Deutschland Nordrhein-Westfalen Lkr. Steinfurt

Dörenthe (I / II) / OT von Ibbenbüren


Einzeichnung
in Kreuz II

Titelbild bei
Brockpähler (1963)

PLZ: 49477

GPS:

Standort: An der Straße nach Münster, am ausgeschildertem Abzweig zu den Häusern "Münsterstraße 483, 485".

Größe / Material: links: 135:95:26 / Sandstein
rechts: 153:75:29 / Sandstein

Geschichte: Kreuz II im Kreuzungsbereich eingeritzt: griechisches Kreuz im Umriß (40:36cm, 0,5cm tief).
2 größere alte Steinkreuze ohne Sockel, das größere wurde nach Bruch mit 2 stabilen Eisenklammern wieder zusammengesetzt. Ich kenne sie so seit 1943. Der Aufstellungsort kam früher, vor dem Neubau der B 219, als kleiner Hügel mit Gestrüpp besser zur Geltung, damals machten die einsamen Kreuze (eines sehr schief stehend) bei Dämmerung und aufziehendem Unwetter auf uns Kinder einen unheimlichen Eindruck. (Heimatverein Brochterbeck).

In Dörenthe sind zwei Steinkreuze aus dem hier anstehenden Sandstein erhalten. Sie stehen unter einer Linde auf einer kleinen Erhöhung an der alten "Münsterstraße" (Münster - Ibbenbüren), dort, wo westlich die Straße nach Riesenbeck, östlich die alte Landstraße nach Tecklenburg abzweigt. Beide Kreuze sind in Sockelplatten eingefügt.
Nr. 1, das kleinere, schief stehende Kreuz, mißt 150x75x30cm. Es steht rechtwinklig zu dem anderen und hat die Front nach Westen.
Nr. 2, das größere, mißt 172x95x25cm. Es war zerbrochen und ist mit Eisenklammern und Mörtel wieder zusammengefügt. Dieses Kreuz schaut nach Norden und trägt auf der Vorderseite als Zeichen ein eingeritztes Kreuz.
Der Hügel, auf dem beide errichtet sind, ist uneben, hier stecken Steinblöcke in der Erde, von denen Teile sichtbar sind. Vor dem kleineren Kreuz liegt eine Sockelplatte, die zu einem dritten Kreuz gehören kann, von dem die Überlieferung berichtet; in der Platteist ein quadratisches Loch von 32cm Durchmesser.
Die Kreuze stehen auf dem Platze einer zerstörten Kapelle, die der heiligen Katharina geweiht war. Nach kirchlicher Vorschrift mußte beim Abgang eines Gotteshauses dort, wo der Altar gestanden hatte, ein Kreuz errichtet werden. Die Volksmeinung sagt, die Kapelle habe zwei Altäre gehabt, darum seien zwei Kreuze gesetzt worden. - Der unebene Grund läßt vermuten, daß die Fundamente des Gotteshauses noch im Boden stecken. Für 1487 ist urkundlich bezeugt, daß in Dörenthe Beichte gehört und Messe gelesen wurde, so daß die Annahme, daß hier eine Kapelle gestanden hat, wohl berechtigt ist. - 1596 machte die Äbtissin von Herford als Patronin der Kirche in Ibbenbüren dem Grafen von Tecklenburg den Vorwurf, daß er vor vielen Jahren ein (nicht näher genanntes) Gotteshaus ruiniert habe. - Die an die Kreuze anstoßende Wiese hat den Namen "Kiärkhoff"; der Besitzer fand dort menschliche Knochen. Eine weitere Flur heißt "Kreuzgarten".
An den Kreuzen vorbei führt nach Dolle von Westen nach Osten der alte Grenzweg von Riesenbeck nach Brochterbeck; die Bauern nördlich dieses Weges, die zur Ibbenbürener Kirche gehörten, hießen früher "Krüßelingsbauern". Der Name ist noch gut bekannt. Das große Kreuz, das mit der Front und dem eingeritzten Kreuzzeichen zur Kirche nach Ibbenbüren schaut, weist mit den Armen den alten Grerizweg entlang. Dolle hält darum das größere Kreuz für ein kirchliches Grenzmal aus der Zeit der Gründung des Kirchortes Ibbenbüren um 1140, das andere für ein Erinnerungszeichen an die ehemalige Katharinenkapelle aus der Zeit nach 1548. Dem damit gegebenen Altersunterschied von 400 Jahren widerspricht der äußere Befund der beiden Kreuze. Auch kann das eine Kreuz nicht seit 1140 bis heute auf einem Platze stehen, der in der Zwischenzeit Standort einer Kapelle war. Es ist anzunehmen, daß eines der Kreuze der Erinnerung an die Kapelle diente und daß das zweite und vielleicht dritte aus der Flur an diesen Platz versetzt worden sind. In die Urkatasterkarte von 1830 sind die Kreuze nicht eingetragen. (Brockphäler 1963)

