Deutschland Rheinland-Pfalz Lkr. Mainz-Bingen

Kempten / OT von Bingen am Rhein


Aufnahme von
1973, VÖ bei
Schnabel (1980)

PLZ: 55411

GPS: N 49° 57,272', O 7° 57,062'

Standort: Im Weinberg an der Gemarkungsgrenze zu Ockenheim, südlich des Feldweges.

Größe / Material: 192:88:24 / Sandstein

Geschichte: In die Schnittfläche der Balken sind zwei diagonal verlaufende Linien eingeritzt. Auf der Rückseite der Querbalken befinden sich mehrere Risse, so dass Teile des Armes abzubrechen drohen.

Das Kreuz steht in unmittelbarer Nähe der Gemarkungsgrenze von Bingen-Kempten und Ockenheim, etwa 12m von der früher viel begangenen "Ockenheimer Straße" entfernt, welche diesen Ort mit Bingen verband. Ihn sollen auch die Ritter von Ockenheim benutzt haben, wenn sie nach Bingen oder Kempten ritten. Um dabei ihre friedliche Absicht kundzutun, machten sie ihre Schwerter am Kreuz stumpf, wovon heute noch die Wetzrillen zeugen. Die rühren jedoch daher, daß man vom Steinkreuz bei Bingen-Kempten wie auch von anderen rheinhessischen Malen (vgl. das verschwundene Steinkreuz bei Hillesheim; das Steinkreuz bei Offenheim, die Rückseite des Kreuzes auf dem Rommersheimer Feld, und die Erwähnungen im Inventar unter "Besonderheit") heilkräftiges Steinpulver als Arzneimittel abschabte, um es kranken Menschen und Tieren unter die Speise zu mischen. (Schnabel 1980)

Sage: Das Kreuz selbst wurde nach der Sage aus verschiedenen Gründen errichtet: "Wenn sich im Frühjahr das erste Gras zeigt, gehen die Kinder in Kempten zu drei und vieren hinaus aufs Feld, um zu grasen. Sind sie mit ihrer Arbeit zu Ende, so wird alles Gras auf einen Haufen zusammengetragen und darüber gesichelt. Das heißt jedes Kind wirft seine Sichel nach dem Haufen; dasjenige aber, dessen Sichel senkrecht stecken geblieben ist, hat dadurch das gesamte Gras erworben. Als einst die Kinder von Kempten wieder gesichelt hatten, warf eines der verlierenden Kinder, dem, das gewonnen hatte, die Sichel wider den Kopf, daß das getroffene Kind blutüberströmt und tot zusammensank. Kaum war dies geschehen, da wurde auch schon das jähzornige Kind von Reue erfaßt, daß es voll Verzweiflung seine Sichel nahm und sich selbst den Hals abschnitt. An dem Ort, wo dieses geschehen ist, stand ehedem ein alter Nußbaum. Er beschattete ein Steinkreuz ohne Inschrift, auf dem aber das Jahr eingehauen war, in dem sich diese Vorfälle ereignet haben".
Nach einer anderen Lesart sollen zwei Frauen aus dem gleichen Grund in Streit geraten sein, wobei die eine die andere mit der Sichel tötete.
An dieser Stelle soll einstmals eine Gruppe mit Wagen und Menschen in ein furchtbares Gewitter mit Hagel geraten sein. Als Dank für die Errettung aus furchtbarer Not wurde von den überglücklichen Menschen dann das Kreuz errichtet. Die Gewann sei danach 'Hahlekreuz' (versprochen aus 'Hagelkreuz') genannt worden". Während die letzte Überlieferung den Namen des Mals – es heißt nämlich Hagelkreuz – erklären soll, sind die beiden anderen Wandersagen, die in ähnlicher Form auch von dem Steinkreuz bei Lörzweiler erzählt werden.
Keine der drei Versionen gibt somit den tatsächlichen Anlaß wieder, der zur Errichtung des Males führte. Seine Größe und sorgfältige Ausführung lassen den Schluß zu, daß es zur Erinnerung an einen Adeligen oder Geistlichen errichtet wurde, der hier tödlich verunglückte oder ermordet wurde. Sie widersprechen wohl auch der ursprünglichen Funktion des Hochkreuzes als Hagelkreuz, die es nach den Eintragungen des 1726 angelegten Gemarkungsbuches von Kempten hatte. Hier wird es das "Hahl Creitz in der grum gewann" genannt. Seit wann die Bewohner das Mal als Hagelkreuz ansahen, das die Kemptener Gemarkung vor Gewittern schützen sollte, ist nicht bekannt. Denn leider konnten von diesem bedeutendsten mittelalterlichen Steinkreuz Rheinhessens trotz vielfältiger Bemühungen keinerlei Nachrichten aus der Zeit vor 1726 gefunden werden. (Schnabel 1980)

Quellen und Literatur:
Schnabel, Berthold - Die Steinkreuze in Rheinhessen, 1980, S.148, Ziff.6.1
recherchiert und bebildert von Rudolf Wild, Annweiler-Queichhambach


Sühnekreuze & Mordsteine