgrafen hielten. Da hatte die empörte Volksmenge den Probst vor der Kirche erschlagen und auf dem Neuen Markt verbrannt. Der Papst sprach den Bannfluch über die Stadt. Und erst nach großen Geldopfern und nach Errichtung des steinernen Sühnekreuzes konnte sie sich davon wieder lösen. So meldet's die Geschichte. Die Sage bietet eine andere Deutung - ohne die peinliche Erinnerung an ein Strafgericht, das die Berliner einst über sich ergehen lassen mußten.
Danach hat man das Kreuz errichtet, weil hier einmal ein toller Berliner Musiker wie durch ein göttliches Wunder vom Tode errettet worden ist. Der Dichter Liliencron hat diese Sage in einem prächtigen Gedicht dargestellt. Selbiger Musikus, dieser leichtsinnige Bursche, kletterte, so erzählt er, "im Söffelwahne" eines Tages, "da die Welt ihm schwankend schien", auf den hohen Turm der Marienkirche, um dort oben dem Hahn auf des Turmes Spitze allerlei Lieder vorzugeigen, die viel eher in die Schenke als an einen heiligen Ort gehörten. Entsetzt blieben die Bürger unten stehen, jeden Augenblick fürchtete man seinen Sturz. Aber auch Gottvater hatte ihn gehört, und er hatte anders beschlossen. Einen Denkzettel nur sollte der Bursche haben. Also läßt Liliencron Gottvater sprechen:
Nun paß mal auf: Jetzt sag' ich eins
und zwei und drei und nochmal eins,
dann wird der Sand dich putzen.
Und Purzel-Purzel-Purzelbaum,
Kopf, Arm, Bein, ohne Pause
wie Ikaros, durch Wind und Raum
geht's abwärts mit Gesause.
Und schwapp, da liegt der Fidelhans,
ist nüchtern wie 'ne Stoppelgans,
steht auf und - geht nach Hause.
Das Volk schreit: Ein Miraculum!
und tut den Platz anstieren
und dreht sich rechts und links herum
und kann es nicht kapieren
und stiftet, während Domgeläuts,
da, wo er fiel, ein steinern Kreuz,
den Teufel zu vexieren.
Der Musikant hat niemals nie
den Weinkrug mehr gehoben,
probierte täglich sein Genie,
um Gott den Herrn zu loben.
Ob er zuweilen doch einmal,
wer kann das wissen, den Pokal
ansetzte? Nur zum Proben?
(Nase, Karl - Durch das sagenhafte Berlin, Leipzig um1920)

