Deutschland Sachsen Lkr. Freiberg

Clausnitz

PLZ: 09623

GPS: N 50° 45.138', O 13° 29.785'

Standort: Am nördlichen Dorfausgang, Bei Haus Nr. 39, zwischen Dorfstraße und Bach.

Größe / Material: 65:130:90-120 / Felsblock

Geschichte: Wird hier "Blutstein" genannt. Eingeritzt ist ein Kreuz mit Bogen über dem Kopf und Armen. In den von den Balken des Kreuzes gebildeten vier Feldern die Inschrift:
D.8, JULII AN 1563 W. UHLE PASTOR G. BIBER IUDEX
Links unten ist ein Hammer, rechts unten ein Totenkopf eingeritzt.
Der Stein hält die Erinnerung daran wach, daß der Pastor des Ortes, W. Uhle, der Nachmals als "Pestpfarrer von Annaberg" bekannt wurde, hier den Ortsrichter G. Biber im Zorn erschlug. Eintrag im ältesten Taufregister der Gemeinde Clausnitz (im Staatsarchiv Dresden) vom Pfarrer Nicolaus Heinrich, dem Amtsnachfolger Uhles:
"Anno 1563 Jare, den 10. Julij, welcher war den Sonnabent nach Kiliani, ist der Richter zu Clausnitz Geörge Biber, von dem pfarner doselbst Herr Wolff Ullen genannt, mit einem spitzigen Husseerischen Hammer, welcher des Richters gewesen, erschlagen worden, unten im Dorff beij der Schmelzhütten."
Der historische Stoff wurde literarisch in G. Buschs Buch "Der Pestpfarrer von Annaberg" behandelt.
Der Stein stand bis in die 1920er Jahre gegenüber dem heutigen Standort jenseits der Straße auf nassem Wiesengelände. (Wendt 1979)

Als Pfarrer sind seit der Reformation hier angestellt worden:
1.) Gregor Neubert, ….
2.) Wolfgang Uhle, von Elterlein, wurde 1558 hier Pfarrer. Am 10. Juli 1563 erschlug er im wild auflodernden Jähzorne den Ortsrichter, Georg Biber, mit einem Hammer. Fünf Jahre irrte er nach dieser That als Geächteter in den böhmischen Waldungen umher. Bei dem Ausbruche der Pest in Annaberg im Jahre 1568 ließ er dem Rathe daselbst sagen, daß er sein Leben dem Troste der Pestkranken opfern wolle, wenn er begnadigt würde. Der Churfürst August begnadigte ihn auch wirklich unter der Bedingung, daß er seines Berufs als Pestprediger treu warte, und der Geächtete kehrte frei in das Vaterland zurück, begab sich stündlich in Gefahr des Todes, denn 2228 Personen starben in Annaberg, aber unberührt blieb er von der Pest. Später wurde er Prarrer zu Breitenbrunn, wo er bis zum Jahre 1594 lebte und hier am Altare von einem Schlagflusse getroffen, plötzlich todt niedersank. (Sachsens Kirchen-Galerie 1837)

Sage:

Quellen und Literatur:
Kuhfahl, Dr. G.A. - Die alten Steinkreuze in Sachsen, 1928, S.165
Wendt, Hans-Jochen - Steinkreuze und Kreuzsteine in Sachsen / Inventar Bezirk K.-M.-Stadt, 1979, S.47-48
Sachsens Kirchen-Galerie. Zwölfter Band. Die Schönburgischen Receßherrschaften nebst den Ephorien Annaberg, Marienberg und Frauenstein. Dresden: Hermann Schmidt, 1837ff.; S.176; Verfasst von Adolf Hermann Terne (seit dem 5.11.1844 Pfarrer zu Clausnitz)
Pollmer, Karl-Hans - Wolfgang Uhle, der Pestpfarrer von Annaberg / Dichtung und Wahrheit, in: Erzgebirgische Heimatblätter, Nr.4, 1980, S.93-95
Ergänzungen von Andreas Schumann, Reichenbach



Das Halsgericht... zu dreien Malen...
Wolfgang Uhle, der Pestpfarrer von Annaberg / Dichtung und Wahrheit
von Karl-Hans Pollmer, Dresden

