Geschichte & Forschung Aberglaube & Brauchtum

Irminsäulen / Irminsul


 kleinere Abhandlungen 
Letzner, Johann - Das Achtzehende Capitel von der Armenseul irem Ursprung wie die von den Sachsen vor einen Gott verehret von Carolo Magno zerbrochen und wie endtlich die Seul in den Thum zu Hildesheim kommen sey, 1602


 Darstellungen von Irminsäulen 

Die niedergebeugte Irminsul auf dem Flachbild an den Externsteinen.
Quelle: Weiß (1929/30)

Die Irminsäule an den Externsteinen in Horn-Detmold.
Quelle: Weiß (1929/30)

Hethische Irminsäule mit Sonne und Mond.
Quelle: Weiß (1929/30)

Die Irminsäule bei den Langobarden in Oberitalien.S. Pietro, Pavia. Oben der stumpfe Speerwinkel wie in Horn. Ebenso die Ausrollung der Arme nach außen und innen. Die Stiersphinxe, in denen sie enden, sind östliche Einflüsse, über Byanz, von Ostgoten herübergetragen, aber germanisch verarbeitet. Sonnenwendtiere, Vertreter der Sonne, selbst Sonnen im ausgerollten Urstoff aus dem Weltenbrunnen und Weltenbaum; das Sternenall.
Quelle: Weiß (1929/30)

Weltsäule - Weltenbaum in der Kirche zu Hamersleben, Niedersachsen. Ebenfalls Mischung von Irminsul und Weltesche. Die beiden Tiere hier mehr im zerstörenden eddischen Drachengedanken [...]
Quelle: Weiß (1929/30)

Holzschnitt der Irminsul, wie sie im 16.Jhdt. vorgestellt wurde aus Sebastian Münsters "Cosmographie". Das Werk wurde zwischen 1550 und 1614 aufgelegt und in großen Stückzahlen verkauft.
Quelle: Wikipedia



