Deutschland Sachsen Lkr. Kamenz

Seifersdorf (I)

PLZ: 01454

GPS: N 51° 09.908', O 13° 52.407'

Standort: Nordwestlich vom Ort, an der Straße nach Ottendorf in einem Rasendreieck eines nach Osten abgehenden Verbindungsweges zum Diesdorfer Berg.

Größe / Material: 70:51:25 / Sandstein

Geschichte: Kopf, Arme und Schaft zur Kreuzung zu verjüngend, Armwinkel vollständig vertieft ausgefüllt, so daß der Eindruck einer Kreisscheibe entsteht. SSW-Seite, im Kopf beginnend und auf den Schaft reichend, eingeritzt im Umriß: schwertartige Waffe mit sehr kurzer Parierstange.

Sage:

Quellen und Literatur:
Kuhfahl, Dr. G.A. - Die alten Steinkreuze in Sachsen, 1928, Nr.237
Kuhfahl, Dr. G.A. - Die alten Steinkreuze in Sachsen, Nachtrag, 1936, Nr.255
Müller / Quietzsch - Steinkreuze und Kreuzsteine in Sachsen, Inventar Bezirk Dresden, 1977, S.126-127



Seifersdorf (II)


Abbildung bei
Kuhfahl (1928)

GPS: N 51° 09.770', O 13° 53.095'

Standort: Nordöstlich vom Ort an der "Alten Straße". Am Abzweig der Lindenallee zum ehemaligen Rittergut unter einer einzelnen Linde.

Größe / Material: 108:76:22 / Granit

Geschichte: Es scheint sich hierbei um einen Denkstein zu handeln. Noch gut leserlich sind die scharfgeschnittenen Zeichen ANNO 1678 DEN 22. Allerdings steht als vierte Zeile darunter noch drei bis vier gänzlich verwaschene Buchstaben, daß hier an eine spätere Nachbesserung des lesbaren Teils zu denken wäre.
Im Seifersdorfer Kirchenbuch findet sich unter dem Datum der Inschrift eine Todesmeldung:
"Dem 22. Martii 1678 ist Herr George Hille, Hochadel. Grünrothischer Vorreiter und gewesener Schösser, hinter dem Hochadel. Hoffe vom Pferde mit dem Degen tödlich durchstossen worden, daß Er den 23. dieses darauff selig in seinem Heilande Christo Jesu entschlaffen und den 27. dito alhier Christlich zur Erde bestattet worden, seines Alters 46 Jahre."

Sage:

Quellen und Literatur:
Kuhfahl, Dr. G.A. - Die alten Steinkreuze in Sachsen, 1928, Nr.238
Kuhfahl, Dr. G.A. - Die alten Steinkreuze in Sachsen, Nachtrag, 1936, Nr.256
Müller / Quietzsch - Steinkreuze und Kreuzsteine in Sachsen, Inventar Bezirk Dresden, 1977, S.128
Buchholz, Walter - Die beiden Steinkreuze bei Seifersdorf, in: Neues Archiv für Sächsische Geschichte, Bd.49, 1928, S.323-327



