Deutschland Rheinland-Pfalz Lkr. Alzey-Worms

Ober-Saulheim / OT von Saulheim


Zeichnung bei
Jung (1939)

Abbildung bei
Frölich (1938)

PLZ: 55291

GPS: N 49° 51,234', O 8° 08,665'

Standort: Südöstlich von Ober-Saulheim in einer kleinen Grünanlage an der L 401.
In der Top. Karte eingetragen als "Langer Stein, KD".

Größe / Material: 370:145:? / Kalkstein

Geschichte: Der Menhir steht an der alten "Kaiserstraße", die Paris mit Kaiserslautern und Mainz verbindet. Diese Straße soll bereits durch Karl den Großen angelegt worden sein, zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde sie von Napoleon ausgebaut.
In den Stein ist eine Nische eingehauen, in der ein modernes Marienrelief angebracht ist.

   Wenn hier die Beziehungen dieser Steine zum Rechtsleben untersucht werden sollen, so ist vor allem auf die Bedeutung des Ober-Saulheimer Monolithen einzugehen. Säulenartig ragt der 2,50m hohe und 1,45m breite Stein an der Hauptstraße Mainz - Wörrstadt - Alzey auf dem Feldweg nach der Udenheimer Bergkirche, 1km südöstlich von Ober-SauIheim, weithin sichtbar empor. In der Nähe des "Langen Steines" stand früher noch ein kleinerer, oben ausgehöhlter Stein, im Volksmund "Des Teufels Suppenschüssel" genannt. In dem "Langen Stein" selbst ist heute oben ein Heiligenhäuschen eingehauen. Die Flur heißt "Der Lange Stein".
   Ein Kranz von Sagen hat sich um den Stein gebildet. So soll der Stein jeden erschlagen, der ihn umzulegen versucht. Nach einer anderen Sage soll der Teufel aus Zorn darüber, daß der Ort eine Kirche erhalten sollte, den Stein vom Donnersberg nach der Kirche geschleudert, diese jedoch nicht getroffen haben. Noch heute führt der Stein den Namen "Teufelsstein".
   Der Stein ist uns als Ort eines späteren Grafengerichts, des "Landdings am Langen Stein", urkundlich bezeugt. Im Jahre 1274 entschieden Philipp von LTohenfels und Embricho von Randekin unter Vermittlung Gerhards Truchsessen von Alzey Streitigkeiten zwischen Rheingraf Syfrid und Wolfram von Lewinslein wegen der beiderseitigen Rechte in Wörrstadt. Danach sollte Wolfram von Lewinsiein in der Pfalz das Vogteigericht in Zivilsachen und geringeren Angelegenheiten innerhalb der Dorfzingeln haben, während das "Landding am Langen Stein" auf dem Felde damals dem Rheingraf Siegfried zustand und zwar wegen seiner "Cometia". Es ist somit an ein Grafengericht im älteren Sinne zu denken, das mit dem Landding am Langen Stein verbunden war. Das heute im Privatbesitz befindliche Feld um den Langen Stein war ursprünglich in Gemeineigentum der umliegenden Dörfer, von denen hier Ober- und Nieder-Saulheim, Udenheim, Schornsheim und Wörrstadt zusammenstoßen, In späterer Zeit fiel es der Gemarkung Ober-Saulheim zu. Das Landgericht selbst war immer im Besitz des Wildgrafen, des unmittelbaren Nachfolgers des Gaugrafen des Nahegaues.
   Bei der Betrachtung der örtlichen Lage des Ober-Saulheimer Monolithen fällt auf, daß sich die Gerichtsstätte an einer Stelle befand, an der mehrere Gemeinden zusammenstießen. (Höfel 1940)

[...] Die Steine sind keineswegs durchweg Grenzsteine für Gemarkungs- oder Gaugrenzen. Der Obersaulheimer war "Mittelpunkt des Landgerichts am langen Stein". Ein Kranz von Sagen flocht sich um ihn und das Unglück, das bei einem Versuch, ihn zu schleifen, weil der Eigentümer des Ackers, auf dem er stand, den Stein zu Schotter schlagen lassen wollte, in der Weihnachtszeit 1883 zwei Beteiligten das Leben kostete, lebt im Gedächtnis der Gegend: "Der Stein erschlägt jeden, der ihn umzulegen versucht". (Jung 1939)

