Österreich Wien 10. Bezirk - Favoriten

Favoriten / OT von Wien


Tafel am Fuß

Abbildung bei
Kisch (1895)
veröffentlicht bei
Hula (1970)

Abbildung bei
Hula (1948)

Holzschnitt von
Beham 1529
am linken Bildrand
”Bildsäul beim Gericht”

das Bezirkswappen
des 10. Bezirks -
Favoriten
im Zentrum die
Spinnerin am Kreuz

PLZ: A-1110

GPS: N 48° 10,261', O 16° 21,042'

Standort: Wien, 10. Bezirk, "Triester Straße", bei Nr.52.

Größe / Material: Leithakalk-Sandstein

Geschichte: Benennung: "Spinnerin am Kreuz". Bedeutende spätgot. Bildsäule in exponierter Lage auf der Anhöhe des Wienerbergs, an der Fernstraße nach Süden unweit der ehem. Richtstätte. - Im Auftrag der Stadt Wien von der Dombauhütte unter der Leitung von Hanns Puchspaum 1451/52 anstelle einer Vorgängersäule (urk. 1451 abgetragen, eine herzogliche Stiftung von 1379 nicht belegbar) errichtet und vor 1529 mit Skulpturen versehen. 1488 erstmals renov., in der Folge zahlreiche Instandsetzungen und durchgreifende Erneuerungen der Steinsubstanz (u.a. 1804, 1852, 1892); die bar. Figuren von Matthias Rott (1710) 1938 durch Kopien ersetzt (Originale im Bezirksmuseum); Kleinskulpturen (Wasserspeier und figurale Konsolen) wohl alle von Rest. 1852. Letzte Konservierung 1987/88. - Architektur aus Leithakalksandstein, in Form und Funktion vergleichbar der Wiener Neustädter Spinnerin. - Auf 8seitigem Stufenpodest Sockel über kreuzförmigem Grundriß, darüber Tabernakel mit quadrat. Kern und 4 Figurengruppen, in reiches Strebewerk integriert; Bekrönung mit Wimpergen und pyramidenförmigem Steinhelm mit Krabben und Kreuzblume. - Skulpturen: Südl. Dornenkrönung, östl. Ecce homo, westl. Geißelung, nördl. (Hauptansicht) Kreuzigung von 1938; bar. Reliefkartuschen mit Leidenswerkzeugen von 1710; Wasserspeier und Kleinplastiken von 1852. (DEHIO 1997)

   Ein zweites Beispiel einer dem historischen Tatbestand nicht entsprechenden Sagenbildung ist die Spinnerin am Kreuz in Wien (Abb.5). Angeblich - so erzählt das Volk - soll an dieser Stelle jahrelang eine Rittersfrau gesessen und gesponnen haben, auf die Rückkehr ihres in den Krieg gezogenen Gatten harrend. Nun taucht der Name "Spinnerin am Kreuz" in Wien urkundlich erst in einer Baurechnung von 1809 zum ersten Male auf, während die Säule selbst bereits im Jahre 1451 an Stelle eines älteren Kreuzes errichtet wurde. Angeblich einer Denksäule, die Leopold III. im Jahre 1375 als Erinnerung an die Länderteilung zwischen ihm und seinem Bruder Albrecht errichten ließ. Außerdem ist es nicht die Säule in Wien, sondern diejenige zu Wiener Neustadt, welche diesen Namen zuerst aufweist. (Hula 1948)

   Spinnerin am Kreuz (Wien X). Wer vorbeigeht, muß ein Kreuz machen, dort sind heidnische Türken eingemauert. (Höfer 1929)

