Geschichte & Forschung Standorte

Bildstöcke, Steinkreuze und Kreuzsteine als Pilgerstationen und Wallfahrtsziele


 Allgemeine Abhandlungen 
Alberti, R. - Was bedeuten die sog. Schwedensteine?, 1895


 Literatur-Auszüge 

   In ähnlicher Weise wurden mir auch die Steine von Gopplasgrün, Hertigswalde, Jesau, Krebes, Niederschöna und Seelitz, sowie die beiden kleinen Kreuze beim Erbgericht von Breitenau als Pilgerstation der vorreformatorischen Zeit bezeichnet [...]
(Kuhfahl, Dr. G.A. - Die alten Steinkreuze in Sachsen, 1928, S.189)

   Daß diese Kreuze "Schwedensteine" genannt wurden, war ihm nicht bekannt, er nannte sie vielmehr Wallfahrtssteine, d.h. Merk- und Wahrzeichen derjenigen Punkte, an welchen sich die Wallfahrer aus den umliegenden Ortschaften zu geordneten Prozessionen gesammelt hätten und nach den Wallfahrtspunkten gezogen wären.
   Dieser Punkt hier bei Leustädt ist ein solcher Versammlungspunkt gewesen; von hier aus seien die Bewohner von Leustädt und den umliegenden Dörfern zu dem oben hinter der Höhe gelegenen Kloster St. Magdala (Magdalena), einer uralten Wallfahrtskirche, gezogen und nach diesem Punkte "Magdalenenstätte", bis wohin das Bild der heiligen Magdalena entgegengetragen worden, sei das Dorf Leustädt benannt, wie sich dies aus den kirchlichen Nachrichten genau nachweisen lasse.
   Mit dieser Auskunft waren mir auch die Steinkreuze in unserm Ober- und Unterland erklärt.
   Was zunächst die Steinkreuze am Wege von Oberböhmsdorf bei Schleiz anlangt, so wurden noch bis in die neuere Zeit die Leichen aus jenem Dorfe auf dem Gottesacker der Bergkirche Schleiz beerdigt und zwar von der Geistlichkeit von Schleiz an dem Punkte der Steinkreuze erwartet, um von da aus unter Gesang der Kurrentschüler durch die Stadt geleitet zu werden, was diesen Zügen die größere Feierlichkeit einer förmlichen Prozession verlieh.
   Auch will ich hierbei erwähnen, dass die Bergkirche bei Schleiz, der "Beata virgo Maria" geweit, im Mittelalter als ungemein stark besuchte Wallfahrtskirche große Berühmtheit besaß, zu welcher u.A. zur Zeit der Pest in Gera viele hundert Bürger, Männer und Frauen, um Hilfe und Rettung flehend, gewallfahrt sind.
   Aber auch die Steinkreuze bei Rusitz und Silbitz und Mildenfurt u.s.w. sind damit erklärt.
   Denn auch die Kirche in Langenberg bei der Reichsfeste, den "heiligen 14 Nothelfern" geweiht, ist eine uralte, von vielen Tausenden von Pilgern besuchte Wallfahrtsstätte gewesen, zu der von allen Richtungen her die Teilnemer zu den Prozessionen sich sammelten. Zwei dieser Richtungen geben die eben erwähnten Steinkreuze bei Rusitz und Silbitz an; das Steinkreuz bei Mildenfurt und Cronspitz, zeigt ganz augenscheinlich und zweifellos auf seinen Zweck hin; bei diesem Steine ordneten sich von Weida und Umgegend aus die Pilgerscharen zu den in alter Zeit so hochberühmten Klöstern von Mildenfurt (Prämonstratenser) und Cronspitz (Nonnenkloster, Augustinerinnen), sowie nach der alten Kirche zu Veitsberg, dem St. Vitus geweiht, an welcher sich beinahe unversehrt noch sämtliche Leidensstationen Christi vorfinden.
   Aber auch der weiter oben erwähnte Stein bei Pötewitz (oder Pedelwitz?) lässt sich mit dem Wallfahrtspunkte Langenberg, von dem es nicht so weit entfernt liegt, erklären.
   Ich will mit meinen Erörterungen über die Bedeutung dieser Steinkreuze schließen, denn ich glaube mit Vorstehendem hinreichend dargethan zu haben, daß die Benennung dieser Wahrzeichen mit "Schwedenstein, Schwedenkreuz" vollständig unrichtig ist, daß diese Steinzeichen bedeutend älter sind, daß sie weit darüber hinaus und zurück in die katholische Zeit unseres Landes reichen, und daß sie selbstbestimmte Punkte zur Sammlung der Pilgerzüge waren, wie dieses Alles aus ihrem Standpunkte an meistens noch heute gangbaren Fuß- und Fahrwegen hervorgeht und ihr hohes Alter (sie sind sämtlich, wenn auch meistens aus "festem" Sandstein, sog. Eisenstein bestehend, doch arg verwittert) beweist.
(Alberti, R. - Was bedeuten die sog. Schwedensteine?, in: Unser Vogtland, Monatsschrift für Landsleute in der Heimat und Fremde, hrgg. von Gottfried Doehler, Erster Band, 1895, S.268-272)