Sage: 1. Zwei Junker auf dem adeligen Gut Strick (oder Stricker) in Dörenthe gerieten um ein Stück Land in Streit und verklagten sich gegenseitig vor Gericht. Als der ältere eines Tages in seiner Sache zum Richter nach Lingen wollte, kam ihm der jüngere von dort schon entgegen und zeigte ihm höhnisch lachend den zu seinen Gunsten ergangenen richterlichen Spruch. Sie gerieten in Wortwechsel, zogen die Waffen und verletzten sich gegenseitig tödlich. Zur Sühne wurden an dem Platz die beiden Kreuze errichtet. Das Gut Strick wurde später aufgeteilt und kam in bäuerlichen Besitz; so entstanden die Höfe Groß und Klein Stricker.
2. Der Sage nach sollen sich hier einst zwei Steinmetze erschlagen haben.

Quellen und Literatur:
Brockpähler, Wilhelm - Steinkreuze in Westfalen, 1963, S.41-42
Dolle, Rudolf - Die Dörenther Steinkreuze..., in: Kirchliche Markensetzung aus dem 12. bis 16. Jahrhundert, o.J. / um1920
Heimatverein Brochterbeck
recherchiert und bebildert von Benno Lux, Lünne



Die Dörenther Steinkreuze
in der Romantik und im Lichte der Geschichte
von Rudolf Dolle

Die Heimatliteratur des vorigen Jahrhunderts lenkte bereits die Aufmerksamkeit der Heimatfreunde auf jene merkwürdigen aus einem Block gehauenen Sandsteinkreuze an unseren alten Landstraßen, über deren Zwecksetzung man sich nicht mehr ganz klar ist. Es müssen ihrer damals noch mehr gewesen sein, als heutzutage. Die jetzt noch erhaltenen fallen auch uns schon dadurch auf, dass sie in einem Stück aus einem Sandsteinblock herausgehauen wurden, was ihrem Aeußeren ein besonders eindrucksvolles, wuchtiges, altertümliches Gepräge gibt.

Als Denkmäler von schwer vergänglicher Dauer an den Wegerand gesetzt, ohne Jahreszahl oder sonstige Inschrift gaben sie dem forschenden Heimatfreund von jeher schwer lösbare Rätsel auf, während die leichtbeschwingte Phantasie diese altersgrauen Steine unbedenklich mit üppigem Sagengeranke umkleidete. So ist denn die ursprüngliche Zwecksetzung dieser Kreuze entweder längst in Vergessenheit geraten, oder aber von der Sage so überwuchert, dass es meistens unmöglich ist, aus den vorhandenen ortsüblichen Ueberlieferungen noch irgend ein Körnchen geschichtlicher Wahrheit herauszuschälen.

