Deutschland Mecklenburg-Vorpommern Lkr. Rügen

Altenkirchen


Blick zum Standort

Ansicht um
90° gedreht

Abbildung bei
Jakob (1979)

Abbildung bei
Jung (1939)

PLZ: 18556

GPS:

Standort: In der Sakristei der Pfarrkirche (Öffnungszeiten beachten).

Größe / Material:

Geschichte: Waagerecht vermauerter Bildstein. Benennung: "Svantevitstein" / "Priesterstein". Svantovit (auch Svantevit, Sveti Vid, Swantewit, Svetovit, Svatovit, Swietowit) war eine slawische Gottheit. Er war der Kriegsgott und die oberste Gottheit der Ranen auf Rügen und anderer Elb- und Ostseeslawen, vergleichbar mit dem obersten Gott Perun anderer slawischer Stämme.

Auf der Erläuterungstafel ist zu lesen:
Zur Rechten sehen Sie das älteste und best erhaltene Dokument des Kultes der Ranen (Slawenstamm, der auf Rügen ansässig war). Es ist der Svantevitstein.
Benannt nach dem viergesichtigen Slawengott "Svantevit". Es handelt sich hier um einen Grabstein eines Svantevitpriesters von der Tempelburg auf Kap Arkona. Die Priester verfügten nicht über einen eigenen Friedhof, sondern sie wurden je nach Herkunft auf den säkularen Friefhöfen der Insel bestattet. Der Stein sagt nichts aus über den verstorbenen Priester. Er soll allein der Huldigung des Gottes Svantevit dienen. Wir sehen ihn viergesichtig, mit Schnurrbart und dem Füllhorn in den Händen. Vor diesem Stein konnten die Ranen auch das obligatorische Hähnchenopfer bringen. wenn sie es nicht mehr rechzeitig bis zur Tempelburg geschafft hatten.
Dem Abbild galt seitens der Friedhofbesucher alle Ehre und Huldigung. - Und nun bauen ihn die ersten Christen von Rügen waagerecht in die Kirche ein, als Zeichen der Verhöhnung des entmachteten Gottes Svantevit!
Es ist überliefert, dass sich die Christen ursprünglich vor dem Gottesdienst einzeln und in Gruppen vor dem Stein versammelten, um ihn zu verhöhnen, sich also von dem "alten Gott" lossagten und danach die Kirche zm Gottesdienst betraten.

Im Zentrum von Rügens nördlichster Halbinsel Wittow liegt die Gemeinde Altenkirchen mit einer der ältesten Kirchen des Ostseeraumes aus der Frühzeit der Christianisierung. Seit 1168 wurde unter dänischer Herrschaft das Christentum auf die Insel gebracht. Altenkirchen wurde später durch seinen Dichter und Pfarrer Ludwig Theobul Kosegarten (1758-1818) und dessen Briefwechsel u.a. mit Goethe, Schiller und Humboldt bekannt.
Um 1200 entstand die spätgotisch umgebaute Kirche, von der noch der romanische Chor erhalten ist. Sieben kleine archaische Maskenköpfe, Konsolsteine des Schmuckfrieses, blicken auf den umgebenden Friedhof. In der südlichen Vorhalle ist der berühmte "Swantevit-Stein" querliegend eingemauert. Dieser slawische Grabstein soll aus der Zeit vor 1168 stammen. Der Granitbildstein zeigt das Relief eines bärtigen Mannes mit einem großen Trinkhorn in den Händen - der Legende nach der Hauptgott der Rügenslawen Swantevit. Die Darstellung des Mannes mit Trinkhorn und nur einem Gesicht (Swantevit hatte vier Gesichter) läßt eher auf den Tempelpriester des slawischen Heiligtums von Arkona schließen. Jährlich nach der Ernte nutzte der Priester das Trinkhorn des hölzernen Swantevit für die Vorraussagen zur Ernte des kommenden Jahres. Dazu goß er Met in das Horn. Verringerte sich der Honigwein bis zum nachfolgenden Tag, war dieses ein schlechtes Zeichen. Der Priester mahnte dann zur Sparsamkeit. Blieb der Flüssigkeitspegel konstant, so war mit einer guten Ernte zu rechnen. Nach jedem Gebet durfte der Gottesdiener das Horn leeren.
An der Ostwand der südlichen Kirchenvorhalle sind Ritzzeichnungen auf den Backsteinziegeln zu sehen. Sie ähneln Runen, den germanischen Schriftzeichen, die als Symbole in vorchristlicher Zeit bei magischen Handlungen wie Beschwörungen oder Orakeln Verwendung fanden. Als Stufe zur Vorhalle ist eine steinerne Vertikal-Sonnenuhr (um 1800) eingebaut. Der aus Kalkstein gefertigte Taufstein mit Köpfen in alle vier Himmelsrichtungen aus der Zeit um 1240 hätte den Namen "Swantevit-Taufstein" durchaus verdient. (Schmied 2001)

[...] Nach einer freundlichst von Herrn Prof. Dr. H. Kunstmann mitgeteilten volkskundlichen Hypothese könnten die Slaven gemäß altem sorbischem Brauchtum einen Menschen, der zum Christentum übergetreten ist, als abtrünnig und damit niederträchtig bezeichnet haben. Vielleicht war der Tote ein bekehrter slavischer Edler. Er trägt nämlich nicht das kultische Trinkhorn, wie es z.B. die slavische Grabplatte von Altenkirchen auf Rügen zeigt. [...] (Jakob 1979)

An der Kirche in Altenkirch eu auf Rügen ist, außen und verkehrt, um es zu bannen, ein ungefüges Steinbild eingemauert, das einen Schnurr- und Vollbärtigen mit weicher Mütze und weitem slawischem Rockmantel darstellt. In Bergen auf Rügen findet sich ein ganz ähnlicher Stein, der allgemein nach Zeit und Herkunft neben den Altenkirchener gesetzt wird, wenn auch das Bergener Steinbild nachträglich durch Wegmeißelung des martialischen Bartes, des Hornes und Einritzen eines Kreuzes auf der Brust verchristlicht ist.
Das Steinbild von Altenkirchen wurde für ein Bild des Slawengottes Svantevit gehalten, weil von diesem auch überliefert wird, daß seine Standbilder ein Trinkhorn in der Hand hielten. Aber der Stein ist sicher nur ein Grabstein - so auch C. Schuchhardt, Alteuropa - und soll den Verstorbenen darstellen; freilich einen solchen aus vorchristlicher Zeit. Er hält das Zeichen seiner priesterlichen Würde, das kultische Spendegefäß, in Händen. Auch an den rohen Steinbildern des Westpreußischen Provinzialmuseums zu Danzig sind solche Trink- und Spendehörner deutlich eingemeißelt. [...] (Jung 1939)

Sage:

Quellen und Literatur:
Jung, Erich - Germanische Götter und Helden in christlicher Zeit, 1939, S.240
Jakob, Hans - Der Schamelstein bei Kirchleus, 1979, S.15-29
Schmied, Hartmut - Die Schwarzen Führer Mecklenburg-Vorpommern, Freiburg i.Br. 2001
Wikipedia: Svantovit
aktuelle Aufnahme von Steffen Löffler, Meuselwitz (Fotos von Okt. 2007)


Sühnekreuze & Mordsteine