Ueber Weg- und Wallfahrtskreuze.
   Schließlich soll noch jene Deutung der Kreuzsteine erwähnt werden, welche Justizrath R. Alberti unter der Überschrift "Was bedeuten die sogenannten Schwedensteine?" ("Unser Vogtland", 1895) veröffentlicht hat. Er erzählt, daß er sich jahrelang mit der Frage nach dem Ursprung der Kreuzsteine beschäftigt und schließlich schon an der Lösung des Geheimnisses verzweifelt habe, als er einst auf einer Fußwanderung in der Gegend von Jena an dem Kreuzungspunkte zweier Flur- und Triftgrenzwege wieder drei solcher Steine fand, welche ihm ein Landsmann aus dem nahen Dorfe Lenstedt als "Wallfahrtssteine" bezeichnete, d.h. als merk- und Wahrzeichen der Stellen, an welchen sich in alter Zeit die Bewohner der umliegenden Ortschaften zu geordneten Prozessionen sammelten, um hierauf nach dem benachbarten Kloster St. Magdalena zu ziehen, einem uralten Wallfahrtsorte, von dem das Dorf Lenstedt, wie urkundlich festgestellt ist, seinen Namen hat.
   Justitzrath Alberti ging dieser Spur weiter nach und glaubte schließlich gefunden zu haben, daß die ihm bekannt gewordenen Steinkreuze in Thüringen und Franken, sowie in den reußischen Ländern in Beziehung zu bringen wären mit den in alter Zeit vielbesuchten Wallfahrtsorten Mildenfurt, Kronschwitz, Veitsberg, Langenberg, Schleiz (Bergkirche) usw.
   Dürfte man die im Weichbilde der Stadt Asch befindlichen steinernen Kreuze als solche Wallfahrtssteine auffassen, so würde sich ihre Lage an den alten Hauptstraßen, die nach Asch führten, ferner an den Kreuzwegen, an denen sich die aus den benachbarten Ortschaften kommenden Wallfahrer zu geordneten Prozessionen sammeln konnten, und endlich ihre Richtung nach der Ascher evangelischen Kirche leicht erklären.
   Daß aber Asch vor der Einführung der Reformation ein Wallfahrtsort gewesen sei, dürfte schwerlich zu beweisen sein, obwohl in dem Programme zu einer kirchlichen Feier, welche um die Mitte des vorigen Jahrhunderts in Asch stattfand, eine Andeutung darüber enthalten ist. Nach einer Anmerkung auf Seite 9 dieser Schrift (gedruckt bei Hetschel in Hof 1749) wäre nämlich die älteste Ascher Kirche dem St. Ludwig geweiht gewesen. Zu dem in der Kirche befindlichen Gnadenbilde soll man aus weiter Ferne gewallfahrtet sein, um insbesondere für Bierbrauerein Gedeihen zu erflehen.
   Sollte die Entstehung dieser Sage in Zusammenhang stehen mit jener anderen, nach welcher einst im "Graben" ein großes Klosterbräuhaus bestanden haben soll? Ferner erzählt jene Schrift aus dem Jahre 1749, daß man von dem Gnadenbilde des St. Ludwig auch für erkrankte Pferde Genesung erflehte, und damit wieder wäre folgende Sage zu vergleichen: Bei der Abzweigung der Roßbacher Straße von der Neuberger tritt auf altem Widemgrunde eine starke Quelle zu Tage, die einst "Ludwigsbrunnen" geheißen haben soll. Noch heute hört man sie bisweilen den "heiligen Brunnen" nennen, und ihr ausgezeichnetes Wasser wird von den Nachbarn mit Vorliebe benützt. In alter Zeit aber sollen von weit und breit Fuhrleute zu diesem Brunnen gekommen sein, um ihre Pferde daraus zu tränken, oder um dieselben im abfließenden Bache zu "schwemmen". Dies bewahre sie, wie die Sage wissen will, vor Krankheit. Auch berichtet der Volksmund, daß bei dieser Quelle einst eine steinerne Bildsäule gestanden sei, die dem heiligen Ludwig geweiht war. Stücke derselben sollen bis in den Anfang unseres Jahrhunderts neben dem Brunnen gelegen und erst nach dem großen Brande im Jahre 1814 nach Asch geschafft und bei einem Neubaue verwendet worden sein.
   Alle diese Ueberlieferungen sind natürlich mit größter Vorsicht aufzunehmen, so lange es nicht gelingt, ältere urkundliche Beweise für die Richtigkeit derselben zu erbringen.
   Wenn übrigens von den steinernen Kreuzen hie und da behauptet wird, sie hätten in alten Zeiten als Wegweiser gedient, so könnte dies wohl eine letzte Erinnerung sein an ihre einstige Bedeutung als "Wallfahrtskreuze". Daß Kreuzsteine oftmals als Erkennungszeichen, Wegzeiger usw. benutzt worden sind, unterliegt keinem Zweifel, wie es denn auch wahrscheinlich ist, daß einzelne Kreuzsteine mehreren der angeführten Zwecke zugleich gedient haben mögen.
(Alberti, Karl - Ueber die Bedeutung der Steinkreuze insbesondere des Ascher Bezirkes, 1897, S.39-41)