   [...] Ein typisches Beispiel später und recht unorigineller Sagenbildung, wie sie sich speziell an eine Säule anknüpfte, haben wir ja bei der "Spinnerin am Kreuz" vor uns. Bekanntlich verband sich mit diesem Denkmale die Sage von einer Frau (sei es Rittersfrau oder Bürgersfrau), deren Gatte in den Krieg gezogen war und die tagaus, tagein an jener Stelle der Straße, die einen weiten Rundblick bietet, auf des Gatten Rückkehr harrend (nach einer andern Version, um für die Errichtung des Kreuzes Geld zu erbetteln), gesessen sei und dabei gesponnen habe. Sofort fällt einem bei dieser Geschichte die weit ältere und einfachere Sage von der "Wegwarte" ein, dennoch würde man vielleicht geneigt sein, hinter der Geschichte etwas Wahres zu suchen, wenn nicht diese Säule gerade zu denen gehören würde, über die wir zufällig urkundlich ganz ausgezeichnet unterrichtet sind.
   Die Wiener Stadtrechnungen weisen nämlich von 1451, in welchem Jahre die Säule an Stelle eines älteren Kreuzes wieder aufgerichtet wurde, angefangen bis zum Jahre 1854 ziffernmäßig genau die Auslagen für die Ausbesserungen dieser Säule aus und daraus ersehen wir, daß sie in der älteren Zeit überhaupt nicht den Namen "Spinnerin am Kreuz" geführt hat, sondern erst im Jahre 1720 taucht dieser Name zum erstenmale als offizielle Bezeichnung auf! Und des Weiteren ist dieses Objekt auch ein Beispiel für die Übertragung von Sagen, denn bekanntlich besitzt auch Wiener Neustadt seine "Spinnerin am Kreuz". Diese Säule, welche gegenüber der Verfallsgotik der Wiener Säule die edle Gotik des XIV. Jahrhunderts zeigt und tatsächlich im Auftrage Wolfharts von Schwarzensee zwischen 1380 und 1392 von Michael Weinwurm aufgerichtet worden sein dürfte, ist das ältere Denkmal und früher als die Wiener Säule (zuerst nachweislich in einem Ratsprotokoll des Jahres 1671) mit dem seltsamen Namen bezeichnet. Es erfolgte also - vermutlich in der Zeit des Konkurrenzkampfes der beiden Städte - die Übertragung des Namens und der damit verbundenen Sage von Wiener Neustadt auf die Wiener Säule. Woher der Name eigentlich stammt, ist unerklärlich, ebenso steht die Bestimmung der Säulen keineswegs fest. Die Richtstätten, mit denen man die beiden Säulen in Verbindung zu bringen pflegt, sind sowohl in Wien als auch in Wiener Neustadt erst später dahin verlegt worden. So haben wir es aller Wahrscheinlichkeit nach auch in diesen beiden Fällen mit bloßen Votivsäulen zu tun. (Vancsa 1905)

   [...] Die chronologisch zusammmengestellten Benennungen der Säule am Wienerberge zeigen, daß ihr jetziger Name einer neueren Zeit angehört, und im Volksmunde älter ist als in Schriften. Sie hieß sonst schlechtweg das Wienerkreuz oder das Hochkreuz, seit der Herstellung 1451 das neue steinerne Kreuz ob Meidling, das neue Kreuz am Wienerberg ob Meidling womit jedoch das gleichfalls seit 1598 und 1614 erwähnte Marterkreuz am Khaderhölzl bei Meidling gemeint sein könnte, weil dieses am Fuße des Wienerberges, die Wienersäule aber auf demselben errichtet ist.) -
1488 das große Kreuz auf dem Wienerberge;
1599 die Martersäule;
1614 - 1626 die Martersäule am Wienerberge;
1670 das Kreuz am Wienerberge;
nach der Renovierung 1709 zum ersten Mal die Kreuzspinne (erinnert an Geusau) oder das Spinnerin Kreuz genannt;
1720 - 1739 Spinnekreuz;
1749 Spinnerkreuz;
1752 - 1788 Spinnerkreuz;
1789 Spinnekreuz;
1804 Spinnerin am Kreuz
   Demnach scheint der Nahme "Wienerkreuz" - ohne Rücksicht auf die nahmensschöpfenden Mährchen und Sagen - der älteste und echte. Alle späteren, welche sich nicht auf die an der Säule befindlichen Vorstellungen aus dem Erlöser Leiden, beziehen, sind Verunstaltungen im Volksmunde, wie man sie bei uns zu Lande öfters antrifft. (Ziegelhauser 1844)

Sage: Eine Sammlung von Sagen zu diesem Denkmal ist zu finden auf sagen.at.