Der Blutstein Uhles in Clausnitz

Der Mann hat von sich reden gemacht: durch die Untat, die er auf sein Gewissen geladen und danach durch die nicht alltägliche Weise, auf die er sie gesühnt hat. Er ist als der "Pestpfarrer von Annaberg" in die Geschichte des Erzgebirges eingegangen. Gertrud Busch, die vor 10 Jahren in Dresden verstorbene Schriftstellerin, hat ihm ein literarisches Denkmal gesetzt: Wolfgang Uhle, "Wolff Ullen", wie ihn eine Chronik nennt. Ihr Buch über ihn, 1939 erstmals im damaligen Glückauf-Verlag-Schwarzenberg und nach dem Kriege in zahlreichen Auflagen bei der Evangelischen Verlagsanstalt Berlin erschienen, wurde zu einem Bestseller heimatlichen Schrifttums. Um gleich klarzustellen: Der 1972 vom Akademie-Verlag Berlin herausgegebene Band 20 der Reihe "Werte unserer Heimat" - "Um Aue, Schwarzenberg und Johanngeorgenstadt" von Dr. Sieber spricht von "Aufzeichnungen des Pfarrers Wolfgang Uhle ... von Gertrud Busch herausgegeben" (S.156). Hier irrt der Autor. Mir liegt ein handgeschriebener Brief von Frau Busch vom Jahre 1944 vor, in dem sie schreibt: "Das kleine Vorwort" - gemeint ist der Anfang ihres Buches:
"Dies ist die wahrhafte Geschichte des Magisters Wolfgang Uhle, Pfarrer zu Breitenbrunn St. Annaberger Inspektion, von ihm selbsten aufgezeichnet und vom Herausgeber dem heutigen Deutsch angeglichen" - "gehört schon zur Dichtung. Eine Chronik des Pfarrers Uhle ist nicht vorhanden, aber der Mann hat gelebt, der Todschlag, den er begangen, die Ächterjahre in den erzgebirgischen Wäldern, die Tätigkeit als Pestpfarrer in Annaberg, das Pfarramt in Breitenbrunn sind geschichtliche Tatsachen".

Uhle-Gedenkstein in Breitenbrunn

Ein Eingeständnis, das für die Schriftstellerin G. Busch spricht. Denn sie hat es meisterhaft verstanden, das Leben und Schicksal ihres Helden wie von ihm selbst erzählt, darzustellen. Wobei sich freilich über das Wagnis ihres dergestalteten Vorwortes streiten ließe. Eine Quelle, die G. Busch benutzt haben könnte, wenn überhaupt so zu bezeichnen, könnten ein paar Sätze in einem 1928 erschienenen Mitteilungsheft des damaligen Landesvereins Sächsischer Heimatschutz "Marterln in Sachsen" von Dr. Stephan, Freiberg, gewesen sein. "Das älteste Marterl dieser Art ist unseres Wissens der sogenannte Blutstein, der im untern Teile des Dorfes Clausnitz bei Bienenmühle dicht an der Dorfstraße im Graben liegt, ein großer Steinblock, in dem ein viergeteilter Kreis eingemeißelt ist, worin noch die Buchstaben und Worte zu lesen sind: D. 8 Judex A N 1563 - W. Uhle Pastor - G. Biber, und ein Gegenstand wie ein Hammer unter dem Namen Biber abgebildet ist. Wolfgang Uhle aus Elterlein war seit 1558 Pfarrer in Clausnitz. Im Jahre 1563 schlug er den Ortsrichter Biber mit einem Hammer nieder, weil er, wie eine alte Chronik erzählt, an diesen im Spiele sein Geld verloren hatte. Uhle büßte später, vom Kurfürsten August begnadigt, den Mord durch aufopfernde Tätigkeit während der in Annaberg wütenden Pest.
In einem "Verzeichnis der evangelisch-lutherischen und römisch-katholischen Geistlichen der freien Bergstadt St. Annaberg seit ihrem Bestehen" wird (S.39) auch Uhle erwähnt: geboren in Elterlein, gestorben in Breitenbrunn 1594 vor dem Altar; 1558 Pfarrer in Clausnitz b. Freiberg, erschlug am 10.7.1563 den Richter Georg Biber in Clausnitz mit einem Husarenhammer, floh, mußte das dreimalige Halsgericht über sich ergehen lassen, nach seiner Begnadigung Pestprediger in Annaberg, 1568 Pfarrer in Breitenbrunn."
Das Heft ist 1939, also im selben Jahr wie erstmals G. Buschs Buch, erschienen. Die knappen Bemerkungen im Verzeichnis decken sich mit G. Buschs ausführlichen Darlegungen. Um einen Gedenkstein - nicht Marterl - geht es auch bei dem vor einigen Jahren vor der Kirche in Breitenbrunn aufgestellten Stein. Mit Fug und Recht dort. Denn Uhle ist 1594 als zweiter der Pfarrer der 1559 erbauten Christophoruskirche in Breitenbrunn gestorben. Bewegtes Leben, dramatisches Schicksal - was wissen wir wirklich?