Die beiden Steinkreuze bei Seifersdorf
von Walter Buchholz

Ein Blick auf die Karte in Kuhfahls Buch "Die alten Steinkreuze in Sachsen und seinen Grenzgebieten" zeigt, daß diese alten Wahrzeichen in ganz Ostsachsen verbreitet sind. In drei Gebieten stehen sie aber besonders dicht beieinander: um Pirna, Kamenz und Zittau. In den dazwischen liegenden Streifen findet der Heimatfreund aber auch einzelne Kreuze. So werden die zuerst genannten Gebiete um Pirna und Kamenz verbunden durch Kreuze in Leppersdorf und in Seifersdorf bei Radeberg. Die Karte zeigt aber auch an, daß Seifersdorf sogar zwei solch alte Zeichen auf zuweisen hat. Beide stehen außerhalb des Dorfes an Straßenrändern.
Wer heute von Radeberg nach Ottendorf-Okrilla wandert, kann das eine im Straßengraben, westlich von Seifersdorf, in der Nähe der Kreuzung eines Feldweges mit der alten Dorf­straße finden. Die jetzige Staatsstraße Nr. 14 zwischen Radeberg und Ottendorf-Okrilla ist aber noch nicht sehr alt; sie wurde erst im Anfang der vierziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts gebaut. Sie ersetzte die alte ,"böhmische Glasstraße" oder ,"Salzstraße", wie sie auch hieß. Die oben erwähnte Dorfstraße ist noch ein Rest dieses uralten Weges. Das zweite Kreuz findet man auf der Höhe hinter dem Dorfe, auf dem Steinberg, an einem breiten Feldweg, der auch noch ein Rest der alten Glas- und Salzstraße ist. Beide Kreuze stehen also am Rande des alten Verkehrsweges. Das zuerst genannte ist aus Sandstein, das zweite aus Granit.
Auf dem Sandsteinkreuz erkennt man trotz starker Verwitterung noch einen Hirschfänger. Über seine Aufstellung trug Pastor Hilliger folgende Bemerkung in das Kirchenbuch von Seifersdorf ein: "Am 11. Oktober 1834 ward der Förster Bredemann, ein ungemein tätiger Mann, der allgemeiner Achtung gewesen, am Fuße des Ottendorfer Berges (Heute Diensdorfer Berg genannt nach einem zerstörten Dorf), im Blute schwimmend und ganz schwach gefunden. Nach wenigen Stunden starb er an den Folgen des gehabten Blutsturzes. Der Herr Graf von Brühl auf Seifersdorf (Das Rittergut Seifersdorf ist seit 1747 im Besitze der Familie Brühl, Nachkommen des Premier-Ministers Grafen Heinrich von Brühl) ließ die Stelle durch Setzen einer Linde (Eiche) und eines Kreuzes bezeichnen."
Der Baum ist allerdings schon seit Jahrzehnten wieder verschwunden. Ob das Kreuz erst im Jahre 1834 geschaffen wurde, oder ob es schon vorher lange Zeit an einem anderen Orte stand, mag dahingestellt bleiben. Es wäre möglich, daß es der Graf zur Ehrung des Försters verwendete, da man wahrscheinlich doch keine Erklärung wußte, warum es an anderer Stelle stand. Die Aufklärung des Sachverhalts ist deshalb interessant, weil sie zeigt, daß der auf dem Stein eingehauene Hirschfänger nicht die todbringende Waffe darstellt, sondern den Toten als Förster kennzeichnen sollte.
In das Granitkreuz auf dem Steinberg ist ein Kreuz eingemeißelt und darunter steht in vier Zeilen:

ANNO // 1678 // DEN 22 // MARTII

In diesem Frühjahr vollendeten sich also 250 Jahre, daß hier oben auf luftiger Höhe ein Verbrechen begangen wurde, zu dessen Erinnerung dann der Gedenkstein gesetzt wurde. Einsam ragt hinter ihm ein Baum gen Himmel; niemand weiß, wer ihn gepflanzt, obwohl er noch nicht gar so alt ist.
Der Volksmund erzählt von der Bluttat: Ein Ritter Grünrod, der Besitzer des Schlosses und Rittergutes Seifersdorf (Das Schloß und Rittergut Seifersdorf war von 1585-1746 im Besitze des Geschlechts von Grünrod. Von 1465-1585 besaß es die Familie von Haugwitz.), hat an dieser Stelle im Zorn seinen Pferdeknecht erstochen, weil er zu irgendeiner Gelegenheit die Pferde zu spät gebracht habe.
Diese Erzählung ist urkundlich nicht nur nicht zu beweisen, sondern das Kirchenbuch von Seifersdorf berichtet von diesem Morde:

"Den 22. Martii ist H. George Hille, Hochadelig Grünrothischer Vorreiter und gewesener Schößer zu Thieme, von Thümmeln uf Schmoelln, einem Lausizischen von Adel, hinter den Hochadeligen Hoffe vom Pferde mit dem Degen tedtlich durchstoßen worden, daß er den 23. dieses darauff selig in seinem Heilande Christo Jesu entschlaffen und den 27.dito alhier christlich zur Erde bestattet worden, seines Alters 46 Jahre. Text: Luc. 23, 46."

