Deutschland Hessen Schwalm-Eder-Kreis

Kleinenglis


Blick zum Standort

Abbildung bei
Riebeling (1977)

PLZ: 34582

GPS: N 51° 4,322', O 9° 14,926'

Standort: Am Westausgang des Ortes.

Größe / Material: 144:84:35 / Sandstein

Geschichte: Auf das historisch wertvolle und interessante "Kaiserkreuz" wurde 1986 ein Farbanschlag verübt. Um die blaue Farbe, mit der das Kreuz verschmiert worden war, zu entfernen, mußten Maßnahmen getroffen werden, die den bislang schon arg mitgenommenen gotischen Schriftsatz auf dem Kreuz noch mehr verblassen ließen. (Riebeling 1988)

Das hohe steinerne Kreuz hat im durchgehenden Stamm bis zum Kopf achteckigen Querschnitt und ruht mit seinem ebenfalls achteckigen Fuß auf einem Steinsockel. Das Querstück der durchgehenden Arme trägt eine gotische Inschrift, die jedoch bis zum heutigen Tage trotz vielerlei versuchten Auslegungen noch nicht entziffert werden konnte.
Wann und von wem das Steinkreuz errichtet wurde, ist nicht bekannt. Die beiden riesigen Linden, die es bislang überschatteten, mußten gefällt werden, sind aber durch junge Bäume wieder ersetzt worden.
An dieser Stelle ist am 5. Juni 1400 Herzog Friedrich von Braunschweig, als er mit seinem Gefolge von der Kaiserwahl in Frankfurt am Main wieder heimwärts zog, von Rittern und Reisigen unter Führung des Grafen Heinrich von Waldeck überfallen und nach tapferer Gegenwehr niedergeworfen und getötet worden. Die Mörder des Herzogs waren die niederhessischen Ritter Friedrich von Hertingshausen und Kunzmann von Falkenberg. Wie es zu dieser Bluttat kam, ist undurchsichtig. Da die Anführer des Anschlags im Dienst des Erzbischofs von Mainz standen (Graf Heinrich v. Waldeck war Oberamtmann der mainzischen Besitzungen in Niederhessen), ist bisher immer angenommen worden, der Mainzer Erzbischof habe die Niedermetzelung angezettelt. Wilhelm Dilich (ND 1961) schreibt 1605 in seiner Hessischen Chronica darüber:

Alß auch in mittels der undüchtige Keiser Wenceslaus
vonn Churfürsten des Reichs entsetzet
vnd Friedrich H. Magni mit der ketten söhn Hertzog
zu Braunschwig an seine statt zum Keiser erwehlet
solches aber dem Bischoff zu Meintz einem gebornen von Nassau zuwider
hat er durch den Grafen von Waldeck/vnd etliche Hessische vom Adel
darunder auch die von Falckenberg vnd Hertingshausen
auff den newerwehlten Keyser halten
vnd bey Engeliß erschlagen lassen: vnd stehet noch an dem ort
da die that vollnbracht
ein hohes steinern creutz.

Andererseits hatte Graf Heinrich von Waldeck eine Schuldforderung von 100.000 Mark Silber an den Herzog von Braunschweig, und da dieser trotz aller Mahnungen noch nichts gezahlt hatte, wird der Überfall, der mit Gefangennahme enden sollte, als eine persönliche "Abrechnung" angesehen.
Das steinerne Kreuz ist kein Sühnemal, sondern wohl ein Erinnerungskreuz, denn als König Ruprecht von der Pfalz sein Urteil über die beiden Mörder fällte, erwähnte er unter den Sühnebedingungen nichts von der Errichtung eines Kreuzes. Das Urteil fiel ungewöhnlich milde aus:
Friedrich von Hertingshausen und Kunzmann von Falkenberg bleiben in Haft, solange es dem König beliebt. Danach sollen sie zehn Jahre geächtet sein und Deutschland meiden, die ersten vier Jahre ohne Gnade, die letzten sechs mit Gnade. Und: Kein Angehöriger ihrer Familien soll es wagen, Rache an den Angehörigen des Herzogs zu nehmen. Das milde Urteil blieb jedoch ohne Anwendung.
Das Kaiserkreuz hat allerlei Schicksale erfahren: Ende des 17. Jahrhunderts wurde es durch umherstreifendes Gesindel umgeworfen und erst 1712 wieder aufgestellt und mit einem Zaun umgeben.
Stücke wurden abgeschlagen, um diese als Amulette zu tragen. Weil ein Fuhrmannglaube umging, das Kreuz würde von einer inneren geheimnisvollen Kraft zusammengehalten, wollten Lütticher Fuhrleute die Haltbarkeit erproben und wackelten solange, bis es umfiel. Man stellte fest, daß die geheimnisvollen Kräfte Holzdübel waren, die für eine gewisse Elastizität gesorgt hatten. 1790 wurde das Kreuz wiederhergestellt und behielt seinen Platz bis heute. (Riebeling 1977)

Sage:

Quellen und Literatur:
Dilich, Wilhelm - Hessische Chronica 1605. Originalgetreuer Faksimiledruck hrgg. v. Wilhelm Niemeyer im Bärenreiter-Verlag, Kassel 1961
Riebeling, Heinrich - Steinkreuze und Kreuzsteine in Hessen, 1977, Nr.4921.1
Riebeling, Heinrich - Historische Rechtsmale in Hessen, 1988, Anhang: Ergänzungen zu "Steinkreuze u. Kreuzsteine in. Hessen", S.XIII, Ziff.4921.1
Endemann, Th. - Am Kaiserkreuz bei Kleinenglis, in: Hessenland. Zeitschrift für hessische Geschichte und Literatur, 24.Jg., Kassel 1910, S.62
Ergänzungen von Manfred Beck, Wutha-Farnroda
aktuelle Aufnahmen von Barbara und Gert Künzl, Bürgel (Fotos von 2010)



Am Kaiserkreuz bei Kleinenglis
Th. Endemann

(Hier wurde am 5. Juni 1400 Herzog Friedrich von Braunschweig bei der Rückkehr von der Kaiserwahl in Frankfurt a.M. von mainzischen Dienstmannen erschlagen.)

Im Lindenschatten träumt ein Kreuz von Stein,
Uralter Arbeit, ernst, geheimnisvoll,
Denn nicht mehr zu entziffern ist die Schrift
Der fast zerstörten, runenhaften Lettern. -
Barmherzig haben Regen, Schnee und Sturm
Die Inschrift ausgelöscht, und es vergaß
Das Dorf die schwere Tat, die hier geschah. -
Wie oft schon fand beim Lindenblütenduft
Sich junges Volk hier treu verliebt zusammen,
Und niemals ward ein liebend Paar erschreckt
Durch blutigen Gespensterspuk - es schläft
Zu tief der Herzog, den man hier erschlagen.

Wie schön der goldene Herbsttag mich umwebt
Im Lindenschatten unterm Kaiserkreuz! -
Der alte Heerweg steigt bergab zur Schwalm,
Die vor mir aus den blauen Bergen bricht.
Zur Linken breitet sich das Wiesental,
Und an der Stockelacher Mühle blinkt,
vom Silbergrün des Weidichts halb versteckt,
Das Wehr. Ein Habicht kreist im Himmelsblau,
Flußaufwärts schwebend, und quer übern Weg,
Dort, wo die Schwalm der Hundsburg Fuß umspült,
Schwingt er plötzlich seitwärts ab zum Horst.

Und dieses Tal, wo still im Herbstesglanz,
Durchspähten einst blutgier'ge Mörderaugen;
Als dort am Fuß der Hundsburg Staub sich hob
Und Waffen blitzten und die Kavalkalde
Des Herzogs raschen Hufschlags näher kam,
Da lockerte in Hohlweg und Gehölz
Am Rand des Heerwegs die verwegne Rotte
Der Mainzer in den Scheiden Schwert und Dolch.

Die Reiter reckten sich im Bügel auf,
Zum Stoß gesenkt der Lanzen starrend Gatter.
- Und dann ein Pfiff wie gellender Habichtschrei,
Und donnernd, wie ein Bergstrom brach's hervor,
Der sich vernichtend in die Täler stürzt. -
Schnell ist des Herzogs bunter Hauf zersprengt,
Und an ihm selbst, wie Rüden an dem Keiler,
Hängen schon drei - vier ! - fünf ! verbissen fest.
Er wehrt verzweifelt sich, doch zerren sie
Unritterlich vom Streithengst ihn herab.
Er fällt im schweren Sturz, und wie er ringt,
Sich wieder aufzurichten, trifft ihn jäh
Ein tück'scher Dolchstoß durch des Panzers Fugen.
- Des Reiches Diadem hatt' er erträumt,
Nun krönt ihn hier der Tod mit dunklen Rosen,
Und Braunschweigs edler, ritterlicher Herr
Liegt, feig erschlagen, in dem blut'gen Staub. -

Ein dunkler Wolkenschatten eilt durchs Tal
Und trübt sein schönes Bild; - ein kühler Hauch
Durchfröstelt mich, und wie ein Stöhnen bebt
Es durch der Linden schauerndes Geäste.
Doch sieghaft bricht die Sonne wieder durch,
Und neu belebt erblüh'n der Landschaft Farben.
- Hinweg, du wilde, schreckvolle Tat!
Hinweg ins Dunkel einer trüben Zeit,
Die längst versank! - Du schöner, blauer Fluß
Durchströmte segnend immerdar dies Tal!
Ihr Wiesen grünt, ihr Felder wogt von Korn,
Ihr Wälder rauscht ein ew'ges Friedenslied!
Und ihr zwei Linden raunt noch manchem Paar
Leis flüsternd nun noch holder Liebe Glück,
Die arglos euerm Schutz sich oft vertraut!


(Hessenland. Zeitschrift für hessische Geschichte und Literatur, 24.Jg., Kassel 1910, S.62)


Sühnekreuze & Mordsteine