Beiträge zur Geschichte der Steinkreuze


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Alte Steinkreuze in Sachsen.
Von Baurat Wiechel - Chemnitz

   Die Steinkreuze und Denksteine, welche über das ganze Land verstreut, zumeist aber an alten Wegen errichtet sind, haben mit ihren altertümlichen Formen, eingegrabenen Inschriften, Zahlen und Zeichen von jeher nicht nur die Aufmerksamkeit der Umwohner auf sich gezogen, auch die überlieferten, gewiss auch in einzelnen Füllen erdichteten Geschichten, über die Bedeutung der Denksteine haben auf die Volksphantasie gewirkt. Schon in dem 1857 erschienenen Heft 10 der Mitteilungen des Königl. Sachs. Altertumsvereins zählt Dr. Bösigk 42 Standorte auf, auf denen sich 101 "Mordkreuze", wie er sie nannte, befanden. Seitdem ist in dem von Steche begonnenen und von Dr. Gurlitt fortgesetzten Inventarisationswerke über die Baudenkmäler in Sachsen eine Anzahl neuer Steinkreuze aufgeführt worden; auch Heft 8 unserer "Mitteilungen" liefert ein neues Beispiel. In zusammenfassender Weise bespricht R. Needon in Nr. 231) der Wissenschaft. Beilage der Leipziger Zeitung vom 24. Februar 1898 die steinernen Kreuze und andere volkstümliche Denkmäler, wobei eine Reihe von Sagen mitgeteilt, auch einige Kreuze neu erwähnt werden.2)
   Die Frage 8 in Heft 8 unserer Mitteilungen hat mir nun Anlass gegeben, das bereits Bekannte zusammenzustellen und um die gelegentlich von mir aufgefundenen oder aufgenommenen Kreuze vermehrt, unter Beigabe von Abbildungen hier zu veröffentlichen; einesteils um zu zeigen, wie stattlich die Zahl der bereits bekannten alten Steinkreuze ist, und sodann, um zu weiterer Forschung anzuregen. Wenn alle derartigen Notizen, auch Skizzen bemerkenswerter Steine und Berichte über zugehörige Erzählungen oder Sagen an die Redaktion unserer Mitteilungen eingesendet würden, so könnte in kurzer Zeit eine erschöpfende Übersicht bearbeitet werden.
   Im Nachstehenden soll ein Verzeichnis aller bekannt gewordenen Steine in Kreuzform gegeben werden.
   Was die Bedeutung der Kreuze betrifft, so handelt es sich bei der grossen Mehrheit ohne Zweifel um Sühne für einen begangenen Mord oder Todschlag, wohl auch um ein Grabdenkmal für Verunglückte, die ausserhalb des Friedhofes beerdigt wurden. Über die Zeit der Aufstellung ist zu bemerken, dass 2 Kreuze die Jahrzahlen 1390 und 1544 tragen, ausserdem liegen 13 Nachrichen über das Setzen von Sühnkreuzen vor aus der Zeit von 1389 bis 1583. Oft findet man, die Waffe, die den Tod herbeigeführt hat, oder das Werkzeug auf dem Steine abgebildet. Es ist aber möglich, dass die Steinkreuze, besonders wenn deren drei ohne Zeichen zusammenstehen, die Stätte der Ausübung der peinlichen Gerichtsbarkeit (Richtstätte) kennzeichnen; im wenigen Ausnahmefällen mögen sie auch die Stationen des Leidensweges Christi vorstellen, auch Grenzen bezeichnet haben, obgleich zu diesem Zwecke ehedem gewöhnliche Steine mit eingehauenem Wappen oder zwei sich kreuzenden kurzen Strichen ebenso allgemein, wie noch heute, üblich gewesen sein werden. Möglich ist es. dass in einzelnen Fällen die Weichbildgrenze oder die Bannmeile alter Städte durch Steinkreuze, die in diesem Falle nicht den Charakter der Grundbesitzbegrenzung besassen, bezeichnet worden ist, was dann in Zusammenhang mit dem in der Mitte des Marktplatzes aufgestellten sogenannten "Marktkreuze" stehen würde. Die von Needon angegebene Bedeutung einzelner Steinkreuze als Erinnerung an Stätten vorchristlicher Gottesverehrung will ich noch erwähnen.3)