 Literaturauszüge 

[...] Papst Gregor VII. (1020-1085) brachte den unfriedlichen Gedanken auf, der Bischof von Rom dürfe und müsse als Nachfolger des Petrus über den Himmel geradeso verfügen wie auch über allen irdischen Besitz.
[...] Die einstige hohe Bedeutung der Felsengruppe musste im damaligen Sachsen noch uneingeschränkt bekannt gewesen sein. So liegen Sinn und Zweck des Externstein-Reliefs klar auf der Hand: Nach dem Sieg am Welfesholz 1115 ist im Auftrag der Mönche von Corvey dieses Triumphbild für die "innere Mission" in Sachsen ganz bewusst und willentlich am altgläubig-sächsischen Zentralheiligtum angebracht worden. Es muß für das Wirken der Mönche mit ihrem weitreichenden Einfluss auf die politische Kultur Sachsens ein ungeheurer Triumph gewesen sein, dass es ein sächsischer Aufstand war, welcher die Speerspitze Heinrichs V., nämlich dessen Feldhauptmann Hoyer von Mansfeld am Welfesholz bei Gerbstedt am Ostharzsaum, zerbrach. Der Feldhauptmann verlor hier Schlacht und Leben im gleichen Monat, vier Jahre nachdem sein Herr mit "ruchloser Hand" nach dem Papst, dem "Stellvertreter Gottes" auf Erden, gegriffen hatte. Dieser herrliche sächsische Sieg, diesmal - nach Meinung der Mönche - auf richtiger Seite errungen, sollte unvergessen bleiben als Mahnung für kommende Geschlechter. [...]
[...] Im spannungsgeladenen Zeitraum vom 11.Februar 1115 bis zum 21.Januar 1120 könnte das Externsteinrelief entstanden sein. Da aber erst nach der Kleinasienreise des Abtes im Sommer 1118 ein Werkbeginn denkbar ist, kommen lediglich eineinhalb Fertigungsjahre in Betracht.
[...] Anzunehmen ist also, dass mit der Herstellung des Externsteinreliefs im Sommer 1118 begonnen wurde.
[...] Eine der bekannten, durchstilisierten Formen der geheiligten orientalischen Dattelpalme meißelte der Externstein-Künstler in sein Werk hinein: den quadratischen Stamm der Kultsäule mit angedeuteten alten Blattansätzen der Palme, die in göttliche Höhen weisende "Drei-Winkel-Krone", aus welcher geweihartig die beiden langen am Ende eingerollten Palmblatt-Voluten ebenso herausranken wie darunter die kleinen typischen Spiralen als ikonographische Rudimente der Dattelblüten- und -fruchtstände. Der Mittelspross oder die Wipfelblätter müssen fehlen, denn diesem "Kaiserbaum" soll aus mönchischer Sicht keine lebendige Weiterentwicklung vergönnt sein. Voller Symbolik ist dieser Baum, und doch ist er nachweisbar aus ganz gegenständlichen Bildtraditionen Vorderasiens hervorgegangen. Kein zweites europäisches Bildwerk entspricht so genau den spätbabylonisch-assyrisch-zyprischen Vorlagen!
