Deutschland Hessen Lkr. Bergstraße

Mörlenbach

PLZ: 69509

GPS: N 49° 36,167', O 8° 44,888'

Standort: Auf dem höchsten Punkt des Ulrichsberges zwischen Mörlenbach und Zotzenbach.

Größe / Material: 200:95:24 / Sandstein

Geschichte: Das Kreuz ist sauber gearbeitet und steht auf einer Halbrund-Mauer. Es hat im Kreuzungsfeld eine Bildnische und zählt zu den Andachtskreuzen. Durch mehrfache Renovierung (zuletzt um 2000) ist es zeitlich schwer einzuordnen. Sicherlich ist das Kreuz ein religiöses Kultmal aus dem Mittelalter (hier nur wegen seiner Problematik dargestellt). Zu dem Kreuz finden Hagel- und Bittprozessionen statt, die von der Kirche lange nicht sanktioniert wurden.
Neben dem Kreuz hängt eine Info-Tafel: "Wanderer, du stehst an frühchristlicher Kultstätte. Weile und bete".

Sage:

Quellen und Literatur:
Bormuth, Heinz - Die alten Steinkreuze im Landkreis Bergstraße, 1975, S.68, Ziff. 6.1
Riebeling, Heinrich - Steinkreuze und Kreuzsteine in Hessen, 1977, S.188, Ziff. 6318.1
Lesker, Bernhard - Ein vergessenes Heiligtum im Odenwald, in: Gemeindebuch Mörlenbach, 1983, S.621-622



Ein vergessenes Heiligtum im Odenwald
Von Pfarrer Bernhard Lesker (1887 -1897)

Am Montag in der Bitt- und Kreuzwoche begeht die Gemeinde Mörlenbach einen sogenannten gelobten Feiertag, der jetzt mehrfach als Hagelfeiertag bezeichnet wird. Alle Arbeit ruht an diesem Tage wie am Sonntag. Morgens findet in der Pfarrkirche ein feierliches Bittamt statt, und dann zieht die ganze Gemeinde in Prozession auf den St. Ulrichsberg oder Donnersberg, einen mit Eichenwald bestandenen Hügel, der überaus malerisch zwischen den Gemeinden Mörlenbach, Zotzenbach und Rimbach liegt. Ganz in der Nähe befindet sich der zur evangelischen Gemeinde Rimbach gehörige Kreuzberg, der von Rimbach aus gesehen die Form eines Schädels hat. Den Namen Kreuzberg hat dieser Hügel vermutlich von einem Kreuz oder von Stationen, mit denen er zu katholischen Zeiten geschmückt war. Vor der Reformation hatten die größeren Ortschaften vielfach solche Kreuzberge.
Auf dem Ulrichsberge stand in alten Zeiten eine Kapelle, wie der Bauschutt und Fragmente von Bausteinen beweisen, die bei Kulturarbeiten, z.B. beim Anpflanzen von Bäumen, noch immer zum Vorschein kommen. Ob diese Kapelle in der Reformationszeit verfiel, oder ob sie im 30jährigen Krieg zerstört wurde, ist ganz unbekannt. Letzteres wäre nicht unmöglich, denn Hügel und Kapelle lagen unweit der großen Heerstraße, und gleich am Anfang des mörderischen Krieges wurden sowohl Rimbach wie Mörlenbach von den ins Land einrückenden Spaniern unter dem Oberbefehl des Ferdinand Consalvo von Cordova zerstört.
Augenblicklich steht auf dem St. Ulrichsberg nur noch ein schlichtes Kreuz, in das in spätgotischer Zeit Nischen für Heiligenbilder gemeißelt wurden. Dicht dabei befindet sich eine hölzerne Kanzel. Hier wird unter dem Schatten der Eichen am Bittage gepredigt und Andacht gehalten.
Diese Feier ist uralt und hat als Ursache sicher nicht irgendwelche Heimsuchung durch Hagelschlag. Den Namen »Hagelfeiertag« hat wohl erst eine spätere Zeit erfunden, die sich mit ihrer Aufklärung brüstete und nicht zulassen wollte, worüber man nicht Brief und Siegel hatte.
Beharrlich nennen die Mörlenbacher den Hügel »Donnersberg«, obwohl er im Grundbuch als Ulrichsberg bezeichnet ist. Das weist schon darauf hin, daß der Hügel in heidnischen Zeiten dem Gott »Donar«, dem Sohne »Wodans«, geweiht war. Höchstwahrscheinlich war der Ulrichsberg sogar eine alte germanische Opferstätte, lagen doch die dem Gotte Donar geweihten Heiligtümer auf Bergeshöhen und gleicht doch unser Hügel ganz einem gewaltigen Altar.
Von den umliegenden Höhen konnte leicht das ganze Volk der Opferhandlung beiwohnen. Als das Christentum siegreich in den Odenwald vordrang, sicherlich lang später als in der Ebene, werden die ersten Glaubensboten, vielleicht Mönche aus Lorsch, die christliche Frühjahrsprozession eingeführt haben. So macht es die Kirche immer, um den Götzendienst auszurotten, knüpft sie an alte Gebräuche an, falls sich dieselben in christlichem Sinne umändern lassen.
Die Verlegung des Festtages auf den ersten Tag in der Bittwoche lag sehr nahe, als die Bittprozessionen auch in Deutschland eingeführt wurden. Ulrichsberg wurde der Hügel wohl erst später genannt, als eine Kapelle dort gebaut wurde. Daß dieser gelobte Feiertag uralt ist, dafür legen die evangelischen Bewohner des nahen Zotzenbach sicheres Zeugnis ab, die trotz der Verschiedenheit der Konfession den Tag gerade wie die Mörlenbacher durch Enthaltung von knechtlichen Arbeiten begehen. Die Feier muß also schon vor der Reformation bestanden haben.
Auch die Birkenauer und Niederliebersbacher, die bis zum Anfang dieses Jahrhunderts - gemeint ist das 19. Jahrhundert - der Mörlenbacher Pfarrei angehörten, feiern diesen Tag. Sie ziehen nicht auf den Ulrichsberg, sondern die Prozession geht von der Birkenauer Pfarrkirche zur Kapelle in Niederliebersbach, wo im Freien die sogenannte Stuhlpredigt gehalten wird. Auch der Markt, der am Nachmittag des Festes in Birkenau abgehalten wird, weist auf dessen Altertum hin.
(aus dem "Gemeindebuch Mörlenbach", 1983, S.621-622)


Sühnekreuze & Mordsteine