Deutschland Hessen Lkr. Bergstraße

Unter-Mengelbach / OT von Rimbach


straßenseitige
Ansicht

PLZ: 64668

GPS: N 49° 35,276', O 8° 47,340'

Standort: Ca. 200m unterhalb des Ortes oberhalb der Straße nach Zotzenbach in der Böschung.

Größe / Material: 105:79:20 / Sandstein

Geschichte: Das Kreuz steht neben der alten Straße, die früher oberhalb der Böschung verlief. Es war bis zu den Armen eingesunken und wurde mittlerweile auf einem Sockel neu aufgestellt. Die Kanten des Kreuzes sind leicht gefast.

Sage: 1. Hier waren einmal zwei Melkbuben derart in Streit geraten, dass sie einander erschlugen. Einer der beiden wurde an diesem Kreuz, der andere hoch droben im Wald begraben, wo ebenfalls ein Kreuz stand.
2. Zwei oder drei Buben hätten sich wegen eines Stückchens Brot gegenseitig erschlagen.
3. Dort soll ein Massengrab aus einem Krieg sein.

Quellen und Literatur:
Bormuth, Heinz - Die alten Steinkreuze im Landkreis Bergstraße, 1975, S.56f., Ziff.1.9
Riebeling, Heinrich - Steinkreuze und Kreuzsteine in Hessen, 1977, S.194, Ziff.6418.2
Mößinger, Friedrich - Steinkreuze zwischen Rhein, Main und Neckar, Archiv für Hess. Geschichte u. Altertumskunde N.F., 1936, S.78, Ziff.79
Winter, Heinrich - Totschlagsühne, "Seelengeräte", in: Heimatliches Erbe, Bd. 1 - Am Wegrand. Fünfzig Beiträge zur Heimatkunde und Heimatpflege in Starkenburg und Nordbaden, ca.1966, S.141-143
recherchiert und bebildert von Rudolf Wild, Annweiler-Queichhambach



Totschlagsühne, "Seelengeräte"
von Heinrich Winter

Mengelbach: Steinkreuz an der
Straße nach Untermengelbach
Wenn auf den Äckern die Halme unter der Sense fallen und auf den Wiesen das letzte Heu gemacht ist, da wird auch die Landschaft weit und offen. Weht der Wind über die Stoppeln, dann tauchen aus ihrer bisherigen Verborgenheit da und dort seltsame steinerne Kreuze auf, von denen niemand recht weiß, warum und wann sie an ihren abseitigen Ort gekommen sind. Es ist reizvoll, immer aber auch schwierig, diesen alten geheimen Dingen nachzugehen und zu versuchen, ein wenig ihre Schleier zu lüften. Tun wir es, dann stellen wir oft fest, daß nur die heutige Lage dieser steinernen Denkmale abseitig ist, daß sie früher an wirklichen Verkehrswegen, nicht selten sogar an deren Kreuzungen lagen. Auch unser heutiges Bild von dem alten Steinkreuz bei Mengelbach liegt an einer alten Straße, die höher im Gelände verläuft. Die neue Straße durchzieht den Talgrund unterhalb des alten Steinkreuzes. Jahrhunderte sind seit seiner Aufrichtung vergangen. Wie von großer und geheimer Schuld bedrückt ist es tief in den Boden gesunken und vermag gerade noch mit einem waagrechten Kreuzesarm aus dem Wiesenboden herauszuschauen. Wäre nicht die Fichte an seiner Seite aufgewachsen und hätte das Steinkreuz gestützt und geschützt, dann hätte die Erde es wohl ganz verschlungen.

Merkwürdige Geschichten erzählt das Volk von diesem Kreuz: Zwei Melkbuben waren vor vielen, vielen Jahren miteinander in Streit geraten und hatten sich dabei gegenseitig erschlagen. Der eine der Buben war darauf hier unter dem Kreuz begraben worden. Der andere soll unter einem anderen Steinkreuz liegen, das sich heute noch oberhalb von Mengelbach im Wald befindet an ebenso einsamer Stelle. Andere erzählen die Geschichte anders. Zu Zeiten einer großen Hungersnot waren zwei Buben um eines Stückchen Brotes wegen in bitteren Streit geraten und hatten sich dabei gegenseitig erschlagen. Es sollen auch drei Buben gewesen sein, drei Zigeunerbuben, die hier an der alten Straße ein Stück Brot gefunden hatten und darüber in Streit geraten waren. Einer wurde von ihnen erschlagen und liege nun unter dem Steinkreuz am alten Weg.