Gewöhnlich will die Sage in ihnen ein "Sühnekreuz" oder doch ein Erinnerungszeichen an irgendein grausiges Ereignis sehen, ähnlich wie bei den "Marteln" im Hochgebirge. Je romantischer, unverbürgter und unglaubwürdiger eine solche Deutung klingt, umso volkstümlicher ist sie. In ihrer unwahrscheinlichsten Aufmachung wird sie ja am liebsten geglaubt und weitererzählt mit den noch erforderlich scheinenden Zutaten, denn nur so wahrt sich die eigene Phantasie ihr künstlerisches Betätigungsrecht, die Luft zu fabulieren. Mord- und Spukgeschichten sind in der Regel mit diesen Kreuzen verknüpft. Ihre Erzählung findet immer eine dankbare Gemeinde von Gläubigen, wenn die Großmutter sie in der Dämmerstunde den um sie versammelten, märchendürstenden Kleinen und Großen zum besten gibt. Einer allein kann nämlich so etwas nicht gut glauben.

Besonders beliebt ist es, bei diesen alten Sagen Dichtung und Wahrheit in grausiger Sensation zu mischen. Aber durchweg bleibt unter dem nachprüfenden Auge der Forschung von alledem nichts übrig, als was zwar sehr schön lautet, aber darum doch noch lange nicht wahr ist.

Das gilt besonders von dem blutigen Drama, welches man sich von den beiden Steinkreuzen in der Bauerschaft Dörenthe erzählt. Diese stehen unweit des Hockenden Weibes dort an der Chaussee von Münster nach Ibbenbüren, wo gegenüber die Landstraße nach Riesenbeck abzweigt.

Fritz Mielert, der heimatkundliche Romantiker Westfalens in Wort und Bild, bringt in seinem ersten Bande "Das schöne Westfalen" auf Seite 28 ein hübsches Bild dieser eindrucksvollen Kreuze und erzählt uns auf Seite 8 mit dichterischem Schwunge jene dazu gehörende Sage, deren Inhalt bereits vor 100 Jahren volkstümliche Überlieferung war. Mielert gibt sie folgendermaßen wieder:

"Zwei Steinkreuze am Wege bei Ibbenbüren, auf einem Grashügel. Blumen blühen auf ihm, und die blätter einer Linde breiten sich hinter den Steinen aus in eifersüchtiger Liebe. Die grauen Male stehen etwas schief und eines von ihnen trägt ein eingeritztes Kreuz in seiner Mitte. Ein spukhafter Ort, der ein ungelöstes Geheimnis bindet. Die Gräser und die Linden sind wissend und sind es voll geheimen Entsetzens. Aber die Gipfel der Schauer sperren sich wie verwitterte Totenschädel aus den Kreuzen. Sie sind aus Gräbern gewachsenes Grauen. Menschen und Tiere fürchten insgeheim diese Stätte. Zwei Mordkreuze, die Totenmale zweier feindlicher Brüder, die sich hier in zorniger Stunde trafen und kämpfend erschlugen."

Soweit die volkstümliche Ueberlieferung im modernen dichterischen Gewande. Geschichtliche Tatsachen liegen dieser romantischen Deutung aber keineswegs zugrunde, vielmehr entpuppt sich der durch die Sage blutgedüngte Boden bei näherem Zusehen als ein geheiligtes Fleckchen Erde und die grausigen Totenmale zweier feindlicher Brüder erscheinen im Lichte der Geschichte als zwei Wahrzeichen frommer kirchlicher Markensetzung.

An der Stelle nämlich , wo das schiefstehende der beiden Kreuze seine Front der Chaussee zuwendet, ragen noch die Fundamente der ehemaligen Dörenther Kapelle aus dem Boden. Sie stand noch im Jahre 1487. In diesem Jahre confekrierte laut einer Urkunde des katholischen Pfarrarchifs Ibbenbüren der Weihbischof der damals vereinigten Bistümer Münster und Osnabrück, Johannes Wenneker, in Mettingen zwei Bildwerke, darstellend die Gottesmutter und glorreiche Jungfrau Maria und die Jungfrau Catharina, welche in der zur Pfarre Ibbenbüren gehörende Bauerschaft Dörenthe aufgestellt werden sollten, wo bislang schon Beichte gehört und Messe gelesen sei. An allen Marienfesten sollte ein Ablaß zu gewinnen sein durch den Besuch dieser Bilder. (Cremann bringt auf Seite 43 seiner "Geschichte der katholischen Kirche zu Ibbenbüren" den lateinischen Text dieser Urkunde.)

