Deutschland Sachsen-Anhalt Lkr. Halberstadt

Osterwieck


Blick zum Standort
(Rückseite)

Detail Näpfchen

PLZ: 38835

GPS: N 51° 57,82', O 10° 44,234'

Standort: Wenn man von Berßel nach Osterwieck fährt, so befindet sich das Kreuz kurz vor Osterwieck rechts von der Straße am Rand des Billigsberges. Es ist wegen dieser exponierten Lage von der Straße aus gut zu sehen, obwohl es noch ein ganzes Stück davon entfernt ist.

Größe / Material: 83:76:19-23 / Sandstein

Geschichte: Das Steinkreuz steht auf dem Billigsberg an der ehemaligen Poststraße von Cleve über Minden nach Halberstadt. Dieser alte Weg ist jedoch heute kaum noch zu erahnen. Auf dem Billigsberg soll früher auch eine alte Gerichtsstätte gewesen sein. Ob das Kreuz damit in Verbindung gebracht werden kann, ist jedoch fraglich. Auf alle Fälle ist es wohl älter als die auf ihm eingeritzte Jahreszahl 1763 (es befindet sich auch ein Näpfchen am Kopf des Kreuzes). Diese Jahreszahl soll sich auf eine Begebenheit beziehen, die im "Hauß-Buch von Berßel", welches sich im Freiherrlich Rössingschen Archiv in Rössing bei Nordstemmen befinden soll, wie folgt geschildert wird:
"Im Jahre 1763 in der Nacht zwischen d. 10ten u. 11t. März fähret die post über meine 24 Mrg. am Billies berge, einen Pfandenweg, u. schmeißet bei dem Auffahren auf die Wiesen von dem Acker den Postwagen um, wobei er Schirrmeister Alberts erbärmlich um das Leben gekommen. Der Cörper wird, da er in meiner Jurisdiktion gestorben, so forth Nach Berßel gebracht u. da auf dem Kirchhofe begraben. Es ist dieser Todt so sehr schnell gek.[ommen], sehr remarqable. Ich habe da ein große steinern Kreutz al monument mit 1763 setzen lassen. FRE v.Rössing". (Hoffmeister, 2.März 1995)

Wegen dieses Unfalles wurde das Kreuz seitdem auch "Postillionkreuz" (Saal 1992) genannt, obwohl der Vorfall selbst bald in Vergessenheit geriet, und die oben zitierte Stelle erst 1995 von Karl Hoffmeister im Rössingschen Archiv entdeckt wurde. Da die alte Poststraße über den Billigsberg wohl im 18.Jahrhundert in einem sehr schlechten Zustand war (o.V. 1995), nutzte nicht nur Schirrmeister Alberts ersatzweise die Wiesen des Feiherrn von Rössing, die etwa dort waren, wo die heutige Straße von Berßel nach Osterwieck ist. Der Freiherr, damals Erbherr auf dem Gut Berßel, erlaubte ein Befahren seiner Wiesen gegen ein Wegegeld (deshalb der o.g. Ausdruck "Pfandenweg"). Man fuhr wegen der schlechten Poststraße sogar im Bett der Ilse, besonders im Winter. Dabei ist im Jahre 1719 Andreas Schattenberg im Eis stecken geblieben und erfroren (Hoffmeister, 15.März 1995). Da man auch ihm einen "Todten Stein" setzte, nahm man zeitweise an, daß es sich dabei um das Kreuz auf dem Billigsberg handeln könnte, was jedoch wegen der eindeutigen Aktennotiz und der übereinstimmenden Jahreszahl mit dem Postkutschenunfall von 1763 nicht wahrscheinlich ist.

Für das in das Kreuz beidseitig eingeritzte B gibt es keine eindeutige Erklärung. Vielleicht könnte es für Berßel stehen. In der Literatur von Saal wird erklärt, die sich darauf beziehende Schreibart "Bostillion" sei wohl eine üble Nachrede für die Osterwiecker. Reiche (2000) erzählt dazu folgende Anekdote:
Es mag im Jahre 1928 gewesen sein, als unser Lehrer Paul Eisert und seine Mittelschulklasse, mit Spaten und Scheuerbürsten bewaffnet, auf den Billigsberg zog, um das Kreuz einmal wieder gerade zu rücken sowie von Moos und Flechten zu befreien. Was macht ein Lehrer, wenn er nicht weiß, was der große Buchstabe B bedeutet? – Er fragt seine Schüler, wie sie sich das denken. Da meldet sich Karl-Heinz, der erst vor kurzem aus Thüringen in die Klasse gekommen und seinen breiten Dialekt nicht abgelegt hatte: "Herr Lehrer, das ist doch ganz einfach, Sie haben uns erzählt, daß hier einer umgekommen ist, und das B bedeutet Bostillion!"

Sage: Hier soll ein Schäfer ermordet worden sein. (Saal 1987)

Quellen und Literatur:
Saal, W.: Verzeichnis der Steinkreuze des ehemaligen Landes Sachsen-Anhalt, Teil 2, in: Jahresschrift für mitteldeutsche Vorgeschichte, Band 38, Halle 1954, S.257-264
Saal, Walter - Steinkreuze und Kreuzsteine im Bezirk Magdeburg, 1987, S.10
Das Postillionskreuz, in: Saal, Walter - Steinkreuzsagen aus Sachsen-Anhalt, 1992, S.15
Gille, Fritz - Rund um den Billigsberg und Berßel im Landkreise Halberstadt, in: Nachrichtenblatt der Landelektrizität GmbH Überlandwerk Derenburg 11 (1932), S.58
Hoffmeister, Karl - Jetzt Gewißheit: Postkutsche verunglückte auf Billigsberg - Buch in Freiherrlich Rössingschem Archiv gibt Aufschluß. In: Rund um den Fallstein, 2.März 1995
Hoffmeister, Karl - Aufzeichnungen aus alten Büchern Berßels und Osterwiecks, in: Volksstimme vom 15.März 1995
Kunze, W. - Von Steinkreuzen in Feld und Wald. In: Germanien 7 (1935), S.291-298
Reiche, Gerhard: Das Kreuz auf dem Billigsberg - Etliche Nachrichten zusammengestellt im April 2000 für die Harzbücherei Wernigerode, Manuskript
Weigel, K. Th. - Von Steinkreuzen und Sühnesteinen im Harz, in: Montagsblatt 73 (1931), Nr.23, S.180-182
o.V. - Post zog den Weg durch die Berßeler Wiesen vor - Um 1800 wurde mit Bau der heutigen Landstraße begonnen, in: Volksstimme vom 7.März 1995
recherchiert und bebildert von Ute Fuhrmann / Rainer Vogt, Thale (Fotos von Februar 2007)


Sühnekreuze & Mordsteine