   Wenn auch der Wert der Kreuze in kuust- und kulturgeschichtlicher Hinsicht nur gering ist, da wir aus jener Zeit zahlreiche vielsagendere Überlieferungen jeder Art besitzen, so sollte uns doch nichts aus jener etwa vierhundertjährigen Hinterlassenschaft zu gering sein, um uns mit Liebe der Erhaltung und Erforschung zu widmen. -
Altchemnitz, mit einem auf dem Steinkreuz ausgearbeiteten Kreuz. Abb.4 (W)
Althömitz b. Zittau. (B)
Arnsdorf b. Radeberg, in der Kirchhofsmauer. (Mitt. Heft 8, 1898.)
Bautzen, vor dem Ziegelthore am Weg nach Niedergurig. (B)
Bertsdorf b. Zittau, in der Kirchhofsmauer zwei Kreuze. (B)
Böhlen am Dorfeingange, ein Denksein, ähnlich einem Antoniuskreuz. Abb.8. (W)
Börnersdorf bei Gottleuba, zwei Kreuze, davon eines mit Armbrust. Abb.16. (B)
Brand b. Freiberg, drei 1574 noch hölzerne Kreuze. (N)
Chemnitz an der Johanniskirche, mit zwei kreuzweis eingehaltenen Dolchen. (N)
Colditz am Wege nach Thurmirnicht, (J. Grimma.)
Desgl. im Walde am Wege von Schönbach nach Leupahn, sogen. "schwarze Kreuz", Tötung durch eine Wildsau 1652. (J- Grimma.)
Cunnersdorf b. Glashütte, sogen. Wittigskreuz. (B)
Dippoldiswalde am Wege nach Oberfrauendorf. (B)
Doberzeit bei Pirna. (B)
Döben, ein Steinkreuz ohne Zeichen. (J. Grimma.)
Desgl. mit Hufeisen und Dreschflegel. Abb.14. (J. Grimma.)
Döben b. Grimma, auf dem Gemeindeplatze stand ein Holzkreuz als Zeichen der hier ausgeübten peinlichen Gerichtsbarkeit. (B)
Döhnis b. Grottau. (B)
Domina b. Komotau, 1544 eingehallen. Abb.2. (W)
Dorfchemnitz. (N)
Dresden, drei Kreuze "auf dem Sande" an der Strasse nach Stolpen; ferner je eines an der Kreuzkirche, auf der Elbbrücke, in der Neustädter Allee und am schwarzen Thore. (B)
Ebersdorf b. Chemnitz, südlich von der Kirche. (J. Flöha.)
Fischheim b. Wechselburg, mit Stab. Abb.12. (J. Rochlitz.)
Geyer am Fusswege nach Greifenstein, Radkreuz, auf demselben ein Schwert ausgehauen. Abb.5. (W)
Großcotta, fünf stehende, ein liegendes Kreuz. (B)
Großhennersdorf b. Herrnhut. in der Mitte des Marktes. (B)
Hässlich b. Bischheim. 1583 gesetzter Grabstein in Kreuzform. (N)
Hartmannsbach b. Gottteuba, zwei Kreuze. (B)
Hirschfelde. ein Kreuz von 1602. (B)
Hohendorf im Vogtlande, mit Pflugreute. (B)
Kamenz bei der Jodocuskirrhe, drei Kreuze. (B)
Desgl. am Wege nach Elstra, mit Armbrust. (B)
Desgl. vor dem Pulsnitzer Thore. Kreuz mit 1390 eingemeiselt. (N)
Klaffenbach b. Chemnitz, mit Schwert, in neuerer Zeit jedenfalls irrtümlich mit der Ermordung des Bischofs Arno im Jahre 897 in Verbindung gebracht und seitdem mit "Arnokreuz" bezeichnet. Abb.11 (W)
Kleinschöna an der Kirche, zwei Kreuze (B)
Desgl. am Fusse des Dronberges, drei Kreuze. (B)
Königsbrück, fünf Kreuze, davon je eines mit Lanze, mit Axt und mit Schwert. (B)
Königswartha, drei Kreuze. (B)
Kolkau bei Rochlitz, am Weg nach Rochlitz, mit Axt. (?) Abb.13. (J. Rochlitz.)
Langebrück, in der Haide, ein Holzkreuz, sog. "schwarzes Kreuz" (B)
Leubnitz, Strasse nach Goppeln. (B)
Liebstadt, einige Kreuze. (Bi)