[...] In Anbetracht der Bedeutung, welche die Palme als Herrschersymbol gewann, ist es nur folgerichtig, dass auch auf dem deutschen Kaisermantel der ursprünglich 1133 für den Normannenkönig Roger II von Sizilien gearbeitet wurde, als zentrales Schmuckmotiv die fruchttragende Dattelpalme zu sehen ist. Das Königsgewand Rogers II wurde von Heinrich VI (1165-1197) mit dem sizilisch-normannischen Königsschatz nach Deutschland verbracht. Ergänzend zum Palmbaum zeigt das Motiv des Futterstoffes vom Kaisermantel einen von zwei hellhaarigen, blauäugigen Menschen umstandenen mythischen Baum mit einer in die Stammwurzel hineingesetzten "Königslilie". Das Sinnbild Baum, insbesondere der Palmbaum, vereinigte in sich - zumindest im 12.Jahrhundert - drei Hauptverständniskreise: die fruchttragende Weltlichkeit im Gegensatz zur jenseitigen Geistigkeit des Kreuzes - der Herrschaftsanspruch diesseitiger Machthaber - schließlich aus mönchischer Sicht, die zu überwindende Materie.
[...] Der Baum des Externstein-Kreuzabnahmereliefs entspricht in jedem Detail den bekannten alten Vorbildern des hl. Palmbaumes aus Mesopotamien und dem östlichen Mittelmeerraum.
[...] Eine "Palmette", also der stilisierte Dattelbaum im Relief am altsächsischen Externstein-Heiligtum, musste bewussten Deutschen gleichsam wie ein schmerzhaft unvereinbarer Widerspruch erscheinen. Der Lehrer Wilhelm Teudt verbreitete ab 1929 die dankbar aufgenommene Erklärung: Es handele sich um keine Palme, sondern um das Bild der vom Frankenkönig Karl im Jahre 772 zerstörten sächsischen "Irminsul". In den fränkischen Reichsanalen (Annales Fuldensens/ Laurissenses = fanum et lucum eorum famosum Irminsul) findet sich der Eintrag, dass die Irminsäule als das verehrte altgläubige Weltstützensinnbild gegolten habe. Fast epidemisch verbreitete sich nach Teudts Bewusstsein schaffendem "Befreiungsschlag" die "Irminsul vom Externstein" in eingeweihten Kreisen, und schon bald zierte allüberall, wo sich die "tieferblickenden" Deutschen zusammenfanden - in Vereinslokalen als Wandschmuck, auf Innentiteln deutschnationaler Bücher, im Kopfteil entsprechender Broschüren, auf Fahnen usw. - die Irminsul-Dattelpalme das rechte Bewusstsein. Nicht genug damit, dass sich diese purdeutschen Patrioten ausgerechnet den semitischen Lebensbaum als ihr Erkennungszeichen erkoren haben, sie wählten darüber hinaus auch noch die Gestalt der toten, der abgestorbenen Externstein-Palme ohne Mittelspross oder Wipfelblattwerk. All denen, die nicht an wesenlose Zufälle, sondern an höhere Fügungen glauben, müsste dieser Umstand, hinsichtlich der Verdrehtheit im allgemeinen und im besonderen, als ein eher glückliches Omen gelten. (Hess, Gerhard - Kreuz und Dattelpalme am Externstein, unveröffentlichtes Manuskript)