   Wenn die geschilderten Zusammenhänge zwischen den Orten der Totenbestattung, den Kult- und Opferplätzen unserer Vorfahren, sowie den alten Gerichts- und Richtstätten richtig gesehen sind, so reichen die Anfänge der Entwicklung schon weit in die vorgeschichtliche Zeit zurück. Es fragt sich daher, ob nicht Spuren vorhanden sind, die nach dieser Seite hin ausgewertet werden können. Unwillkürlich lenkt sich der Blick des Beobachters auf die einsam aufragenden Steine, die in der Wissenschaft als Menhire bekannt sind. Derartige Steine muß es nach den vorliegenden Untersuchungen in Hessen und den anstoßenden Ländern in überaus großer Zahl gegeben haben, obwohl die Erinnerung an sie vielfach nur in Flurnamen nachklingt. Immerhin ist auch heute noch eine stattliche Reihe von ihnen erhalten. Im Volksmunde tragen sie die Bezeichnung Hinkelsteine, Hühnersteine, Hünensteine, Wendelsteine, Spindel- oder Kunkelsteine. Oder sie werden nach ihrer Gestalt oder der Farbe des Gesteins als lange, hohe, weiße, graue Steine oder in ähnlicher Art benannt.
   Von ihnen sind wohl die gewaltigsten der sogen. Gollenstein bei Blieskastel an der Saar und der nicht weit davon entfernte Spillstein oder Spindelstein in Rentrich bei Saarbrücken. Aus Rheinhessen kommt neben einer Reihe kleinerer und mittlerer Steine, wie etwa der von Armsheim, Monsheim, Nierstein, Heßloch oder Gumbsheim, vor allem der Lange Stein von Ober-Saulheim (Wörrstadt) in Betracht. (Frölich 1938)

Sage: 1. Als man den Stein beseitigen wollte, kamen zwei Männer ums Leben. Seither geht die Sage, daß der Stein jeden erschlägt, der ihn umzulegen versucht.
2. Eine andere Erzählung berichtet, daß der Teufel den Stein vom Donnersberg her nach dem Ort Wörrstadt geschleudert habe, als er merkte, daß daselbst eine Kirche gebaut werde.

Quellen und Literatur:
Frölich, Karl - Stätten mittelalterlicher Rechtspflege auf südwestdeutschem Boden, besonders in Hessen und den Nachbargebieten, in: Arbeiten zur rechtlichen Volkskunde, Heft 1, 1938, S.10-11
Jung, Erich - Germanische Götter und Helden in christlicher Zeit, 1939, S.135
Höfel, Dr. Otto - Rechtsaltertümer Rheinhessens, 1940, S.2-3
Gödel, Otto - Der "Lange Stein", in: Menhire, 1987, S.130, Nr.38
recherchiert und bebildert von Rudolf Wild, Annweiler-Queichhambach



Nr.38. Obersaulheim, Kr. Worms-Alzey
Der "Lange Stein"
Flurname: Am Langen Stein
Material: Kalkstein
Abmessungen: Höhe 3,70 m, Breite 1,45 m
Standort: Südöstlich von Obersaulheim, 50 m östlich der Kaiserstraße,
Meßtbl. 6114 Wörrstadt r. 38 560, h. 24 500.