Lössnitz, vor dem Schneebergerthore lagen ehedem drei Kreuze. (N)
Lückendorf b. Zittau, zwei liegende Kreuze. (B)
Mittweida, je ein Sühnkrenz für Morde wurde gesetzt in den Jahren 1459, 1522, 1526. (B)
Neuostra, am heiligen Brunnen. (B)
Niederfrauendorf. (B)
Niedergurig mit Inschrift. Tod durch Wetterstrahl. (N)
Oberbrambach, auf der Höhe nach Unterbrambach. (B)
Oberhesslich. (B)
Oehna b. Bautzen, mit eingegrabenem Mühlrad. (N)
Oberseifersdorf b. Herrnhut. (B)
Oschatz, je drei Kreuze vordem Hospitalthore. vor dem Brüderthore, in der Nähe des Kirchhofs und der Richtstätte (1483 erwähnt.) ( B)
Desgl., zwei Sühnkreuze. (B)
Desgl. auf der Anhöhe b. Lonnewitz, drei Kreuze. (B)
Desgl. 1389 gesetztes Marktkreuz. (B)
Oybin, nahe der Mühle. (B)
Pirna, am Wege nach dem Gasthofe zum Engel, ein Kreuz mit Zeichnung eines Lastträgers. (B)
Desgl., bei Mannewitz zwei Kreuze. (B)
Pirna, am Fussweg nach Kriebschwitz fünf Kreuze, 1820 beseitigt; am Kreuzgarten ein Kreuz mit eingemeiseltem Kreuz. (B)
Possendorf. (B)
Posta b. Pirna, ein Kreuz mit Steinkranz. (Radkrenz.) Abb.6. (B)
Ringethal b. Mittweida, zwei Kreuze, eines mit Schwert. Abb.10, (W)
Rochlitz, im Walde am Wege nach Wechselburg, mit Schwert, Abb.9. (J. Rochöitz.)
Rottwerndorf, zwei Kreuze, am Wege nach Pirna ein Kreuz. (B)
Ruppendorf, mehrere Kreuze mit dem Bilde der heiligen Anna, mit Schwertern. (B)
Saalendorf b. Zittau. (B)
Seelingstädt b. Grimma. (J. Grimma.)
Seelitz b. Rochlitz, mit betender Figur. Abb.7. (J. Rochlitz.)
Schlettau an der Strasse nach Scheibenberg. (N)
Schmiedeberg am Wirtshaus zum letzten Pfennig, jetzt noch Flurname zum roten Kreuz. (N)
Schönbach am Rande des Colditzer Waldes, mit Schneiderscheere und Elle, sogen. "Schneiderkreuz." Abb.15. (J. Grimma.)
Schwosdorf zwischen Kamenz und Königsbrüek, mit 1745 und Husarensäbel. Ein Deserteur wurde hier gehenkt. (B)
Stürza b. Lohmen, zwei Kreuze. (B)
Desgl. am Wege nach Stolpen, mit verwitterter Inschrift. (B)
Tschausch bei Brüx. Abb. 1. (W)
Waltersdorf b. Zittau. (B)
Weissig b. Dresden an der Chaussee. (W)
Zehista, ein Kreuz mit eingemeiseltem Kreuz. Abb.3. (B)
Zittau, in der unterirdischen Kapelle der Dreifaltigkeitskirche ist ein Kreuz eingemauert, ein grosses Messer und gekrümmtes Schwert ist in demselben eingehauen. (B) (N)
Desgl. an der Frauenkirche, mit 66 cm langem Schwert. (B)
Desgl. am Göhlitzer Steinwege. (B)
Desgl. am Ende der Helwigsgasse. (B)
Zittel, aus dem Jahre 1637. (B)

Anmerkungen:
1) Einzelne Nummern sind bei der Expedition Leipzig, Postatraase 5, verkäuflich.
2) [Die Steine haben für die Volkskunde eine ähnliche Bedeutung wie die Marterln und die Rebretter in Süddeutschland. Auch in Östreich sind sie verbreitet. Über Steinkreuze in Böhmen handeln Urban, Z.f.öst. Volksk. I. 289ff.; Wilhelm ebd. V. 97ff; A. John ebd. III. 79ff; in Salzburg Eysn ebd. III. 65ff. E. M.]
3) Daran ist schwerlich zu denken

Quellen:
(B) = Bösigk (s. oben.)
(J) = Inventarisationswerk mit Angabe der Amtshauptmannschaft.
(N) = Needon (s. oben.)
(Mitt.) = Mitteilungen des Vereins für Sächs. Volkskunde.
(W) = Schreiber diener Zeilen.

(Mitteilungen des Vereins für Sächsische Volkskunde Dresden, 1.Band (1897/99), Heft 11, 1899, S.2-6)

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