Wallfahrts-Steinkreuze
als absichtlich gesetzte Merkzeichen der Stelle, wo man sich zu einer Wallfahrt versammelt hat, sind uns unbekannt. Nahe liegt, daß da und dort die Sitte aufkam, sich bei einem schon vorhandenen und aus irgend einem anderen Grunde gesetzten Steinkreuz zusammenzufinden oder aufzustellen, um in Prozession zur nahen Wallfahrtskirche zu pilgern.
(Deutsche Gaue, Band IX, Kaufbeuren 1908, S.183)

   Urlauberkreuze oder Urlaubskreuze: An Orten errichtet, wo Wallfahrer betend vom Heimatort Abschied nahmen: Bei Zwettl, Klosterneuburg und an anderen Orten. Am ehemaligen Pfandlbrunnen in Maria Enzersdorf, der später zum Bildstock umgeformt wurde, rasteten die Prozessionen, die von Wien nach Mariazell pilgerten. Auf dem Wege dorthin soll es 14 solcher Stationen gegeben haben. In Jaidhof bei Gföhl im Waldviertel steht ein sogenanntes Urlaubskreuz, bis zu welchem den einrückenden Soldaten von ihren Angehörigen das Geleite gegeben wurde.
(Hula, Franz - Die Bildstöcke, Lichtsäulen und Totenleuchten Österreichs, 1948, S.39)

