Deutschland Bayern Lkr. Augsburg

Hiltenfingen

PLZ: 86856

GPS:

Standort: Ortsmitte.

Größe / Material:

Geschichte: Seit 1993 steht hier eine Nachbildung des Originalkreuzes.

Das Steinkreuz von Hiltenfingen steht auf der Gerichtsstätte unter der Linde vor dem Pfarrhofe. Dr. Raiser erwähnt in seinen Beiträgen für Kunst und Altertum vom Jahre 1831 S.27 zwei Kreuze an diesem Platze als römische Hermes (römische Wegweiser), einen größeren zwei Fuß hoch aus der Erde ragend, und einen kleineren Maltheser-Kreuz-förmigen Stein.
Jetzt ist nur mehr ein Kreuz vorhanden am sogenannten "Stillstand unter der Linde". Es ist ohne Inschrift und Zeichen, stark verwittert, teilweise mit Zement ausgebessert; Höhen- und Breitenachse 95cm.
Raisers Ansicht dürfte nicht der Richtigkeit entsprechen. Das Kreuz hat mit den Römern zweifellos nichts zu tun, denen ja das Kreuz das Zeichen der Schmach war und die aus diesem Grunde wohl nicht Kreuze als Wegweiser setzten. Außerdem steht das Kreuz an einem Platz, an dem wohl nie eine römische Straße vorbeizog. Das Kreuz ist vielmehr weit späteren Ursprungs.
Man könnte es als einen sogenannten "Freistein" bezeichnen. Seit uralten Zeiten nämlich hatten Kirchen und Klöster das "Asylrecht", d.h. flüchtete ein Verbrecher in diese, oft nur an einen bestimmten Ort oder Raum, "Freiung" genannt, durfte ihn von da niemand mit Gewalt herausholen. Auch weiltliche Orte hatten dieses Asylrecht. So war z.B. in Ziemetshausen die sogenannte "Herrgottsecke" in der Tafernwirtschaft ein solcher Asylort. Im Freien waren solche Asylorte durch steinerne Kreuze gekennzeichnet. Erreichte ein Verfolgter ein solches Kreuz, "Freistein" genannt, so durfte er nicht verhaftet werden.
Ob nun unser Steinkreuz einen solchen "Freistein" darstellt, ist nicht mit Bestimmtheit anzunehmen. Wahrscheinlicher ist es für ein sogenanntes "Sühnekreuz" zu halten wie es auch vom Volksmund bezeichnet wird.
Es ist eine Eigentümlichkeit des Mittelalters, daß es nach unserer Anschauung geringfügige Vergehen auf die härteste Weise, z.B. mit Handabhauen, Augenausstechen, foltern aller Art, ja mit Tod bestrafte, während der Totschlag eines Menschen auf verhältnismäßig leichte Art gesühnt werden konnte. Hauptsächlich vom 12.Jahrhundert bis in das 16.Jahrhundert wurde der Totschlag, worunter oft viele eigentliche Morde inbegriffen waren, nicht immer blutig bestraft. Gewöhnlich traf sogar der Totschläger mit den Angehörigen des Ermordeten ein Übereinkommen, was man "Besserung" des Mordes nannte. Diese "Besserung" bestand meistens darin, daß der Totschläger den nächsten Angshörigen des Getöteten eine Summe Geldes, über deren Höhe man übereinkam, geben mußte;daß der Täter auf seine Kosten feierliche Gottesdienste abhalten lassen mußte, denen er beizuwohnen und wobei er ein Opfer (z.B. an Wachs zum Gottesdienste) abzulegen hatte. Oft mußte der Mörder eine größere Anzahl von Messen für den Getöteten lesen lassen; mußte ferner nach dem Gottesdienste die Grabstatt sei Opfers besuchen und für dessen Seelenheil beten, wobei er nach dem ortsüblichen Brauche mehrmals um das Grab herumzugehen, laut um Verzeihung zu bitten, sich auf das Grab legen, Almosen zu geben hatte usw. Oft mußte der Täter noch einen Jahrtag für den Ermordeten stiften und zur Buße Wallfahrten (nach Rom oder anderen entfernten Orten) unternehmen, - immer mußte aber an der Stelle, an welcher der Totschlag geschah, ein steinernes "Sühnekreuz" errichtet werden. Dieses war in der damaligen Zeit die gebräuchlichste Art der ''Besserung" eines Toschlags, die in allen Stücken genau befolgt werden mußte. Wenn man dagegen die armseligen Vermögensverhältnisse der damaligen Zeit, die schweren und unsicheren Verkehrswege in Betracht zieht, war eine solche Sühne ein sehr großes Opfer.
Akten, die bezeugen könnten, ob unser Steinkreuz als "Freistein" oder "Sühnekreuz" zu werten ist, sind keine vorhanden. Darum bleibt in unserem Falle die Frage "Freistein" oder "Sühnekreuz" offen.
An dem Steinkreuz, das 25 Meter südlich der Dorflinde stand, war ein schmaler Weg angelegt, der zum Pfarrhof und zur Kirche führte. Im Jahre 1970 beschädigte ein LKW bei einem Wendemanöver diesen steinernen Zeugen der Frühzeit erheblich.
Eine notdürftige Reparatur verhinderte den völligen Zerfall des brüchigen Materials (wahrscheinlich Tropfstein). Beim Straßenausbau 1976 wurde das Steinkreuz dann entfernt. In einer dafür geschaffenen Anlage wurde ein Sockel etwas nördlich des bisherigen Standortes gefertigt. Von der Gemeinde wurde die Beschaffung eines entsprechenden Rohlings eingeleitet. Es stellte sich heraus, daß es ein schwieriges und kostenaufwendiges Unternehmen werden sollte. (Gde. Hiltenfingen 2006)

Sage:

Quellen und Literatur:
Steinkreuze, in: Deutsche Gaue, Band III, 1901, S.42
Pötzl, Walter - Mörder, Räuber, Hexen. Kriminalgeschichte des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Mit Beiträgen von R. Heydenreuter u.a., Augsburg 2005 = Beiträge zur Heimatkunde des Landkreises Augsburg, Bd. 20, S.169
Sinkelbote, 6.Jg., S.75
Auskunft der Gemeinde Hiltenfingen, 2006
recherchiert und bebildert von Thomas Pfundner, Holzschwang


Sühnekreuze & Mordsteine