Die Dorfkirche von Breitenbrunn

Tatsachen sind, daß W. Uhle, aus Elterlein stammend, als Pfarrer in Clausnitz den Dorfrichter Biber erschlug, dafür hart verurteilt wurde (G. Busch: "Es sei das Halsgericht über mich ergangen zu dreien Malen in meiner Abwesenheit und ich in die Acht getan, genommen von allem Rechte..."), in die böhmischen Wälder flüchtete und sich damit dem Richterspruch entzog, 1568, wohl auf sein eigenes Ersuchen hin, als Pestprediger nach Annaberg kam, wo damals über 2000 Menschen starben, an einem Tag zuweilen 20 - das Pesttor beim Annaberger Trinitatisfriedhof erinnert noch heute an jene Zeit - danach endgültig rehabilitiert und nach Breitenbrunn ins Pfarramt berufen wurde, wo er in dem erwähnten Jahr starb.
Unklar sind und Raum zu vielen Spekulationen lassend, das Motiv für Uhles Tat in Clausnitz, die "Ächterjahre", wie G. Busch die Jahre in den böhmischen Wäldern nennt, Einzelheiten über das Pest jähr in Annaberg und über die Jahre in Breitenbrunn, hier vor allem, wie die Gemeinde zu dem Manne stand, der einen Mord begangen hatte und nun ihr Pfarrer und Seelsorger war. Es wurde schon gesagt: Verlust im Spiel sei das Tatmotiv gewesen. G. Busch läßt eine überaus reizend dargestellte Liebesgeschichte mitspielen. Dennoch: Das über Uhle ergangene Urteil ist ungewöhnlich hart und wirft Fragen auf. 1506 hat der Maler Hans Hesse in Annaberg (u.a. Bergbaugemälde in St. Annen) in einem Streit den Goldschmied Hans Seyffert getötet. Er wurde des Landes verwiesen - in seinem Falle ein "Katzensprung" nach dem nahen Buchholz, das nicht mehr zum Herzogtum, sondern zum Kurfürstentum Sachsen gehörte - und mit Sühnemaßnahmen belegt. Es ist bekannt, daß in damaliger Zeit hohes, wenn nicht höchstes Strafmaß auf Veruntreuung des landesherrlichen Erzes angewendet wurde. Spielte ein solches Vergehen bei Uhles Auseinandersetzung mit Biber eine Rolle? War er selbst dessen schuldig? Hatte er den Richter einer solchen Schuld bezichtigt und dessen Rache heraufbeschworen? Fragen, auf die kaum definitive Antwort gegeben werden kann. Wie gesagt, sie und anderes mehr lassen Spielraum zum Fabulieren. Gertrud Busch hat reichlich davon Gebrauch gemacht und damit der Heimatliteratur eines ihrer schönsten Werke geschenkt. Breitenbrunn begeht nun seine 600-Jahrfeier. 1380 wurde der Ort, bzw. das Bergwerk "zum breitinprun" erstmals urkundlich erwähnt. Zu den "großen", bedeutenden Männern des heute weithin bekannten Urlauberortes zählt der Mörder und Pestprediger Wolfgang Uhle nicht. Aber er hat mit seiner turbulenten Lebensgeschichte auch den Ort, wo er 25 Jahre lang als Pfarrer amtierte, berühmt gemacht. Übrigens: Er ist dort gestorben - nach G. Busch: "mitten in Ausübung seines Amtes, da er vor dem Altare stund, vom Schlag getroffen niedergestürzet" - wo sein Grab gelegen, weiß niemand.
(Erzgebirgische Heimatblätter, Nr.4, 1980, S.93-95)


Sühnekreuze & Mordsteine