Geschichte & Forschung Aberglaube & Brauchtum

Menhire
auch Hinkelstein, Heidenstein, steinerne Jungfrau, Langer Stein etc.


 Begriffserklärung 

Menhir, auch Hinkelstein genannt, ist eine ursprünglich bretonische Bezeichnung für einen hochkant aufgerichteten "mehr oder minder großen Stein" oder Monolithen. Sie bedeutet "Langer Stein" (maen = Stein, hir = lang) und fand bereits Ende des 18.Jh. als wissenschaftlicher Begriff Eingang in die archäologische Fachliteratur Frankreichs. Bald wurde die Bezeichnung in Europa übernommen.
Menhire sind freistehende, manchmal phallisch geformte Steine, die einzeln oder in Quadraten, Kreisen oder Reihen angeordnet wurden. In Westeuropa sind für letztere Bezeichnungen wie Alignement und Cromlech im Sinne von (Steinkreis) geläufig. Auf den britischen Inseln versteht man dagegen unter einem Cromlech die kreisförmige Anordnung von Megalithen zu einem Dolmen. Menhire können bearbeitet sein. Einige sind mit Schlangen, Spiralen oder Gerätschaften verziert, die ihre zeitliche Einordnung erleichtern.
Menhire mit menschlichen Konturen nennt man Statuenmenhire. Sie kommen rund um das westliche Mittelmeer, in der Schweiz und auf den Kanalinseln vor. In Deutschland sind die drei Bamberger Götzen die einzige Erscheinung dieser Art. [vgl. auch: Götzensteine]
Von den Findlingen - während der Eiszeit durch Gletscher verschleppte erratische Felsbrocken - unterscheiden sich die Menhire dadurch, dass sie bewusst vertikal gestellt und in der Erde fest verankert wurden. Manchmal wurden sie über eine gewisse Distanz transportiert. Menhire sind bevorzugt an Berghänge, auf natürliche Anhöhen, an Wegrändern, Wasserstellen und Bachläufe verbracht worden, immer in freier Flur und (zumindest heute) oftmals weithin sichtbar.
(Wikipedia - Menhir)

Menhire (Menhir bedeutet in der bretonischen Sprache "langer Stein") sind aufgerichtete Steine, die die Ahnen repräsentieren und als deren Ersatzleib die Seele der Verstorbenen beherbergen. Sie wurden kultisch verehrt und um Rat befragt, weshalb sie mitunter im Kreis aufgestellt wurden, wie im Fall der Steine von Krimpe, wobei die Gruppe um 1840 noch aus sechs Steinen bestanden haben soll. Um die Hilfe der Ahnen zu erlangen, waren magische Riten erforderlich, die die Steine zum Leben erweckten, sie "sprechen ließen". Dabei dürfte Blut als Sitz der Lebenskraft und als lebenspendende Substanz eine Rolle gespielt haben, mit dem man die Steine vitalisieren konnte. Menhire wurden vornehmlich in der Jungsteinzeit (3600-2200 v.Chr.) aufgestellt.
(Information des Landesamtes für Archäologie in Sachsen-Anhalt)



 kleinere Abhandlungen zu "Statuen-Menhiren" 
Wittmann, Leonhard - Götzensteine, 1940
Wittmann, Leonhard - Der "steinerne Markmann" von Strüth, 1959


 dokumentierte Beispiele 
Dölau (SA)
Aschersleben III / IV (SA)
Sippersfeld (RLP)
Räther (SA)
Buttelstedt (TH)
Albsheim an der Eis (I) (RLP)
Sangerhausen III (SA)
Krimpe (SA)
Seehausen (SA)
Börnecke (SA)
Eilsleben (SA)
Güsten (SA)
Welfesholz III (SA)
Saubach II (SA)
Ermsleben (SA)
Dittelsheim-Heßloch (III) (RLP)



 Beispiele für nachträglich christianisierte Menhire 
Ferschweiler (RLP)
Meisenthal (F)
Wasserleben (SA)
Obersaulheim (RLP)
Bann (RLP)
Brombach (BW)
Schönwald (BY)
Meyerode (B)
Blieskastel (SL)