Laut obriger Nachricht hatte also um 1487 zu Dörenthe schon lange eine Kapelle bestanden, in der schon von altersher die Dörenther Bauern ihre Sonntagspflicht genügen konnten. Ein Grundstück in der Nähe der Kapelle heißt heute noch im Flurbuch "Kerkhof" und ein anderes, ehemaliges Gemeindegrundstück, das westlich davon bei Ruwe-Leifert lag, soll "Wehme" geheißen haben. Auf dem südlich der Kapelle gelegenen Schmiemann`schen Hofe soll ein Kaplan gewohnt haben.

Mündliche Ueberlieferung, Flurnamen und eine derzeitige kirchliche Urkunde verbürgen uns also hinlänglich, dass um 1500 in Dörenthe eine zur Pfarrkirche Ibbenbüren gehörende Kapelle gestanden hat, die von altersher im regelmäßigen Gebrauch gewesen war.

Auch haben wir noch sichere Nachrichten darüber, wann und von wem sie zerstört wurde. Das muß um die Zeit von 1541 bis 1548 geschehen sein, als die Grafschaft Lingen an den Erbgrafen Conrad von Tecklenburg zurückfiel. Die Abtissin von Herford wirft ihm nämlich 1596 als Patronin von Ibbenbüren vor, dass er ihr vor vielen Jahren nicht nur verschiedene namentlich aufgeführte Güter entfremdet, sondern auch eine Kapelle ruiniert habe. Vor 1541, solange noch Graf Nikolaus Landesherr der Grafschaft Lingen war die Ibbenbüren nach Süden und Westen umschloß, ist das kaum denkbar. Begann man doch unter ihm um 1520 in Ibbenbüren mit dem Neubau der Ortskirche (jetzigen evangelischen), wobei Graf Nikolaus unterstützend mitgewirkt hat. Das beweist sein Wappen am Südportal dieses Neubaues, der um 1532 noch nicht vollendet war. Dagegen wird nach 1541, als Graf Nikolaus gestorben und die Grafschaft Lingen an seinen Neffen, den streitsüchtigen Erbgrafen Conrad von Tecklenburg übergegangen war, dieser schon bald in Dörenthe und an den anderen Grenzen des Territoriums Ibbenbüren nach seiner Gewohnheit den Streit vom Zaume gebrochen haben, um den altverbrieften Rechten der Abtissin von Herford nach Möglichkeit Abbruch zu tun. Wie das Dörenther Grenzkreuz zeigen wird, bot ihm die alte Ibbenbürener Grenzziehung den Scheingrund des Rechts, kirchliche Güter zu entfremden, die er doch bereits 1548 alle wieder verlor, als die Grafschaft Lingen in den Besitz der Niederlande, bzw. des Königs von Spanien überging.

Zu den der Ibbenbürener Kirche durch den Grafen von Tecklenburg entfremdeten Gütern gehörte auch der Loismannsche Hof in Dörenthe. Die Abtissin Magdalena beklagte sich nämlich in dem genannten Schreiben u.a. auch, dass der Graf von Tecklenburg diesen ihrer Eigenkirche zu Ibbenbüren gehörenden Hof, "Loysing zu Kruken", vor undenklichen Jahren der Wethumb (Pfarrei) und Kirchen abgeschnitten habe. Aus der Stellung des Dörenther Grenzkreuzes wird seinerzeit der Graf seine Berechtigung zu dieser Enteignung abgeleitet haben.