   Die Irminsäulen, ebenfalls noch heidnischen Ursprunges, waren hohe Holz- oder Steinsäulen. Bei allen germanischen Stämmen üblich, standen sie mit dem Ahnenkult in Verbindung. Irmin, der Gewaltige, war der göttliche Stammvater und oberste Gott der Ermionen (Hermionen), d.h. eines kultischen Bundes von germanischen Stämmen. Fast scheint es, als ließe sich von diesen Irminsäulen eine direkte Verbindung zum ältesten bayerischen Stammesheiligen, dem hochverehrten Hirmon oder Hirmen, herstellen, dessen Bildnis meist auf einer Säule angebracht war, so daß er geradezu den Namen "Säulenheiliger" führte.
(Hula, Franz - Die Bildstöcke, Lichtsäulen und Totenleuchten Österreichs, 1948, S.20)

Betrachten wir nun die heiligen Baumstrunke, trunci oder Säulen, von welchen uns geschichtliche oder sagenhafte Nachrichten und deutungsfähige Namen erhalten sind, so tritt uns unter diesen sofort die Irmensäule entgegen, die auf oder bei der Eresburg in Westphalen, jetzt Stadtberge, Marsberg, Eresberg stand1) und von K. Karl d. Gr. um. d.J. 780 zerstört worden ist. Von dieser Säule berichtet uns die von den Missionären Ruodolfus und Meginhart verfasste Historia translationis S. Alexandri2):
"Frondosis arboribus fontibusque venerationem exhibebant (Saxones).
"Truncum quoque ligni, non parvae magnitudinis in altum
"erectum, sub divo colebant: patria eorum lingua Irminsul
"appellantcs."
Es bedarf hiernach selbstverständlich nicht der Bemerkung, dass der grosse steinerne Kirchenleuchter, welcher heut zu Tage in der Domkirche zu Hildesheim als die von Eresburg oder Stadtberge dahin verbrachte Irmensäule gezeigt wird und höchstens für eine Arbeit des XII. Jahrhunderts anzuerkennen ist, nicht die von Karl d. Gr. gründlich zerstörte Irmensäule sein kann3). Die ächte Irmensäule war, wie wir auf das bestimmteste wissen, ein "truncus ligni in altum erectus", wie der Schildpfahl, den die deutschen Kaiser auf den roncalischen Feldern errichteten, wenn sie dort selbst ihren grossen Lehen - Gerichtstag hielten, und wie der Schwertpfahl, der bei anderen deutschen Gerichten erwähnt wird: sollte man hiernach bezweifeln dürfen, dass die ächte hölzerne Innensäule auch ein solches Symbol trug, und zwar jenes, welches dem Charakter des Gottes oder vergötterten Heroën, dessen Namen sie trug, d.h. des Er, Ers, des deutschen Mars, oder des mit ihm häufig vermengten Heroën Irmin, entspricht, nämlich das Schwert, oder dass dieses zu gewissen Zeiten an ihr aufgehängt wurde, da die bestimmtesten Zeugnisse darthun, dass das Schwert das Symbolum des deutschen Kriegsgottes war, der uns bald unter dem Kamen Er, Ers, Tyr, Zio, Mors oder Mort, und Wich, Wig, sowohl im Süden wie im Norden von Deutschland entgegentritt, und der gerade unter der Gestalt des Schwertes verehrt wurde? Insbesondere ist der Götzen-Name Wich für den Ruland [Roland] und somit für die Rechtsgeschichte von Bedeutung, indem sich hiermit für die Erklärung des Wortes Wichbelde oder Weichbild eine neue Bahn eröffnet, und dies sonach auch buchstäblich als Bild des Kriegsgottes Wich, des deutschen Mars, aufgefasst werden kann4). Das Wichbeiderecht (Weichbildrecht) ist dann zunächst das Recht eines Ortes, ein Bild, d.h. überhaupt eine Säule des Wich, einen ihm geweihten "truncus ligni in altum erectus", somit das Recht eine heidnische Opferstätte, Blut- und Kampfgerichtsstätte zu haben. Hiernach wäre die Bezeichnung des Ruland [Roland] als Wichbelde sogar nur als eine Uebertragung des Namens der alten heidnischen Opfer- und Gerichts-Säulen auf das neu in den Städten aufgestellte Bild des rothen Königs Otto II. aufzufassen, und da Wich (wig, wic) von jeher nicht nur Weihe, sanctitas, sondern (schon im Heliand) auch soviel wie pugna, bellum bezeichnete, so würde in dem Wichbelde zugleich der Begriff einer Kampf-Säule liegen, und zwar in doppeltem Sinne, erstlich als Säule zur Bezeichnung des Ortes, wo der Heerbann sich versammelt, wie dies auch bei dem lignum in altum erectum auf den roncalischen Feldern der Fall war, und zweitens als Bezeichnung des Ortes, wo die gerichtlichen Kämpfe auszufechten sind, und gerade letzterer Begriff liegt, wie wir schon oben gesehen haben, in der Rulands - Säule. [...]
1) Vergl. Van der Hagen, Irmin, seine Säule, etc. Breslau 1817.
2) Abgedruckt in Pertz, Script. II, 676.
3) Abgebildet ist diese unechte Irmen-Säule am schönsten in J. M. Kratz, der Dom zu Hildesheim
4) Vergl. Wig-got = Kriegsgott: bei Graff, ahd. Sprachschatz Bd.IV. p. 150; die alte Glosse in Docen's Misoellaneon erklärt geradezu Wich-got durch Mavors (Mars).
(Zoepfl, Dr. Heinrich - Die Rulands-Säule. Eine rechtsgeschichtliche Untersuchung, Leipzig und Heidelberg 1861, S.151-152)