 weitere Meldungen 

   So hat, wie wir wissen, das Konzil von Tours im Jahre 567 allen jenen Personen, welche der heidnischen Gewohnheit gemäß ihre Gebete bei den Menhiren, den großen Steinen verrichteten, das Betreten der christlichen Kirchen offiziell verboten. Die Kirchenversammlung von Toledo (681/682) nahm wegen Unterbindung der in aller Heimlichkeit fortgesetzten Verehrung der alten Gottheiten und der Verrichtung nicht gern gesehener kultischer Handlungen an Steinen erneut zu dem 567 zu Tours erlassenen Verbot Stellung. Die Hartnäckigkeit jedoch, mit welcher ein nicht geringer Teil der Bevölkerung die von ihren Vätern ererbten Sitten und Gebräuche bei den Menhiren fortführten, führte schließlich dazu, daß das Konzil zu Nantes 687 strengere Maßnahmen ergriff und anordnete, daß diejenigen Steine, bei welchen heidnische Kulthandlungen wahrgenommen würden, auszugraben, umzustoßen und an ihrer Stelle christliche Kapellen zu errichten seien. Siebzig Jahre später, im Jahre 743, befaßte sich die Synode von Liftinae, da der Steinkult immer noch geübt wurde, ebenfalls mit der Abschaffung dieser heidnischen Sitte und stellte ein Verzeichnis der von der Kirche verbotenen und als heidnisch bezeichneten Gebräuche auf. Dieser Indiculus superstitionum et paganiarum enthält leider nur noch die Ueberschriften von 30 verloren gegangenen Kapiteln, welche die verbotenen heidnischen Gebräuche behandelten. Das 7. Kapitel handelt von den Gebräuchen, welche man an Steinen oder Felsen beobachtete. Bonifatius, der als päpstlicher Legat den Vorsitz dieser Versammlung inne hatte, duldete nicht einmal Kreuze an Brunnen und auf den Feldern, weil man dort die Darbringung heidnischer Opfer beobachtete. Diese Maßnahme erinnert an die von dem christlichen Apologeten Minutius Felix um das Jahr 180 herum verfaßte Schrift "Octavius" in welcher das Kreuz als heidnisches Symbol bezeichnet wird. Auch die Schriften des heiligen Pirmin († 754) enthalten dieselben Gebräuche verzeichnet, gegens welche Bonifatius in Liftinae seine Verbote erließ. Die Nichtbeachtung der von der Kirche wegen der heidnischen Sitten und Gebräuche ausgesprochenen Verbote führte schließlich dazu, daß Kaiser Karl der Große in seinen auf dem Landtag zu Aachen 789 erlassenen Kapitularien unter anderem auch bestimmte, daß die vor Gott verwerfliche Sitte, an Bäumen, Quellen und Steinen Andachten zu verrichten, zu verbieten, und die dabei ertappten Personen zu bestrafen seien. Das zähe Festhalten des Volkes an seinen altererbten religiösen Gepflogenheiten veranlaßte schließlich die Kirche, ihre bisherigen Christianisierungsmethoden, entsprechend den Ratschlägen, die Papst Gregor der Große dem Abt Millitus bereits im Jahre 601 brieflich übermittelte, zu ändern. Man ging dazu über, die heiligen Stätten der zu bekehrenden Völker nicht mehr zu zerstören, sondern die für diese Plätze überlieferte Ehrfurcht zu benützen, um dem an solchen Stellen bestehenden Gottesdienst ein christliches Gepräge zu geben. Im Zuge dieser Maßnahmen führte der aus dem Kreuzzug zurückgekehrte Abt Odilo von Clugny im Jahre 998 das Allerseelenfest ein. Mit dieser Einführung versuchte Odilo die zeitlich verschieden gefeierten Totenfeste auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen und dem Volk ein Fest zurückzugeben, das im Totenkult unserer Vorfahren eine große, wenn auch ganz anders geartete Rolle spielte. Die Art und Weise, mit welcher jedoch das unter dem Zwang der Verhältnisse zum Christentum übergetretene Volk die von der Kirche verachteten Gebräuche seiner Väter fortsetzte, nötigte im 11. Jahrhundert den Bischof Burkhard von Worms eine Bußordnung zu erlassen, die zur Feststellung, aber auch zur endgültigen Beseitigung der noch vorhandenen heidnischen Gebräuche dienen sollte. Nach diesen Vorschriften hatten die Priester die Pflicht, in Beichtangelegenheiten nur dann Absolution zu erteilen, wenn der Beichtende das Glaubensbekenntnis abgelegt und verschiedene vorgehaltene Fragen beantwortet hatte. Die für unsere Forschung in Betracht kommende Frage lautete: "Bist Du zum Beten an einen anderen Ort gegangen als in die Kirche? Etwa an Quellen, Bäume, Steine oder Kreuzwege und hast Du dort irgend ein Heil für Deinen Leib und Seele gesucht?"
(Seidenstücker, Gustav - Geschichte und Bedeutung einer alten Steinkreuzsage, in: Das Steinkreuz, Jahrgang 10, 1950, Heft 1/2, S.20-28)

Zum Schluß mag noch gesagt sein, daß eine gerade Linie von den Steinkreuzen zu den Runensteinen und von hier zu den Großbauten der Menhirs der Megalithkultur führt. Diese Linie genau nachzuweisen, ist der heutige Sinn und Zweck der Steinkreuzforschung, nachdem die mittelalterlichen Gegebenheiten vollkommen geklärt sind. Mit der Erforschung dieser vorchristlichen Denkmale wird eine der tiefsten seelischen Regungen unserer Vorfahren lebendig werden, die sich zum Teil auch heute noch spüren und beobachten läßt; diese seelische Regung manifestiert sich in den mittelalterlichen Sühnekreuzen.
(Wittmann, Leonhard - Die mittelalterliche Bedeutung der Sühnekreuze, o.J.)