Dieses Grenzkreuz teilte die Bauerschaft Dörenthe ehedem in eine Nord- und Südhälfte. Die Nordhälfte gehört zur Ibbenbürener Kirche, dem reichsunmittelbaren Territorium Ibbenbüren. Ihr südlicher Teil dagegen, der an Saerbeck grenzt, gehörte zusammen mit Brochterbeck zur Obergrafschaft Lingen. Dieser Zugehörigkeit entsprechend ist die Stirnseite des Dörenther Grenzkreuzes mit dem darauf eingeritzten Kreuzchen der Ibbenbürener Kirche zugewandt. Die Arme dieses Grenzkreuzes weisen nach West und Ost eine alte Landstraße entlang, welche von Riesenbeck kommend, am Dörenther Kley her nach Brochterbeck führte. Daß dieser durch das Kreuz bezeichnete Grenzweg schon von altersher als die Südgrenze des Territoriums Ibbenbüren galt, geht aus folgender Tatsache hervor:

Alle Bauern, welche mit ihren Besitzungen nördlich dieses Grenzweges lagen, nannten sich "Krüzelingsburen", eine Bezeichnung, welche bei ihnen heute noch unvergessen ist. Dementsprechend nennt auch die Abtissin Magdalena den Loismannschen Hof "Loysing zu Kruken", von dem lateinischen Crux = Kreuz. Nun lagen und liegen die Besitzungen dieses Hofes zwar größtenteils nördlich des durch das Grenzkreuz bezeichneten Weges, aber der Hof selber hat doch wohl immer, wie heute noch, hart südlich desselben gelegen. Dieser Umstand mag den begehrlichen Grafen Conrad als willkommener Vorwand gedient haben, den Hof für seine Grafschaft Lingen in Anspruch zu nehmen; konnte er sich dabei doch mit dem Scheingrunde des Rechts verteidigen, dass nicht er, sondern der Weg den Loismannschen Hof der Kirche zu Ibbenbüren abgeschnitten habe. Bei den übrigen Dörenther Krüzelingsburen scheint der Tecklenburger Graf keine Annektionsversuche gemacht zu haben. Zwei derselben, deren Höfe nordöstlich des Grenzkreuzes, unterhalb des hockenden Weibes liegen, lassen aus ihren Hofesnamen noch heute erkennen, dass auch sie ehemals zu den Krüzelingsburen gehörten. Es sind das Krüer und Schulte Crude. In beiden Namen steckt noch das Kreuz, lateinisch Crux.

Warum Graf Conrad als Landesherr von Lingen den Krüzelingsbauern schließlich ihre Kapelle ruinierte, wissen wir nicht. Wir dürfen das wohl als eine jener rücksichtslosen Schikane werten, durch welche dieser radikale Herrenmensch gegen kirchliche Einrichtungen zu wüten liebte, eine Charaktereigenschaft, welche ihn schließlich in Abenteuer stürzte, die ihn an den Rand des Verderbens brachten.

Als nach 1548 die Grafschaft Lingen und damit auch der südliche Teil von Dörenthe in niederländisch-spanische Verwaltung gekommen war, haben die Krüzelingsbauern ihre Kapelle nicht wieder aufgebaut. Ibbenbüren und seine Patronin, die Abtissin von Herford hatten formell kein Recht dazu, weil sie hinter ihrem Grenzkreuz lag. Ein zwingendes seelsorgerisches Bedürfnis lag dafür auch nicht mehr vor, nachdem durch den Neubau der Ibbenbürener Ortskirche hinreichend Raum geschaffen war für alle Pfarreingesessenen. In solcher Erkenntnis wird man wohl die Tatsache der Stillegung der Dörenther Kapelle durch die Errichtung des kleineren Kreuzes in ihren Ruinen bestätigt haben. Man setzte es, entsprechend der kirchlichen Vorschrift, an diejenige Stelle, wo der Altar gestanden hat. Seine Arme zeigten im rechten Winkel zum Grenzkreuz. Seine Frontstellung ist also West-Ost, was der Orientierung der ehemaligen Kapelle entspricht. Die beiden Dörenther Kreuze sind hiernach keine "Mordkreuze", sondern dienten einer wichtigen kirchlichen Markensetzung, welche bei dem Grenzkreuz um 1140 erfolgt sein dürfte, während das kleinere in den Ruinen der ehemaligen Dörenther Kapelle erst nach 1548 dorthin gesetzt sein kann. Alt und ehrwürdig sind somit beide in ihrer heimatgeschichtlichen Bedeutung und es birgt sich kein schreckhaftes Geheimnis hinter ihnen.
(Dolle, Rudolf in: Kirchliche Markensetzung aus dem 12. bis 16. Jahrhundert, o.J. / um 1920)



