Deutschland Sachsen-Anhalt Burgenlandkreis

Pödelist

PLZ: 06618

GPS: N 51° 12.346', O 11° 50.174'

Standort: An der Seite des Transformatorenhauses.

Größe / Material: 90:58:30 / Muschelkalk

Geschichte: Das Kreuz stand früher (1937) nördlich des Transformatorenhauses.

Sage: An dieser Stelle soll ein französischer Offizier sein Leben verloren haben.

Quellen und Literatur:
Saal, Walter - Steinkreuze und Kreuzsteine im Bezirk Halle, 1989, S.25
Ritter, Hans - Chronik von Pödelist 1052-1990, 1990, S.9ff
Ergänzungen von Uwe Riedel



Chronik von Pödelist 1052-1990
von Hans Ritter (1926-1992)

Pödelist
... Aus dieser Zeit stammen auch die Steinkreuze, die in Mitteldeutschland häufig zu finden sind. Diese stummen Zeugen der Vergangenheit bieten sich dem Betrachter auch in Pödelist dar.
Sie wurden zu einer Zeit aufgestellt, für die die vorreformatorischen schriftlichen Quellen nur spärlich zu nutzen sind. Walther Saal, einer der besten Kenner dieser Thematik, schreibt in seiner Veröffentlichung von 1989 "Steinkreuze und Kreuzsteine im Bezirk Halle" hierzu:

"Nur die Kundigen werden die Steinkreuze und Kreuzsteine als Sühnezeichen für Totschlag oder als Gedenkmale vor allem des 14. bis 16. Jh. bzw. als Zeichen des Glaubens an die Wirksamkeit einer Sühnehandlung für das Heil der Seele erkennen. Mit dem Gedankengut der Reformation erlosch dieser Brauch immer mehr, und verlor mit der peinlichen Hals- und Gerichtsordnung Karl V. aus dem Jahre 1532 zudem auch formal seine Berechtigung, da nunmehr Totschlag im öffentlichen Strafvollzug geahndet wurde.
Freilich verlor sich das mit dem Aufstellen der Steinkreuze verbundene Gedankengut immer mehr, so dass in jüngster Zeit Sagen und Legenden, ja Kunsterzählungen, um diese Flurdenkmale gewoben wurden, mit denen - wenn der wahre historische Hintergrund nicht mehr erschlossen werden konnte - versucht wurde, indirekt oder sogar in entstellender Form den ursprünglichen Grund für die Errichtung dieser Sühnezeichen zu rekonstruieren."

Ein in Pödelist stehendes Steinkreuz ist auf der Ostseite des Transformatorenhauses etwa 2 -3m entfernt, an der Kreuzung der Straßen Freyburg-Markröhlitz (volkstümlich: Heerstraße) und Pödelist-Dobichau zu finden. Das Kreuz besteht aus Kalkstein, welcher starke Verwitterungsspuren aufweist. Es soll aus dem 15. Jahrhundert stammen.
Seine Maße betragen 90:58:30cm. Nach Saal soll an dieser Stelle ein französischer Offizier sein Leben verloren haben. Bei dieser Aussage dürfte es sich um einen Irrtum handeln. Wo sollte etwa 1450 ein französischer Offizier sich in die Pödelister Gegend verirrt haben. Im Volksmund wird das Kreuz das Schwedenkreuz genannt. Außerdem sprechen noch zwei schriftliche Überlieferungen gegen diese Annahme.
In der alten Gemeindeordnung, welche bereits vor 1643 bestand, steht mehrfach im Originaltext geschrieben:

"Wenn von der Gemeinde eine Zeit wie sonst üblich, benennt wird, so soll der Schulz einen jeden ansagen, daß er bei den Creuzsteinen erschiene, und mit umbs Fluhr gehen..."

Dobichau

Es gibt weiterhin einen Hinweis, dass wahrscheinlich auf jeder Ecke der genannten Kreuzung solch ein Kreuz gestanden hat. Wörtlich wiedergegeben lautet diese Überlieferung:

"Noch vor wenigen Jahren stand auf der, demselben schräg gegenüberliegenden Ecke, welche durch die eine Seite des Dobichauer und die andere des Freyburger Weges gebildet wurde, ein zweites Kreuz und es ist nicht unwahrscheinlich, dass jede Ecke des Kreuzweges mit einem solchen geziert war."