Der bekannteste Monolith Rheinhessens steht heute in der Gemarkung von Obersaulheim. Der Standort befindet sich inmitten eines größeren Eigenbezirks, welcher die Thingstätte eines alten Gaugerichts war. Erst nach Auflassung dieser Gerichtsstätte, ist sein Bezirk an die umliegenden Ortschaften gefallen, wobei Obersaulheim wohl den größten Anteil erhalten hat.
Das Gericht selbst dürfte ein altes Grafengericht gewesen sein, das die hohe und niedere Gerichtsbarkeit umfaßte, also ein Gericht der alten Gauverfassung, wie das Gaugericht im Stumpfwald bei Alsenborn. Es war immer im Besitz der Wildgrafen, der unmittelbaren Nachfolger der Gaugrafen des Nahegaues, aufgrund der ihnen vom Reich verliehenen Landgrafschaft zwischen Mainz und Trier. Es wurde aber fast immer weiterverliehen, teils an die Rheingrafen, teils an Adelige.
Noch im Jahre 1274 entschieden Philipp von Hohenfels und Embricho von Randeck, unter Mitwirkung Gerhards Truchsessen zu Alzey, Streitigkeiten zwischen Rheingraf Syfried und Wolfram von Löwenstein wegen der beiderseitigen Rechte zu Wörrstadt. Danach sollte Wolfram von Löwenstein in der Pfalz das Vogteigericht in Zivilsachen und der geringen Angelegenheiten innerhalb der Dorfzingeln haben. Das Landthing am "Langen Stein" blieb aber dem Rheingrafen Siegfrid, das ihm wegen seiner Cometia (= Grafenrechte) zustand. Das Gericht wurde später nach Wörrstadt verlegt. Es bestand aus sechs Schöffen und zwei Schultheißen, von denen der eine von den Rheingrafen, der andere von den Herrn von Löwenstein gestellt wurde.
1883 wurde der Versuch unternommen, den Stein zu schleifen. Dabei kamen zwei Männer ums Leben. Seither geht die Sage, daß der Stein jeden erschlägt, der ihn umzulegen versucht. Eine andere Erzählung berichtet, daß der Teufel den Stein vom Donnersberg her nach dem Ort Wörrstadt geschleudert habe, als er merkte, daß daselbst eine Kirche gebaut werde. Doch der Fels sei darüber hinweggeflogen und an dieser Stelle stecken geblieben. Diese Sage wird landauf, landab auch von anderen Steinen und Felsen in vielen Variationen erzählt.
In der Nähe des Langen Steins soll ein weiterer Monolith gestanden haben, der wegen einer Vertiefung auf seiner Oberseite von der Bevölkerung des "Teufels Suppenschüssel" genannt wurde. Es ist jedoch zu vermuten, daß es sich bei ihm um den Sockel eines Holzkreuzes gehandelt hat und nicht um einen vorgeschichtlichen "Opferstein", wie verschiedentlich angenommen wurde. Denn das Kreuz gehörte zur mittelalterlichen Gerichtsstätte, wie zum. Markt und zur Marktfreiheit.
Im Stein befindet sich eine spätgotische Nische, in der wohl ein Christusbild gestanden hat. Zu dessen Bedeutung verweise ich auf das unter Abschnitt "Mittelpunktsteine" der mittelalterlichen Gerichtsplätze Gesagte. Zu bemerken ist noch, daß sich in der Nähe dieser Thingstätte mehrere alte Straßen kreuzten, und sich wohl deshalb der Gerichtsplatz hier befand.

Quellen:
E. Klug, Wörrstadt, Geschichte einer kleinen Stadt, 1972. Hier ist die Urkunde von 1274 abgedruckt
H. Kirchner, Die Menhire Mitteleuropas und der Menhirgedanke
O. Höfel, Rechtsaltertümer Rheinhessens, 1940
E. Wörner, Beiträge zur Würdigung der unter dem Namen Hinkelstein, Spindelstein, Gollenstein, Lange Stein usw. vorkommenden monolithischen Denkmale, Correspondenzblatt des Gesammtvereins der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine 1877 und 1878
G. Durst, Die Monolithe der Provinz Rheinhessen, Mainzer Zeitschrift, 1928
W. Fabricius, Die Herrschaften des unteren Nahegebietes, 1914
F. Kofler, Die Hinkelsteine und Langesteine im Großherzogthum Hessen.
Correspondenzblatt des Gesammtvereins d. d. Gesch. und Al-tertumsvereine, 1888

(Gödel, Otto - Menhire, Speyer 1987, S.130.f.)


Sühnekreuze & Mordsteine