Richtig ist also in der Volkserzählung, daß ein im Dienste des Herrn von Grünrod stehender Mann erstochen wurde. Der Besitzer des Schlosses war damals der Ritter Johann Ulrich von Grünrod, der 1682 im Alter von fast 55 Jahren starb. Der Getötete hieß George Hille (Nicht George Müller, wie W. von Boetticher in seiner „Geschichte des Oberlausitzischen Adels und seiner Güter 1635 bis 1815" II, 994!, schreibt.). Hille war Grünrodischer Vorreiter, vordem aber Schösser, d. h. Steuereinnehmer, Rentmann in Thieme gewesen. In dem wesentlichsten Punkte weicht aber die Volksüberlieferung von dem Eintrag des Kirchenbuches ab. Der Täter war nicht der von Grünrod, der Herr selbst, sondern der lausitzische Adelige Hans Wolf von Thümmel, dessen väterliches Gut in Schmölln (bei Bischofswerda) stand.
Hans Wolf von Thümmel kaufte und verkaufte in den Jahren 1643-1659 mehrere Güter in der Lausitz, so in Lehn (nordwestlich von Bautzen), in Friedersdorf ("drei Meilen von Budissin entfernt, nach der Herrschaft Hoyerswerda zu gelegen") und sein Familiengut in Schmölln.
Er ist nun der Mörder des Hille gewesen. Im II. Buch der Oberlausitzischen Lehnsachen 1686-1709 (HStA. Dresden Loc. 9548) heißt es fol.187 unter dem 28. März 1678:

"Der Cammerherr H. Hanns Ulrich von Grünrod zu Seiffersdorff hat die von Hanns Wolffen von Thümmel zu Schmollen an gemelten von Grünrods Diener vorsezlich und boshafter Weise verübte Mordthat anhero denunciret."

Was für den Mörder der Grund war, dieses Verbrechen zu begehen, hat sich noch nicht feststellen lassen. Nach seiner Tat hatte er die Flucht ergriffen. Wie man ihn - auf Grund der eben erwähnten Anzeige des Grünrod - Vergebens suchte, das berichtet uns der "Hoff- und Landrichter" an derselben Stelle:

"Daß er (Thümmel) zwar des Sonnabends zu Nacht, als selbigen Tages vor Mittag umb 10. Uhr der Verwundete verstorben, nach Hauße kommen, sein Unglück berichtet und sich bald wieder davon gemachet. Und gehet die Rede, ob wäre er des Sonntags früe durch Neukirch und Cuhnewalde in Böheimb geflüchtet...."

Ein ausführlicherer Bericht wurde am 5. April 1678 von Hannß Henning von Blanckenfeldt an den Oberamts Verwalter des Marggraffthumbs Ober-Lausitz gegeben, der auch in dem oben genannten Aktenstück, Seite 188, zu finden ist. Zunächst berichtet der Schreiber über den Ritt "von Budissin nacher Schmollen": daß

"wegen des eingefallenen starken Regenwetters undt bösen Weges der Ohrt selbigen Abends nicht zu erreichen gewesen";
daß man aus diesem Grunde hat,
"in der Schencke zu Gaußig über Nacht verbleiben müßen.... sich des darauf folgenden Montag früh morgens.... in der Stille nacher Schmollen begeben.... dann daselbst ohngefehr halb sechs Uhr Vormittags angelanget, alsobaldt auf des von Tümmels seinen Hoff zugeritten undt abgestiegen"

ist. Nach dieser sehr ausführlichen Einleitung schreibt Blanckenfeldt nun über die Haussuchung, die in Schmölln vorgenommen wurde:

"Ob ich nun wohl, dem Oberambtsbefehlegemäs, durch die Landtgerichte, Landtreuter und zugegebene junge Bürger den von Tümmel im Hoffe, auf n Böden undt in den Zimmern hin undt her undt fast überall aufsuchen laßen, so ist er doch nirgends anzutreffen gewesen, sondern wird von seiner Frauen undt Kindern mit großen Weinen undt Wehklagen, wie auch von den Dienstbothen im Hause undt ändern Personen mehr berichtet worden, daß er zwar verschienen Sonnabend Abends nacher Hause kommen, undt daß er dieses Unglück gehabt, ihnen geklaget, habe sich aber nicht lange auffgehalten, sondern sey stracks wieder fortgeritten, wohin aber, wüsten sie nicht."