Aus diesen Angaben geht eindeutig hervor, dass auf der Kreuzung mindestens noch ein Kreuz existiert haben muss. Der Verbleib des zweiten Kreuzes ist leider völlig unklar.
Hier drängt sich dem Betrachter unwillkürlich der Gedanke auf, dass drei in Dobichau gesammelte Steinkreuze, welche im ehemaligen Schulgarten an eine Wand gelehnt zu finden sind, auf der genannten Kreuzung ihren ursprünglichen Standort hatten.
Alle drei Kreuze werden von Saal in das 14. und 15. Jahrhundert eingeordnet. Diese drei Kreuze wurden mehrfach umgestellt. Letztmalig bisher 1989 als für den Bau eines Verwaltungsgebäudes der LPG (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft) Baufreiheit geschaffen wurde. Sie stehen jetzt an der südlichen Seitenwand der ehemaligen Schule. Die Vermutung, dass die Kreuze an ihrem alten Standort einer landwirtschaftlichen Flächenbearbeitung im Wege standen, ist ebenfalls anzuzweifeln, da diese in fast allen Fällen an Straßen, Wegen und anderen markanten Orten aufgestellt wurden. Aus dieser Erkenntnis heraus gewinnt die Vermutung an Wahrscheinlichkeit, dass alle vier Kreuze an der mehrfach genannten Kreuzung ihren eigentlichen Standort hatten.
Dobichau
Die Beschreibung der drei Dobichauer Steinkreuze ist folgende: Ein Kreuz ist ein stark beschädigtes Reststück mit den Maßen 48:42:19cm. Das zweite Kreuz weist die Maße von 93:59:18cm auf. Auf der Sichtseite, ist deutlich ein Schwert zu erkennen. Links des Schwertes sind Reste einer Beileinritzung undeutlich zu erahnen. Das dritte Kreuz ist ebenfalls leicht beschädigt. Nach Sieling (???) soll auch auf ihm eine Schwertdarstellung sichtbar gewesen sein. Heute ist leider nichts mehr erkennbar. Die Maße sind 85:57:24cm. Alle drei Kreuze hatten vermutlich parallelkantige lateinische Formen und wurden aus Muschelkalk etwa Ende des 15. Jahrhunderts hergestellt. Vermutlich finden sich die drei Kreuze auch auf dem Dobichauer Dorfsiegel von 1753. Die Mitte des Siegels nimmt eine Linde ein, an deren Stamm ein Steinkreuz angebracht ist. Zu beiden Seiten der Linde steht ein weiteres Steinkreuz. In einer Notiz im Kreisarchiv Naumburg 1774 besagt, dass die Kreuze vor einer Getreidegarbe dargestellt seien. Das dürfte eine Fehldeutung sein. Die Linde ist zwar stilisiert gezeichnet aber sonst gut erkennbar. (siehe Anlage Siegel)
Wenn auch anzunehmen ist, dass die Kreuze nicht zusammen gestanden haben, sondern nur benachbart, so müssen sie doch nach dem Siegel zu urteilen, sehr früh zusammengestellt worden sein.
Burgholz (zu Freyburg)
Noch ein Steinkreuz befindet sich in der näheren Umgebung und zwar im Nordzipfel des Freyburger Burgholzes. Auch dieses Kreuz wird von Saal dem 15. Jahrhundert zugeordnet. Es ist ebenfalls aus Kalkstein gearbeitet und hat einen verbreiterten Fuß. Seine Maße sind: 49:39:16cm. Es ist damit relativ klein und wird durch seinen versteckten Standort leicht übersehen. Das Kreuz ist mehrfach umgeworfen und wieder aufgestellt worden. Zeugen dafür sind die Beschädigungen des östlichen Armes und die starken Abschläge am Kopf. Auf der Sichtseite ist ein 32 cm hohes Schwert mit einer 16 cm breiten Parierstange eingearbeitet. Der Sage nach soll hier 1632 ein evangelischer Geistlicher von Holkeschen Soldaten ermordet worden sein. Der Zeitpunkt (1632) spricht aber gegen den Wahrheitsgehalt dieser Überlieferung.

Trotz intensivster Forschungsarbeit ist bis heute das Phänomen der Steinkreuze nicht eindeutig geklärt. Man kann jedoch mit ziemlicher Sicherheit sagen, daß etwa 80% aller im Mitteldeutschen Raum gefundenen stummen Zeugen der damaligen Zeit, als Mord- und Sühnekreuze anzusprechen sind. Das gilt insbesondere für solche Kreuze, die keinerlei Zeichen tragen oder in denen eine mögliche Mordwaffe eingeritzt und die entsprechende Formgebung vorhanden ist. Offen bleibt die Frage, ob der sbeltäter das Kreuz herstellen lassen und aufstellen mußte, oder wurde es von der Familie des Opfers oder des Täters zur Erinnerung an eine Bluttat oder an einen Unglücksfall errichtet. Wer ordnete das Aufstellen an? War es eine weltliche oder geistliche Instanz, oder war es nur ein ritueller Brauch?
Dobichauer Dorfsiegel

Alle diese Fragen können noch nicht allgemeingültig geklärt werden. Es scheint aber erwiesen, dass die Haupterrichtungszeit zwischen 1300 und 1500 lag. Dennoch gibt es auch Steine die älter sind und auch eine ansehnliche Zahl, die aus jüngerer Zeit stammen. Wobei bei letzteren sich, wie bereits angedeutet, der Sinn der Aufstellung gewandelt hatte. So haben wir häufige Kunde, dass Kreuze zur Erinnerung an Menschen errichtet wurden, welche tödlich verunglückten, z.B. durch Blitzschlag, Erfrieren im Schneesturm, Sturz von Pferd und andere Todesursachen.
Man nimmt an, daß diese Steinkreuze in der Regel am Ort des Unglückes errichtet wurden. Es ist aber auch bekannt, daß eine anderweitige Aufstellung möglich ist und zwar an vielbegangenen Wegen, damit möglichst viele Gebete von Vorbeigehenden dem Getöteten zugute kamen. Auch die Einritzungen auf den Steinkreuzen lassen verschiedene Interpretationen zu. Wir haben bereits gesagt, daß viele der Steinkreuze keine Inschriften tragen, da zu jener Zeit kaum jemand lesen konnte. Durch das Einzeichnen von Bildern konnte man nun diesen Kreuzen eine gewisse Aussagekraft verleihen. Weil ein guter Teil der Darstellungen (Beil, Schwert u.s.w.) als Mordwerkzeuge denkbar sind, werden sie auch als solche gedeutet. Andernseits ist eine ältere thüringische Urkunde bekannt, nach der man einem getöteten Schneider zum Zeichen seines Berufes eine Schere in sein Steinkreuz einmeißelte. So kann ein Schwert oder ein Spieß ebensogut einem Krieger zum Gedenken dienen.
(Ritter, Hans - Chronik von Pödelist 1052-1990, 1990, S.9ff)


Sühnekreuze & Mordsteine