Pilger und Kreuz
Pilgerwege waren bevorzugte Aufstellungsorte für Wegekreuze, sicher nicht zuletzt, weil sie hier Beachtung der vielen Wallfahrer finden konnten. Denen bedeutete das Kreuz am Weg nicht nur Aufforderung zum Fürbittegebet für den Stifter, sondern auch Wegweiser, Station der Andacht und Ort der Rast auf dem stunden- oder tagelangen Fußmarsch. So wird zum Beispiel berichtet, daß die Teilnehmer einer großen Matthias-Wallfahrt aus einem Eifeldorf im Jahr 1717 auf dem Weg nach Trier an insgesamt siebzig Wegekreuzen anhielten und beteten. Das kann man sich heute nur noch schwer vorstellen, so stark ist dieser Brauch zurückgegangen. Aber ganz erloschen ist er nicht. Krufter Wallfahrer zum Beispiel, die seit einem Gelöbnis von 1674 jedes Jahr hundert Kilometer weit zum "blutschwitzenden Heiland" nach Noth-Gottes bei Rüdesheim pilgern, halten immer noch an einem Wegekreuz mit Kelchengeln von 1662 an der Straße zwischen Kruft und Ochtendung. Sie sprechen davor das Gebet zu den Heiligen Fünf Wunden. Gelobt wurde dieser Pilgergang seinerzeit von Kruftern, um die Pest loszuwerden, die die Zahl der Dorfbewohner bereits um zwei Drittel auf nur noch 300 hatte schrumpfen lassen und auch fünf Pfarrer hintereinander hinweggerafft hatte. Der fünfte, Thomas von Inden, war Mönch aus Maria Laach. Er hatte sich für die Stelle im pestverseuchten Dorf freiwillig gemeldet und starb neun Monate nach Amtsantritt im Alter von 33 Jahren. Seine Grabplatte ist innen in die Kirchenwand eingelassen und aus Basaltlava gearbeitet.
(Lehmann-Brauns, Elke - Himmel, Hölle, Pest und Wölfe: Basaltlava-Kreuze der Eifel, Köln 1986, S.151)

Wir wissen, daß Wallfahrer ihre genauen Wegerouten einhielten, ja daß die Wallführer diese Wege und die Rastorte sowie die Gebetsstationen in eigenen Wallbüchlein aufschrieben (frdl. Mitteilung durch Prof. Dünninger-Würzburg), um so die Wallfahrten genau nach Herkommen durchzuführen. Sie hatten ihre genauen Wegzeichen, die meist aus Kapellen, Bäumen und Martersäuien bestanden. Auf den Martersäulen war zumeist das Wunder des angestrebten Gnadenortes dargestellt. So zeigen viele Martersäulen auf dem Wege nach Walldürn eben das Blutwunder, auf den Straßen nach Vierzehnheiligen zeigt man die Erscheinung usw. Die Bildstöcke und Martersäulen lassen sich also leicht durch das Bild erkennen, ob sie Wallfahrtswegweiser sind oder nicht. Bei den Steinkreuzen kann man erst dann von Wegweisern sprechen, wenn sie einwandfrei dies zum Ausdruck bringen; eben durch Inschriften. Die Sage von dem Wegweiser muß also nicht immer frei erfunden sein, es gibt wirklich Steinkreuze, die als Wegweiser erstellt wurden, doch diese geben sich durch ihre bessere Ausstattung und vielfach durch die Inschriften leicht zu erkennen, daß sie etwas anderes sind als wie Totschlagszeichen.
(Wittmann, Leonhard - Steinkreuze als Wegweiser, in: Das Steinkreuz, 21.Jg. 1965, Heft 1, S.23)



 dokumentierte Beispiele 
Balgstädt I (SA)
Nemmersdorf I (BY)
Lübeck I (SH)
Mylau I (SN)
Hauteroda I (TH)
Zwettl I (AUT)
Mendig I (RLP)
Buckenhoven VII (BY)
Wasserleben I (SA)
Mistelbach II (BY)
Minden I (NRW)
Pöritzsch I (TH)
Hambach II (RLP)
Boxbrunn I / II (BY)
Hemmendorf I (NS)
Westum I (RLP)
Mangersreuth I (BY)
Zersen I (NS)
Teuchatz III (BY)
Bad Sachsa I (NS)
Oßla I (TH)
Wartaweil I (BY)
Havelberg I (SA)


 weiterführende Literatur und Quellen 

Müller, Werner - Die Prozessions-Kreuzsteine von Poppenburg und Klein Escherde, in: Steinkreuzforschung, Sammelband Nr.12, 1986, S.26-31



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