Aber diese Begründungen sind nur Geschichten, die das Volk sich erzählt. Ob eine von ihnen hier für das Mengelbacher Kreuz wirklich zutrifft - wer weiß es? Bisher schweigen sich die alten Urkunden darüber aus. Den Geschichten des Volkes nach könnte es ein Sühnekreuz sein. Solche Kreuzaufrichtungen waren zur Wiedergutmachung eines Totschlages üblich in der Zeit der Totschlagsühne, im 13. bis 16. Jahrhundert. Das Alter des Mengelbacher Kreuzes läßt sich wegen seiner einfachen Formen nicht sicher schätzen. Es kann sehr wohl in diese Zeit zurückgehen, es könnte aber auch noch älter sein. Eine alte wichtige Festsetzung in solchen Sühneverträgen war die Vorsorge für das "Seelengeräthe" des Toten. Da er durch seinen plötzlichen gewaltsamen Tod nicht hinreichend Zeit hatte, noch für seine Erlösung aus dem Fegefeuer zu sorgen, glaubte man, daß seine Seele dort schmachten oder sonst wie ruhelos umherschweifen müsse. Das errichtete Steinkreuz sollte den vorübergehenden Menschen anregen, an Stelle des Toten für dessen Seelenheil zu beten. Das Kreuz sollte der Ruheort sein für die ruhelos umherschweifende unerlöste Seele. Dadurch sind die alten Steinkreuze die Vorläufer der Marterln. Steinkreuze können deshalb auch nur als Erinnerungszeichen an solche Menschen errichtet sein, die außerhalb ihres Hauses durch einen Unfall oder im Kampf umgekommen sind. Manchmal geben sie auch die Stelle an, wohin man Pestopfer bestattet hatte. Selten gehen Kreuze zurück in die Zeit der Landannahme durch Klöster. Vom 7. bis 9. Jahrhundert nämlich pflegten Mönche, wenn sie erstmals dem Kloster geschenktes Land betraten, ein Kreuz aufzurichten, anfangs wohl aus Holz, später mitunter auch in Stein ersetzt.

Im hinteren Odenwald trifft der Wanderer häufiger solche alten Steinkreuze, im vorderen Odenwald sind sie recht selten geworden. Manchmal deutet nur noch ein Flurname auf das ehemalige Vorhandensein. So wird am Rande der Hammelbacher Gemarkung ein Waldstück "das Brandschneiderkreuz" genannt. Über dieses Kreuz erzählt sich das Volk eine alte, unheimliche Geschichte. Ein prahlerischer Schneider im Dorf drunten erbot sich, den Hexen bei ihrem mitternächtlichen Tanz am Kreuzweg zuzusehen. Er legte sich auf die Lauer unter einer Egge, die ihm nach altem Volksglauben Schutz bieten sollte. Als die Hexen aber bei ihrem wilden Tanz den lauernden Schneider erblickten, ritten sie auf ihren Besen mehrmals so heftig über die Egge, daß deren Zähne sich in den Körper bohrten und der Schneider eines jämmerlichen Todes sterben mußte. An der Todesstelle, die ein Kreuzweg war, errichtete man ein Kreuz. Heute erinnert nur noch der Name des Waldstückes daran. Wenn wir auch den dichten Schleier, der zumeist über diesen alten steinernen Zeugen liegt, nicht oder nur wenig lüften können, so sind sie doch unserer Beachtung wert.
(Winter, Heinrich - Heimatliches Erbe, Bd. 1 - Am Wegrand. Fünfzig Beiträge zur Heimatkunde und Heimatpflege in Starkenburg und Nordbaden. Hrsg. von Walter Büge Verlag Buchdruckerei Otto KG, Heppenheim, ca. 1966, S.141-143)


Sühnekreuze & Mordsteine