2. Variante
Das Steinkreuz an der Marienkirche
Am Turmeingang der Marienkirche steht ein Steinkreuz, das ist fast siebenhundert Jahre alt. An dem bemerkt man vorn fünf Löcher; darin waren früher die Eisenstäbe der "ewigen Lampe" eingelassen, die Tag und Nacht brennen musste. - Über die Gründe, weshalb das Kreuz gesetzt wurde, wird mancherlei erzählt: So soll einst ein Baumeister, als die Kirche fast vollendet war, sich mit dem Teufel eingelassen und im Kartenspiel die gesamten Baugelder verloren haben. Der Teufel gab ihm zwar alles zurück; doch musste der Baumeister dafür versprechen, beim Bau der Gewölbe einen Fehler zu machen, so dass diese am Einweihungstag über den Gläubigen zusammenbrächen. Denn der Teufel hasste die frommen Leute. Der Baumeister dachte aber den Teufel zu betrügen und führte die Gewölbe vorschriftsmäßig auf. Als nun die Einweihungsfeier vorüber war, lauerte der Teufel an der Tür. Zuletzt kam der Baumeister heraus. Da griff der Teufel zu und drehte ihm den Hals um. Zum Andenken daran soll das Kreuz errichtet worden sein. Die meisten aber halten das Kreuz für ein Wahrzeichen aus der Zeit der Markgrafen und sagen, die Berliner hätten es zur Strafe oder Sühne setzen müssen, weil das Volk den Propst von Bernau erschlagen habe. Das wird schon seine Richtigkeit haben. Aber was erregte die Berliner so, dass sie sich zu einer so unseligen Tat hinreißen ließen? Darüber berichtet die Sage: Propst Nikolaus von Bernau soll in Berlin den Zehnten mit großer Härte eingetrieben und sich dadurch verhasst gemacht haben. Doch heißt es auch, er sei ein Anhänger des Herzogs Rudolf von Sachsen gewesen, der nach Markgraf Waidemars Tod Ansprüche auf die Mark machte, während die Berliner zu ihrem Landesherrn, dem Markgrafen Ludwig dem Älteren, hielten. Da erschien Propst Nikolaus in Berlin, ging in die Marienkirche und hielt eine donnernde Rede gegen die Berliner, weil sie den Herzog Rudolf nicht anerkennen wollten. Dabei nannte er sie "Verblendete" und "Schurken". Es war aber an dem Tag gerade Markt in Berlin, und viele Menschen hatten sich auf dem Platz bei der Marienkirche eingefunden. Bald pflanzte sich die Rede des Propstes von Mund zu Mund fort bis zu der Menge draußen auf dem Markt. Die Leute drangen in die Kirche, holten den Propst von der Kanzel, zerrten ihn bis zur Tür und erschlugen ihn. Dann errichteten sie auf dem Neuen Markt einen Scheiterhaufen und verbrannten die Leiche. Das geschah wahrscheinlich am 16. August 1325. Es wird auch gesagt, der Propst habe zwar noch Zeit gehabt, in die Propstei zu flüchten, sei aber von dem wütenden Volkshaufen herausgeholt und auf dem Neuen Markt lebendig verbrannt worden. Nun wurde der Bann über Berlin ausgesprochen: Es durften keine Glocken geläutet, Brautpaare nicht getraut, Kinder nicht getauft werden, und kein Priester folgte dem Sarg. Erst zehn Jahre nach dem Mord wurde festgesetzt, dass die Berliner zur Sühne eine hohe Summe Goldes zahlen, in der Marienkirche einen neuen Altar bauen und an der Stelle des Mordes ein zwei Faden (drei bis vier Meter) hohes Steinkreuz mit einer ewigen Lampe errichten sollten. Trotzdem lastete der Bann noch weitere zwölf Jahre auf der Stadt. Vermutlich ist das Kreuz, obwohl es nicht zwei Faden hoch ist, doch das ursprüngliche und damit das älteste Denkmal Berlins. Wo es aber zuerst gestanden hat, lässt sich nicht mehr feststellen. Vielleicht stand es mitten auf dem Neuen Markt, vielleicht auch in der Spandauer Straße. Denn dort wohnte später ein Schmied, der nach der ewigen Lampe der "Lampenschmied" genannt wurde. 1726, heißt es, kam das Kreuz dann an das Westportal der Marienkirche.
(Siegfried Armin Neumann - Sagen und Geschichten, Schwerin 2004)

3. Variante
Das Kreuz auf dem Marienkirchhofe zu Berlin
Auf dem Marienkirchhofe zu Berlin befindet sich rechts vom Eingange unter dem Thurme der Kirche ein uraltes, ziemlich roh gearbeitetes steinernes Kreuz mit 5 Löchern (wahrscheinlich zum Anbringen eines Crucifixes bestimmt), welches aber früher an einer andern Stelle sich befand, nämlich da, wo im Jahre 1726 das Küsterhaus hingebaut worden ist. Nach der gewöhnlichen Annahme soll dasselbe nach der hier im Jahre 1335 geschehenen Ermordung der Probstes Nicolaus von Bernau errichtet worden sein. Derselbe war nämlich in der Marienkirche wegen einer Aufforderung Rudolphs von Sachsen mit einigen von der Gemeinde hart zusammengerathen und hatte, als dieselben sich nicht fügen wollten, mit dem Bann gedroht, allein dadurch waren dieselben noch mehr erbittert worden, sie drängten ihn aus der Kirche heraus und vor der Thüre derselben ward der Unglückliche von dem wüthenden Pöbel zu Boden gerissen, mit Füßen getreten und hauchte bald unter den Streichen der Rasenden sein Leben aus. Der Bischoff von Brandenburg Johann III. that hierauf die Stadt in Bann und sein Nachfolger Stephan hob denselben nur erst 1347 wieder unter der Bedingung auf, daß die Gemeine an der Stelle, wo der Mord verübt worden, ein Kreuz errichten und eine ewige Lampe in einem Kapellchen unterhalten würde. Eine Spur von diesem Lichtgestifte war lange, nachdem das Kapellchen verschwunden war, noch vorhanden, denn das Haus in der Spandauer Straße No. 76 wurde noch lange die Lampe genannt, und der Besitzer desselben, ein Schmied, hieß im Volksmunde der Lampenschmied. Die Sage erzählt jedoch über die Entstehung dieses Kreuzes ein anderes Märchen. Es soll nämlich der Teufel dereinst gefunden haben, daß seit der Erbauung der Marienkirche ihm viele Seelen entgangen seien und mancher Sünder, auf den er schon mit Sicherheit gerechnet, sich gebessert habe und von unserem Herrgott wieder zu Gnaden angenommen worden sey. Da beschloß er denn, den ersten Besten, den er an der Kirche erwischen könne, seinem Grimme zu opfern. Nun trug es sich zu, daß gerade ein Feiertag war und ein armer Musicant nach alter frommer Sitte hoch oben auf des Thurmes Zinnen einen frommen Choral in früher Morgenstunde blasen sollte, da packte ihn der Teufel beim Kragen und schleuderte ihn mit gewaltigem Ruck auf die Straße herab. Allein unser Herrgott hatte Erbarmen mit dem armen Manne, es erhob sich auf einmal ein furchtbarer Sturm, der Wind versackte sich in den Falten des Mantels des Herabstürzenden und so ward derselbe langsam aus der schwindelnden Höhe hinab auf die Erde getragen, und die Stelle, wo er gesund und mit ungebrochenen Gliedern ankam, wird durch das steinerne Kreuz bezeichnet. Andere erzählen freilich, der vom Teufel herabgeschleuderte Stadtmusicus (Hausmann) hätte an dieser Stelle wirklich seinen Geist aufgegeben, während wieder Andere berichten, beim Neubau des Thurmes sey einer der Bauleute vom Teufel herabgestürzt worden und sey an jener Stelle verstorben.
(Grässe, Johann Georg Theodor - Sagenbuch des Preußischen Staates, Glogau 1868/71)