Für seine Tat erhielt Thümmel eine empfindliche Strafe, wie er selbst einmal in einem Briefe an den Kurfürsten am 5.Februar 1692 schrieb (HStA. Loc. 9548, Seite 201):

"...Gleichwohl ist mir wegen dieses, ...nach eingehohlte Urthel, diese Verweisung zuerkannt worden. Nachdehm aber diese Verweisung vermöge der Rechte weiter nicht, alß auff Ew. Churf. Durchl. alte Erblande, keines weges aber auff dero hiesieges Marggraffthumb zu extendrren gewesen, alß habe mich seithero die ganze Zeit hiesigen Orthen und auff meinem Guthe Schmoellen ohne Hinderung geruhiglich auffgehalten, der gänzlichen Meinung, das Landt Meissen weiter nicht zu betretten."

Oft bat Thümmel den Kurfürsten, doch die angeordnete Landesverweisung aufzuheben und in eine Geldstrafe zu verwandeln. Aber der Landesherr lehnte die Gesuche zunächst immer ab. Er bestimmte nach einem Gutachten seines Kanzlers und seiner Räte,

"....daß die erkannte ewige Landes-Verweisung in der Stille nach bisherigem bei denen von Adel gebrauchten modo exequirt werde."

Seine letzten Jahre verbrachte Hans Wolf von Thümmel nach den Worten einer Gedächtnisschrift, die am 17. September 1699 in den Turmknopf der Kottmarsdorfer Kirche gelegt wurde, "in den Obergärten an der Ebersbachischen Grenze wohnende".
An derselben Stelle heißt es noch: "Hans Wolf v. Timmiau hatte vormals zu Schmollen gewohnt, doch als er einen Schösser auf dem Felde daselbst (das stimmt also nicht!) entleibet, hat er nach Ausführung seiner Sache und erlangter Landes-Huldigung endlich seinen Aufenthalt alhier gehabt, alt dieser Zeit 8l Jahre."
Er war also im Jahre 1618, am Anfange des Dreißigjährigen Krieges, geboren. An der allgemeinen Erbhuldigung des Oberlausitzer Adels, die am 5. März 1681 im Schlosse Ortenbürg stattfand, konnte Hans Wolf von Thümmel nicht teilnehmen, da er des Landes verwiesen war. Er selbst behauptete allerdings, sein Sohn habe sich für ihn an dieser Feier beteiligt. Trotzdem hat er später die Huldigung noch nachgeholt.
Über seine Tat erklärt er selbst in dem oben er wähnten Briefe vom 5. Februar 1692 an den Kurfürsten (Oberlausitzer Lehnssachen n. Buch Seite 201): Ich bin

"...durch Gottes Verhängmiß in ein unverhofftes Unglück gerathen, indehm George Hülle zu Seiffersdorff nicht sowohl durch mich, alß seine eigene wiederwertige Unvorsichtigkeit entleibet worden."

Dies sind die urkundlichen Zeugnisse, die von dem Mord auf dem Steinberg berichten, der die Veranlassung war, daß das Steinkreuz dort aufgestellt wurde. Ob nun die Herrschaft, der Herr von Grünrod, das alte Wahrzeichen setzen ließ, um den Mitmenschen und Nachkommen das Vergessen zu erschweren, oder ob der Mörder selbst ein Sühnekreuz errichten mußte, ließ sich noch nicht feststellen, ist vielleicht auch nicht mehr zu ermitteln; jedenfalls liegt hier aber ein authentischer Beweis für die Eigenschaft als Mordkreuz vor.
(Neues Archiv für Sächsische Geschichte, Bd.49, 1928, S.323-327)


Sühnekreuze & Mordsteine