   Weingärtner hat in seinem gehaltvollen Schriftchen: "System des christlichen Thurmbaues etc." auch die Todtenleuchten in den Kreis der Erörterung gezogen, ohne jedoch den Ursprung und die früheste Bedeutung nachzuweisen; er hat Seite 59 die Hoffnung ausgesprochen in Viollet-le-Duc's Dictionnaire, wenn derselbe einmal zum L gekommen sein würde, die nöthigen Aufschlüsse darüber zu finden. Ob ihn das daselbst gesagte, nachdem nun jene Partie erschienen ist, vollständig befriedigt haben würde, bleibt dahingestellt. Viollet glaubt in dem celtischen Alterthum den Ursprung suchen zu müssen, um so mehr als man sie in Frankreich vorzugsweise in den Gegenden findet, wo auch die Menhir's vorkommen. Letzteres mag zufällig sein; sie waren aber im Mittelalter in ganz Deutschland ehenfalls verbreitet und sicher in Italien und England, in Frankreich und Spanien auch; nur sind wohl sehr viele desshalb verschwunden, weil auf solche unbedeutende Werke Niemand achtete; auch sind sicher noch manche vorhanden, auf die man jetzt noch nicht achtet.
(Essenwein, A. - Über einige Todtenleuchten in Österreich, in: Mittheilungen der K. K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale, VII.Jhg., Wien 1862, S.319-325)

Vom Ursprung her liegen dieser Sitte Gedanken zugrunde, die weit in die Vergangenheit sogar bis in die Vorgeschichte ganz verschiedenartiger Völkergruppen zurückverfolgt werden können. Steinsetzungen sind nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Teilen Europas zu Hause gewesen, und nicht minder hat man sie bei afrikanischen und südamerikanischen Völkerschaften gefunden. Herrschte doch in den Naturreligionen all dieser Völker der Glaube vor, daß die Seele des Toten in einen, in "ihren“ Stein schlüpfen müsse, um ihre Ruhe zu finden. Solange die Seele eines Erschlagenen nicht diesen Stein besaß, irrlichterte sie um die Stelle, wo ihr Körper getötet wurde. Dabei haben die Steine im Wandel großer Zeiträume verschiedene Gestalt angenommen. Und so wissen wir von einfachen großen Steinen ebenso wie von Menhiren, skandinavischen Bautasteinen und Runensteinen bis zu den Formen des Kreuzes hin, die letztlich auf die Vermischung der christlichen Lehre mit den heidnischen Religionen zurückgehen.
(Langlotz, Kurt - Steinkreuze in der Umgebung von Eisenach, in: Thüringer Heimatkalender 1970. Herausgegeben von Dr. phil. Julius Kober - 15.Jg., Zapfendorf über Bamberg 1969, S.52-58)

[..] Es scheint auch so, als ob um diese Zeit der Menhir eine weitere Entwicklung durchgemacht habe, nämlich die Verwandlung zum Grenzstein, der ein christliches Symbol aufwies, das Kreuz; dadurch wurde er auch zugleich zum Kreuzstein. Doch auch unsere Steinkreuze halten in manchen Exemplaren den Personen- oder Ahnenkult noch aufrecht und hier ist es vor allem die Kirche wieder, welche sich den Brauch zunutze macht. Ich meine damit die Gedenksteine der Heiligen, Steinkreuze mit der Darstellung eines Heiligen. Diese Steine sind reine Gedächtnissteine. Was früher an Helden und Götter erinnerte, erinnert heute an Heilige, denn diese Personen sind ja an die Stelle der alten Götter getreten. Wir sehen, daß sich der alte Gedanke wie ein roter Faden durch die ganze Symbolik der Steinkreuze und des Steinkultes hindurchzieht!
(Wittmann, Leonhard - Die Flurdenkmäler des ehemaligen Reichsstadtgebietes Nürnberg, I.Teil: Der Ursprung des Steinkultes, 1933, S.13-14)



 weiterführende Literatur und Quellen 
Wittmann, Leonhard - Der Ursprung des Steinkultes, in: Die Flurdenkmäler des ehemaligen Reichsstadtgebietes Nürnberg, 1933
Kirchner, Dr. Horst - Die Menhire in Mitteleuropa und der Menhirgedanke, in: Abhandlungen der Geistes- und Sozialwissenschaftlichen Klasse, Jg.1955, Nr.9
Gödel, Otto - Menhire, Speyer 1987
Behrens, Heinz A. - Hünensteine, Menhire, Seelenthrone, in: Bodendenkmalpflege im Kreis Wernigerode, Mitteilungsblatt 8, Hrsg. Rat des Kreises Wernigerode, 1990
Müller, Detlef W. - Große Steine, alte Zeichen. Jungsteinzeitliches Bildgut in Grabbrauch und Religion, in: Archäologie in Sachsen-Anhalt, Heft 1, 1991, S.20-26
Schulze-Thulin, Britta - Großsteingräber und Menhire. Sachsen-Anhalt, Thüringen, Sachsen. Halle: Mitteldeutscher Verlag 2007


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