Dörenthe (III) / OT von Ibbenbüren


Inschrift auf
dem Sockel

GPS:

Standort: In der Nähe der beiden Steinkreuze.

Größe / Material: 115:57:12 (Sockel: 130:85:45) / Sandstein

Geschichte: Der Mordstein trägt auf dem Sockel folgende Inschrift:
Grausam gemartert
erlitt hier den Tod
das
unschuldige Comunionkind
Maria Wientjes
geb. 6. Nov. 1889
gest. 2. Aug. 1902
Lasset uns beten.
Vater unser etc. Gegrüsset etc.
Mein Jesus. Barmherzigkeit!
R.   I.   P.

Sage:

Quellen und Literatur:
Wichmann, Daniel - Erst viele Jahre später wurde der Täter gefasst, in: IVZ vom 17.08.2002
Suer, Werner - Flucht führte zum Geständnis, in: IVZ vom 19.09.2002
Zeitungsartikel und Bekanntmachungen zum Fall Maria Wientjes aus dem Jahre 1902
Werner Suer / Heimatverein Ibbenbüren
recherchiert und bebildert von Benno Lux, Lünne



Erst viele Jahre später wurde der Täter gefasst
von Daniel Wichmann
Vor 100 Jahren wurde das Kommunionkind Maria ermordet / Gedenkstein im Dörenther Berg

Ein Gedenkstein im Dörenther Berg erinnert an das Schicksal von Maria Wientjes.

DÖRENTHE • Im August 1902, also vor 100 Jahren, erhitzte der Mord an einem Kommunionkind im Dörenther Berg die Gemüter der Bewohner des Tecklenburger Landes.
Wie die IVZ damals berichtete, war am 2. August 1902 das zwölfjährige Kommunionkind Maria Wientjes auf dem "Kirchgang" einem "Sittlichkeitsverbrechen und Mord" zum Opfer gefallen. Verdächtigt wurde damals ein Mann, der in der Nähe des Tatortes gesehen wurde. Auch eine zweite Belästigung, die an diesem Tag stattfand, wurde dem Mann zugeschrieben.
   Die Polizei teilte mit, dass die Kleidung des Täters stark mit Blut verschmiert gewesen sein musste. Dies spielte später bei der Ergreifung des Täters eine wichtige Rolle.
   Das Entsetzen über den Mord an dem jungen Mädchen war im gesamten Umland sehr groß; so fand sich auf der Beisetzung am 7. August ein "überaus zahlreiches Grabgeleit" ein. Die Zeitungen waren in den nächsten Tagen voll von Spekulationen über den Täter und den Tathergang. Bereits am 7. August wurde ein vermeintlicher Täter inhaftiert, der sich jedoch später als unschuldig erwies.
   Im Tecklenburger Land wurden in den nächsten Wochen einige Landstreicher verhaftet, die auf die Beschreibung der Polizei passten. Der Täter war jedoch offensichtlich nicht darunter, da auch die Gegenüberstellungen der Verdächtigen mit Frau Glasmeyer, dem zweiten Opfer, das die Belästigungen des Täters überlebte, an jenem Tag nichts ergaben.
   Am 14. August wurde die Belohnung, die zur Ergreifung des Täters ausgesetzt war, um 500 Mark auf 1000 Mark verdoppelt. Doch auch die Maßnahme brachte keinen baldigen Erfolg.
   Noch heute erzählt man sich folgende Geschichte, die schließlich "Jahre später" zur Ergreifung des Täters geführt haben soll: "Ein Bewohner Ibbenbürens konnte der Polizei den entscheidenden Hinweis liefern, nachdem er unter einem offenen Fenster in der Stadt vorbeiging und die Frau des Täters zu ihrem Mann sagen hörte: "Das ist das letzte Mal, dass ich Dir Deine blutigen Klamotten gewaschen habe!"
   Heute erinnert ein Gedenkstein im Dörenther Berg, von Dörenthe kommend Richtung Riesenbeck, auf der linken Seite des Hermannsweges, an das Schicksal des Mädchens.
(IVZ vom 17.08.2002, Quelle: Werner Suer / Heimatverein Ibbenbüren)