   [...] Oben wurde schon die Beschreibung der Irmensul erwähnt, die Rudolf von Fulda gibt, anläßlich eines Berichts über die Sachsenkriege Karls des Großen, den er seiner Schilderung von der Übertragung von Heiligengebeinen nach einem in Sachsen gelegenen Ort, Wildeshausen i.O., einfügt. Rudolf von Fulda schrieb um das Jahr 850, also nur etwa 80 Jahre nach dem geschichtlichen Ereignis, an das er anknüpft, nämlich der oben zum Rolandbild von Obermarsberg schon erwähnten Erstürmung der sächsischen Volksburg Eresburg durch Karl d. Gr. Im Jahre 772, bei der in dreitägiger Arbeit eine Irmensul zerstört wurde. Auch die Erläuterung, die Rudolf dem Ausdruck Irmensul der vaterländischen Sprache (patria lingua) in lateinischer Sprache gibt, wurde oben schon erwähnt; universalis columna quasi sustinens omnia. Der erste Bestandteil des Ausdrucks Irmensul - der zweite Bestandteil "sul" gleich Säule ist ja klar - konnte dem Sprachgefühl des Rudolf noch in der alten Bedeutung bewusst sein, die in der heutigen deutschen Sprache nicht mehr lebt. Der Ausdruck Irmensul begegnet noch später als eine ihrer Zeit offenbar noch geläufige Vorstellung; so in der mitteldeutschen Kaiserchronik, dass die Römer den Julius Cäsar treulos erschlagen, dann aber ihn auf einer "irmunsul" begraben hätten. An einer anderen Stelle derselben Kaiserchronik stellt sich Simon der Gaukler auf eine Irminsul, offenbar nur, um hoch und sichtbar zu stehen. "Althochdeutsche Glossen haben das Wort Irmansuli pyramides… die eigentliche Bedeutung scheint Bildsäule".1) Das ist aber jedenfalls nicht im Sinne eines skulpierten, künstlerisch ausgearbeiteten Bildnisses zu verstehen; wovon sofort; sondern nurin dem Sinne, daß eben, wohl vom Ahnenpfahl her, der aufrecht stehende Pfeiler einen Menschen darstellt oder versinnbildlicht. Die Schilderung des sogenannten Poeta Saxo, unter der Regierung Arnulfs, gilt "nur als eine Paraphrase jener Chronikstelle von 772 und hat wohl die Bemerkung, daß die Säule von kunstreicher Arbeit und mit Schmuckwerk verziert gewesen sei, einfach aus ihrer Vorstellung von einer antiken Säule (columna) hinzugetan". Der Bericht des Widukind von Corvey, freilich über 400 Jahre jünger, um 967, als das geschilderte Ereignis von der Siegessäule der Sachsen nach ihrem Siege vom Jahre 531, wurde oben, zur Säule mit der Kugel darauf, ebenfalls schon erwähnt; sie hätten "gemäß der Irrlehre unserer Väter mit eigentümlichen Gottesdienste ihr Heiligtum verehrt, welches dem Namen nach den Mars, durch die Säulenform des Herkules, der Stellung nach die Sonne, welche bei den Griechen Apollo heißt, vorstellt". Am östlichen Tor ihres Lagers hätten sie dieses Siegesmal errichtet. "Aus diesem auf den ersten Blick verworrenen und unklar wirkenden Bericht gilt es den wertvollen Kern herauszuschälen … unter der pseudogelehrten Übermalung durch den auf seine klassische Belesenheit stolzen Mönch die echte Volksüberlieferung zu erkennen".
   Das Wort "irmin" scheint (Jakob Grimm) dann einfach eine Steigerung zu bedeuten; also "Irminsul" nichts anderes als die große Säule; wie "irmingott" im Hildebrandslied den großen Gott, "irminthiod"2) das große Volk, "jörmungrund" die große weite Erde, Hermunduren die großen Duren (Düringe)?, "irminman" einen erhöhten Ausdruck für Mensch, im Heliand. Daraus könnte die Umschreibung des Rudolf von Fulda entstanden sein von der Weltsäule, die das All trägt. Wichtig und sicher zuverlässig an beiden Schilderungen, des Rudolf und des Widukind, ist die Kennzeichnung des Denkmals als eines aufgerichteten Pfahls; Rudolf: truncus ligni, von nicht unbeträchtlicher Größe; non parvae magnitudinis. Aber drei Tage kann auch die Zerstörung des gewaltigen Baumstammes nicht erfordern. Die Irmensul auf oder bei der Eresburg, von der das erzählt wird, kann nicht aus Holz gewesen sein, sondern muß ein gewaltiges Steinmal gewesen sein. Axel Olrik3) berichtet von einer Vorstellung der Lappen, die in früher vorchristlicher Zeit von den Germanen vieles übernommen und wenig weitergebildet hätten; sie glaubten an eine unsichtbare "Weltstütze", lappisch "maylmen", gleich Stütze, wozu Olrik einfach hinzusetzt: "gleich altsächsisch: Irminsul" (Olrik, a.a.O. S.423). Durch Einreibung dieser Weltstütze mit Opferblut werde die Aufrechterhaltung der Welt bewirkt; zugleich begegne die Vorstellung von einem "Weltnagel", durch den der Himmel an seinem Platz festgehalten wird; "im Lappischen der Polarstern, wobei ausdrücklich hervorgehoben wird, daß sein Ausreißen den Zusammensturz der Welt herbeiführt." [...]
1) Jakob Grimm, Deutsche Mythologie, 1835, S.81
2) Das Wort "irmin" ist bisher sehr verschieden abgeleitet worden; ein neuerer Forscher will das dunkle althochdeutsche Wort "irmin" als "engverbunden" deuten, nach rückwärts noch weiter zusammenhängend mit aryah, althochdeutsch archen, "echt, recht", und vielleicht mit griechisch "eros". Widukind berichtet an der oben angegebenen Stelle, daß in sächsischer Sprache das Wort zur Verstärkung im lobenden wie im tadelnden Sinne angewendet werde.
3) Ragnarök, Die Sagen vom Weltuntergang, 1922.
(Jung, Erich - Germanische Götter und Helden in christlicher Zeit, München und Berlin 1939, S.118-119)