4. Variante
Detlev von Liliencron
Berlin-Cölln war die Stadt genannt
und tat viel Lärm verbreiten
Da lebte mal ein Musikant
in sagenhaften Zeiten
Der rührte so sein Saitenspiel,
Dass alles auf die Knie fiel
vor lauter Seligkeiten.

Doch leider hat der Musikant
Zu viel Bougogne genossen;
Das schuf ihm manchen Höllenbrand,
warf ihn in manche Gossen.
Ein gräulich Laster trat hinzu:
Er lästert Gott und Himmelsruh
Mit seinen Teufelsglossen.

Einst, als die Welt ihm schwankend schien,
Er war halt stark im Trane,
Stieg er den Turm von Sanct-Marien
hinauf im Söffelwahne.
Und auf der Plattform oben, quiek,
Geigt er die weltliche Musik
Dem guten Kirchenhahne.

Ach, das war wahrlich kein Choral,
Das waren Tanz und Weisen,
und üppige Lieder, die dem Baal
gefallen und ihn preisen.
Und schaudernd hört der Kikeriki
Die grauenhafte Blasphemie
und möchte stracks verreisen.

Die Bürger unten bleiben stehn
Und traun kaum ihren Ohren,
Begreifen nicht, wie konnts geschehn,
und murren und rumoren.
Und jeder sieht schon, daß er fällt,
Sich Schädel und Genick zerschellt,
Und hält ihn für verloren.

Gottvater hat auch zugehört
Und denkt: Mein Musikante,
Du bist zwar sehr vom Wein betört
Und torkelst an der Kante,
Du bist ein liederliches Vieh,
Doch bist und bleibst du ein Genie,
Das ist das amüsante.

Drum gönn' ich eine Lehre Dir,
Du wirst sie, Hoff' ich, nutzen!
Das zweite Mal, mein Herr Pläsier,
Darfst Du nicht wieder trutzen!
Und paß mal auf, jetzt sag ich Eins
und Zwei und Drei, und nochmal Eins,
Dann wird der Sand dich putzen.

Und Purzel-Purzel-Purzelbaum,
Kopf, Arm, Bein Ohne Pause,
Wie Ikarus durch Wind und Raum,
gehts abwärts mit Gesause!
Und Schwapp, da liegt der Fiedelhans,
Ist nüchtern wie 'ne Stoppelgans,
steht auf und geht nach Hause.

Das Volks schreit: Ein Mirakulum!
Und tut den Platz anstieren,
Und dreht sich rechts und links herum
Und kann es nicht kapieren.
Und stiftet, während Domgeläuts,
Da, wo er fiel, ein steinern Kreuz,
Den Teufel zu vexieren.

Der Musikant hat niemals nie
Den Weinkrug noch gehoben,
Probierte täglich sein Genie,
Um Gott, den Herrn zu loben.
Ob Er zuweilen doch einmal,
Wer kann es wissen, den Pokal,
ansetzte? Nur zum Proben.

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