Quellen und Literatur:
Beham, Hans Sebald - Belagerung der Stadt Wien, Detail [5], Holzschnitt von 1529, Original im Kupferstichkabinett Berlin
Grimm, Jacob und Wilhelm - Die Spinnerin am Creuz., in: Deutsche Sagen. [1. Band], Berlin 1816, S.260
Beiträge zur Landeskunde Oesterreich's unter der Enns. Herausgegeben auf Veranlassung der Nieder-Oesterr. Stände von einem Vereine für vaterländische Geschichte, Statistik und Topographie, Erster Band, Wien 1832, S.150ff
Bechstein, Ludwig - Die Spinnerin am Creuz., in: Volkssagen, Mährchen und Legenden des Kaiserstaates Österreich, 1840
Ziegelhauser, Leopold - Die Spinnerin am Kreuz, in: Schattenbbilder der Vorzeit. Ein Kranz von Geschichten, Sagen, Legenden, Märchen, Skizzen und Heldenmahlen. Aus allen Gegenden Deutschlands und des österreichischen Kaiserstaates. Erster Theil. Wien, 1844, S.31-37
Ziegelhauser, Leopold - Das Spinnerkreuz., in: Schattenbbilder der Vorzeit. Ein Kranz von Geschichten, Sagen, Legenden, Märchen, Skizzen und Heldenmahlen. Aus allen Gegenden Deutschlands und des österreichischen Kaiserstaates. Zweiter Theil. Wien, 1844, S.74-76
Ziegelhauser, Leopold - Das Spinnerinkreuz., in: Schattenbbilder der Vorzeit. Ein Kranz von Geschichten, Sagen, Legenden, Märchen, Skizzen und Heldenmahlen. Aus allen Gegenden Deutschlands und des österreichischen Kaiserstaates. Zweiter Theil. Wien, 1844, S.74-76
Kisch, Wilhelm - Die alten Straßen und Plätze von Wiens Vorstädten IV.-X. Bez., Wien 1895
Vancsa, Dr. Max - Über Bet- und Denksäulen in Niederösterreich, in: Berichte und Mitteilungen des Altertums-Vereins zu Wien, Band XXXIX, 1905, S.103-105
Höfer, Leopold - Wiener Kinderglaube. Ein Beitrag zu "Volksglaube und Volksbrauch in der Großstadt". Gesammelt in Ottakring und Hernals (Wien XVI. und XVII.) von Oberlehrer Leopold Höfer, Wien. (Fortsetzung.) Wiener Zeitschrift für Volkskunde. (Vormals Zeitschrift für österreichische Volkskunde.) Herausgegeben vom Verein für Volkskunde in Wien. XXXIV. Jahrgang 1929. I.-III. Heft (Ausgegeben Mitte März 1929.), S.25-33, besonders S.31)
Hula, Franz - Die Bildstöcke, Lichtsäulen und Totenleuchten Österreichs, 1948, S.45, 81 und Tafel 2/5
Gugitz, Gustav - Die Spinnerin am Kreuz (1. Variante), in: Die Sagen und Legenden der Stadt Wien, hrgg. von Gustav Gugitz, Wien 1952, Nr.129, S.136
Gugitz, Gustav - Die Spinnerin am Kreuz (2. Variante), in: Die Sagen und Legenden der Stadt Wien, hrgg. von Gustav Gugitz, Wien 1952, Nr.126, S.134-135
DEHIO - Die Kunstdenkmäler Österreichs, Niederösterreich - Wien X.-XIX. und XXI.-XXIII. Bezirk, (ISBN 3-7031-0693-X), Topografisches Denkmälerinventar herausgegeben vom Bundesdenkmalamt, 2003, S.1093
Wikipedia - Spinnerin am Kreuz
Webservice der Stadt Wien
Bundesdenkmalamt Österreich - Wiens gotische Lichtsäule unter der Lupe
Gerth, Sven - Warum wurden Menschen in religiöse Andachtsmäler eingemauert?, in: Pomniki Dawnego Prawa, Heft 5, März 2009, S.30-57
recherchiert und bebildert von Harald Hartmann, Klosterneuburg (Fotos vom 6. März 2008)


Sühnekreuze & Mordsteine