2. Tempelbauten.
   Aus dem Walde wuchs allmälig der gezimmerte Tempel hervor, vielleicht Anfangs in der Art, dass um einen besonders heiligen Baum, der als Sitz der Gottheit galt, eine Hütte aus Holz und Zweigen aufgeführt wurde. Derlei mag der indiculus superstitionum IV "de casulis id est fanis", von kleinen Tempelchen, im Auge haben. Man gedenkt der Halle König Volsungs, die freilich weltlichen Zwecken dient, aber möglicherweise einen altfränkischen Waldtempel darstellt. "König Wolsung liess eine herrliche Halle machen und zwar auf die Art, dass eine grosse Eiche in der Halle stund; die Zweige des Baumes mit schönen Blättern breiteten sich übers Dach, der Stamm reichte in die Halle hinunter." Hernach stösst Odin das Schwert für Sigmund in den Stamm dieser Eiche. Darf man eine Wodanseiche im fränkischen Urwald, um welche ein Tempel gezimmert war, worin der Gott seinen Lieblingen sich offenbarte, als letzten Ausgangspunkt dieser Sagenbildung vermuten? Die sächsische Irminsul muss hier erwogen werden. Im nordischen Hause stützen eine oder zwei Säulenreihen als Grundpfeiler den ganzen Bau. Besonders wichtig sind die zwei am Hochsitz befindlichen sog. ondvegissulur, an denen Götterbilder eingeschnitzt sind, denen abergläubische Verehrung erwiesen wird. Die nach Island fahrenden Norweger nehmen ihre Hauptsäulen mit und stellen sie in der neuen Heimat ebenso in die Mitte des Hauses. Auch im Tempelbau, der vom Hausbau nicht wesentlich abwich, kehren diese Säulen wieder. Karl der Grosse zerstörte im Jahre 772 einen Hauptsitz des sächsischen Aberglaubens, die unweit Eresburg in Westfalen errichtete irminsul, die Hauptsäule. Er verbrannte das sächsische Heiligtum. Im tiefen Wald, wol im Osning, im heiligen Götterhain, ragte die Säule auf, die bald als fanum, bald als idolum bezeichnet wird. Später wurde an ihrer Stelle eine Peterskirche gebaut. Rudolf von Fulda erzählt vom Baumkult der Sachsen und erklärt die irminsul als einen grossen, unter freiem Himmel hoch aufgerichteten Holzstamm, eine Hauptsäule. Was ist nun in Wirklichkeit unter der sächsischen Säule zu verstehen? Ihr eignete wol dieselbe religiöse Bedeutung wie der nordischen Haussäule. Durch eingeschnitztes Götterbild mag vielleicht auch sie zum Heiligtum, zum Idol, geweiht gewesen sein. Sie stand aber allein im Freien und diente so als Symbol. Der aufgerichtete Grundpfeiler, die Hauptsäule vertrat vielleicht symbolisch den Tempel, der ursprünglich um den heiligen Baum, nachher um die hölzerne Hauptsäule gezimmert war. Für den germanischen Tempel der Urzeit, dessen Einrichtung nirgends genau geschildert ist, lernen wir nur das eine, dass sein Ursprung an den heiligsten Baum des geweihten Forstes, an die uralte mächtige Göttereiche anknüpfte. Den Baum löste bei späterem kunstvollerem Bau die im Mittelpunkt aufgerichtete hochragende Hauptsäule, ein gewaltiger verarbeiteter Baumstamm ab. Wie der Götterbaum den Grundpfeiler des heiligen Gebäudes abgab, so scheint er auch das Götterbild, das zunächst an ihm haftete, veranlasst zu haben. So wuchs, wol auch unter der Anregung römischer Kultur, aus dem ursprünglichen Gottesdienst im Urwalde die gezimmerte Behausung der Götter und ihre bildliche Darstellung heraus. Der Götterbaum als irminsul entfaltet beides. [...]
(Golther, Wolfgang - Handbuch der germanischen Mythologie, Leipzig 1895, S.593-595)