Flucht führte zum Geständnis
von Werner Suer
Neues zum Fall Maria Wientjes aus dem Jahre 1902

Dieser Artikel aus der Ibbenbürener Volkszeitung von 1902 sollte bei der Fahndung des Mörders von Maria helfen.

IBBENBUREN - Im Sommer 1902 wurde im Dörenther Berg das Kommunionkind Maria Wientjes auf grausame Weise ermordet. Der Sittlichkeitsverbrecher wurde erst Jahre später ermittelt (Die IVZ berichtete im August über die Gedenkstätte). Entscheidend war der Hinweis eines Passanten, der an einem offenen Fenster in der Stadt vorbeiging. Dort hörte er den Satz, den die Mutter zu ihrem Sohn sagte: "Das ist das letzte Mal, dass ich Dir Deine blutige Wäsche wasche." Durch diesen Satz konnte der Täter schließlich ermittelt werden.
   Anna, die Schwester der ermordeten Maria, konnte das Verbrechen nie vergessen, und sie erzählte davon oft ihren Kindern. Und so konnte Maria, die Tochter von Anna, zu den Umständen der Ergreifung des Täters noch einige interessante Einzelheiten berichten.
   Eigentlich wollte Maria mit ihren Freundinnen nach dem Kirchgang gemeinsam von Ibbenbüren den weiten Heimweg bis zum Brook in Dörenthe gehen. Doch sie hatte sich verspätet, weil sie noch eine Kleinigkeit gekauft hatte. Ihre Freundinnen waren vorausgegangen und wollten hinter dem Berg auf sie warten. Als Maria allein an die Stelle kam, wo heute das Wientjes-Kreuz steht, wurde sie von dem Täter mit 40 Messerstichen grausam ermordet. Im Sommer 1905 wurde der Täter gefasst. Er wohnte damals auf dem Unteren Markt im Haus der Metzgerei Agnischock, gegenüber von Ledigs Anna. Der etwa 20 Jahre alte Junggeselle war zu der Zeit in einem Steinbruch in der Nähe des Tatorts als Arbeiter beschäftigt. Zunächst leugnete er die Tat hartnäckig, schließlich konnte er doch noch überführt werden und legte ein Geständnis ab. Das kam so: Die Gendarmen führten den Täter an den Ort seines Verbrechens, um ihn unter dem Eindruck des Tatorts zu einem Geständnis zu bewegen. Sie hatten ihm absichtlich nicht die Handschellen angelegt, um zu sehen, ob er sich dem seelischen Druck durch Flucht entzieht - und tatsächlich, bevor der Wald erreicht war, floh der Täter in ein Roggenfeld - natürlich wurde er sofort gefasst, und jetzt gestand er die Tat. Der Täter saß neun Jahre im Gefängnis. Als 1914 der Erste Weltkrieg begann, wurde er nur vorzeitig entlassen, um sofort als Soldat in den Krieg ziehen zu müssen. Nach dem Ersten Weltkrieg war seine Strafe abgegolten, und er zog von Ibbenbüren weg.
(IVZ vom 19.09.2002, Quelle: Werner Suer / Heimatverein Ibbenbüren)



Zeitungsartikel und Bekanntmachungen
zum Fall Maria Wientjes aus dem Jahre 1902









(Quelle: Werner Suer / Heimatverein Ibbenbüren)


Sühnekreuze & Mordsteine