   [...] Rechtsbräuche, zumal die Gottesurteile und Eidschwüre, aber auch Marktbegänge, Einsegnungen, Bildtrachten, Sprüche und Formeln wurden, indem sie ihr heidnisches Wesen beibehielten, bloß mit kirchlichen Hergängen verbunden. Einzelne Gewohnheiten begegneten sich, bei der Geburt des Kindes übten die Heiden ein der christlichen Taufe vergleichbares Wassersprengen, das Hammerzeichen mahnt an das Kreuzzeichen und die Aufrichtung der Kreuzbäume an Irmensäulen und Weltbäume der Heidenschaft. [...]
   [...] In diesem Zusammenhang scheint Irman nur allgemeinen, verstärkenden Sinn zu haben und sich nicht in bestimmter Weise auf einen Gott oder Helden zu beziehen. Wie Irmangot den großen Gott, Irmandiot das große Volk, Iörmungrund die große, weite Erde, so dürfte auch Irmansul nichts anderes als die große Säule aussagen.
   Das mag sein, nichts hindert aber, daß Irmino oder Irmin in früheren Jahrhunderten persönliche Bedeutung hatten.    Freilich unterscheidet Tacitus jenen Hermino, der ihm in Herminones steckt, von Arminius, den die Römer bekämpften; doch das bekannte auf diesen Bezogene: canitur adhuc barbaras apud gentes, "noch heute singt man von ihm bei den Stämmen der Barbaren" ging leicht schon aus Mißverstand der Kunde hervor, die von deutschen Liedern auf den mythischen Helden zu der Römer Ohr gedrungen war. Gesetzt Irmansul drücke wörtlich nur eine große Säule aus, dem Volk, das sie verehrte, muß sie ein göttliches Bild, also auf einen bestimmten Gott bezüglich gewesen sein. Um diesen Aufzufinden, hätte man nur zwischen zwei Wegen zu wählen, entweder war er eine der drei großen Gottheiten Wodan, Thonar, Tiu, oder ein von ihnen unterschiedenes Wesen.    Doch hier ist vor allem die Stelle bei Widukind, dem Sachsen selbst, zu erwägen; sie sagt, daß ein heidnischer Gott gefeiert worden sei, dessen Name an Mars, Säulenbild an Herkules, örtliche Aufstellung an die Sonne oder Apollo gemahne. Dann aber wird fortgefahren: "daraus erhelle die Glaubwürdigkeit der Meinung jener, die die Herkunft der Sachsen von den Griechen hergeleitet zu haben glauben, weil Hirmin oder Hermes auf griechisch Mars genannt wird..." Hieraus folgt, der Gott, dem die Sachsen nach dem Sieg über die Thüringer opferten, hieß Hirmin, Irmin, und noch im zehnten Jahrhundert wurde mit diesem Namen ein hervorragender, verwegener Mann, lobend oder tadelnd belegt. Apollo wird von dem Mönch verglichen, weil der Altar ad orientalem portam, gegen Sonnenaufgang gabaut war, und Herkules, weil dessen Säule an die des einheimischen Gottes erinnerte, es muß also kein anderes Idol gemeint sein, als eben die Irminsul und dieser name eigentlich Irmines, Irmanes, Hirmines sul lauten. An der Unstrut hatten die Sachsen ihrem Irmin eine Säule aufgerichtet, wie sie dies in der Heimat taten. [...]
   [...] Auch darin ist das Verhältnis der Helden dem der Götter sehr ähnlich, daß ihnen wie diesen bestimmte örtliche Sitze und Wohnungen angewiesen werden. Gern aber scheinen solche den Namen Stein zu führen: Gibichenstein, Brunhildenstein, Krimhildenstein, Eigelstein, Waskenstein, was auf heilige, von Menschen unbewohnte Felsen und uralten, festwurzelnden Dienst deutet. Seltener findet man Burg oder Saal (Iringes burc, Orendelsal), einigemal Aue und Brunnen, öfter Weg oder Straße auf Helden bezogen; da nun mit dem Begriff des Heerweges der einer öffentlich aufgerichteten Säule zusammenhängt, und nach ihr die Wege auslaufen, so scheinen die Herculis columnae, die Herkulessäulen, die Irmansuli vergleichbar den Rolandssäulen, denen wir gerade in Norddeutschland, wo das Heidentum länger gewaltet hatte, begegnen. Wie König Karl in einigen Sagen, zumal in der vom wütenden Heer, Wodans Stelle einnimmt, mag auch Roland, der edelste Held seines Hofes, der sich fast ganz zu ihm wie Donar zu Wodan verhält, den göttlichen Überwinder der Riesen vertreten. [...]
   [...] Mir scheint auch die im deutschen Altertum tief gegründete Vorstellung von der Irmensäule dem Weltbaum Yggdrasil nah verwandt. Wie sich dessen Wurzeln und Äste nach drei Enden breiteten, liefen auch von der Irmensäule drei oder vier große Straßen aus, und je weiter man nachspürt, wird sich der Zusammenhang dieser heidnischen Ideen fruchtbarer entfalten lassen. Die Säulen des Herkules, des Bravo in Hennegau; die Thor- und Rolandssäulen, hatten vielleicht keine andere Bestimmung als von ihrem Mittelpunkt aus himmlisch-irdische Richtung der Weltgegenden vorzuzeichnen und der heilige Yggdrasil diente zu einer sehr analogen Weltteilung. Das könnte selbst auf die alte Landmessung eingeflossen sein.
(Grimm, Jakob - Deutsche Mythologie, bearb. von Karl Hans Strobl, Volksausgabe 1939, S.56, 231-232, 254, 469-470)



 weiterführende Literatur und Quellen 
Grimm, Jacob - Irmenstrasze und Irmensäule. Eine mythologische Abhandlung. Wien 1815
von der Hagen, Dr. Friedrich Heinrich - Irmin, seine Säule, seine Straße und sein Wagen. Breslau 1817
Weiß, Eugen - Die Irminsäule, in: Germanien. Blätter für germanische Vorgeschichte, 1.Folge 1929/30, S.26-30


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