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Orientierung an der Kirchweihe und den Heiligen
von Rudolf Wild

   Beim Begriff "Orientierung" denken wir kaum daran, dass dieser vom lateinischen Wort für den Osten abgeleitet ist. Nicht nur die ältesten Landkarten waren nach Osten ausgerichtet, sondern diese Himmelsrichtung war der Inbegriff für die Herkunft allen Wissens und Denkens - "Ex Oriente Lux", aus dem Osten kommt das Licht.
   Dabei bezieht sich der Osten nicht auf die geographische Richtung, aus der das Christentum zu uns gekommen ist, sondern auf die Himmelsrichtung, in der zum Zeitpunkt des Osterfestes die Sonne aufgeht. Es ist deshalb kein Zufall, dass auch im Englischen die Worte "east" und "easter" nahe miteinander verwandt sind.
   Und daher sind auch die meisten christlichen Kirchen nach Osten ausgerichtet - so lernen wir es wenigstens in der Schule. Doch bei näherem Hinsehen entdecken wir, dass es da geringfügige Abweichungen gibt. Eine Begründung für diese Abweichungen fand sich zunächst in einem Beitrag von Gottfried Kiesow, wo die These vertreten wird, dass mittelalterliche Kirchen in der Regel so ausgerichtet wurden, dass am Namenstag des Kirchenpatrons die Sonne genau in der Achse der Kirche aufgeht. Um dies zu überprüfen, stellte ich zunächst für die Kirche von Queichhambach Überlegungen an, ob auf diese Weise die Frage geklärt werden könnte, ob die Kirche ursprünglich zu Ehren von Pirminius oder Laurentius errichtet wurde. Es zeigte sich, dass der Laurentius-Termin, der für den Kerwe-Termin maßgeblich ist, hier eher in Betracht zu ziehen ist. Und tatsächlich konnte ich am 4. und 12.August 2007 durch Beobachtung vom Kirchturm aus feststellen, dass die Sonne um den 10.August herum tatsächlich genau in der Achse der Kirche über dem Ringelsberg aufgeht.
   Es ergab sich die Fragestellung, in wie weit auch bei anderen Kirchen unserer Heimat eine solche Orientierung gegeben ist. Die Vermessung mit dem Marschkompass erwies sich dabei als zu ungenau. Recht brauchbare - und vor allem schnell zu ermittelnde - Ergebnisse erbrachte dagegen das Ausmessen der Richtung aus Katasterkarte oder Luftbild. Dies hat zudem den Vorteil, dass gleichzeitig die geographische Breite ermittelt werden kann. Für die Berechnung wurden die Messwerte auf volle Grad gerundet. Eine genauere Ermittlung erschien nicht sinnvoll, da auch weitere Kriterien nur näherungsweise ermittelt werden konnten:

   Zur Beurteilung der These mit der Ausrichtung der Kirchen wurden die wichtigsten Kirchen des Landkreises Südliche Weinstraße herangezogen, zusätzlich wurden einige weitere Kirchen zum Vergleich herangezogen, insbesondere wenn deren Ausrichtung in der Literatur erwähnt wurde.
   Dabei wurde die Richtung - entsprechend den Angaben in der Literatur - unter drei Aspekten untersucht.

  1. Kiesow geht davon aus, dass die Richtung dadurch ermittelt wurde, dass am Tag des geplanten Heiligen die Richtung des beobachteten Sonnenaufgangs durch Fluchtstäbe markiert und so die "Heilige Linie" festgelegt wurde.

  2. Eckstein setzt voraus, dass es nicht nur möglich war, die genaue Nordrichtung zu ermitteln, sondern auch die Abweichung des Sonnenaufgangs am Tag des Heiligen zu berechnen, so dass die tatsächliche Lage des Sonnenaufgangs keine Rolle spielte, zumal diese infolge von Bebauung oder durch Berge nicht wahrgenommen werden konnte.

  3. Abweichend hiervon erfolgte ab der Mitte des 12.Jahrhundert die Bestimmung der Nordrichtung durch Messung mit dem Kompass, was zu erheblichen Abweichungen von der Nordrichtung führen konnte, da die Missweisung im Laufe der Zeit stark schwankt. - Die aus wenigen Daten rekonstruierten Werte für Nürnberg zeigen, dass um 1138 die Kompassnadel genau nach Norden zeigte, bis 1292 auf fast 22° nach Osten wanderte, um 1468 wieder die genaue Richtung anzeigten und danach 1555 ein Extrem von 11° 30´ im Westen zu erreichen. Nach einer östlichen Extremposition um 1818 wurde die genaue Nordrichtung um 1972 wieder erreicht. Regional gültige Abweichungen von diesen Werten sind schwierig zu rekonstruieren.

   Bei den untersuchten Kirchen ergab eine erste Abschätzung, dass die meisten mehr oder weniger nach Osten orientiert sind, davon knapp 10% mit einer Abweichung von weniger als 2° von der Ostrichtung. Auffallend war auch, dass nahe beieinander liegende Kirchen bzw. Kirchen gleicher Tradition gleich ausgerichtet sind. Einige wenige Kirchen sind genau nach Süden ausgerichtet oder in eine Richtung, in der die Sonne niemals aufgeht, z.B. Eschbach, Gleiszellen-Gleishorbach, Knöringen und Mörzheim. Dabei ist zu beachten, dass manche Kirchen im rechten Winkel zur ursprünglichen Richtung erweitert wurden, wie dies z.B. in Ranschbach und Wernersberg der Fall war.
   Eine Ausnahme bilden auch ein paar evangelische Kirchen, bei denen der Altar im Westen steht, z.B. Albersweiler, Birkweiler, Spirkelbach und Wilgartswiesen. Bei Rinnthal steht dagegen der Altar in Nordrichtung. Ansonsten weicht die Achse der Kirche in mehr als doppelt so viel Fällen nach der Nordrichtung ab wie nach der Südrichtung. Dies bedeutet, dass die Sonne dort im Sommerhalbjahr in der Kirchenachse aufgeht - also genau in der Zeit, in der auch die meisten Kirchweih-Feste stattfinden.

   Bei der detaillierten Untersuchung wurde die Richtung des Sonnenaufgangs mit Hilfe verschiedener Formeln ermittelt. Die verwendeten Formeln sind für einen mathematischen Laien leider nur schwer nachvollziehbar:
   Morgenweite: sin w = sin δ / cos φ
   Zur Berechnung der so genannten Morgenweite w sind zunächst die Deklination δ und die geographische Breite φ des Standorts zu ermitteln.
   Ekliptik: ε = 23,69° - 0,124° * T - 0,00303° * T² + 0,000503° * T³
   (T = Jahr / 1000) - Nach dieser Näherungs-Formel hat sich in den letzten 1000 Jahren die Schiefe der Erdachse um 0,13° verringert, ein Wert, der im Prinzip zu vernachlässigen ist.
   Deklination: δ = ε * sin (30° * Monat + 1° * Tag - 111°)
   Auch bei der Berechnung der Deklination handelt es sich um einen Näherungswert. In dieser Formel ist nämlich nicht berücksichtigt, dass die Bahn der Erde um die Sonne elliptisch verläuft; dadurch kommt es im Herbst zu einer Abweichung von 2 bis 3 Tageswerten. Die Ergebnisse wurden daher mit weiteren Rechenmethoden überprüft, z.B. wurde eine Tabelle mit den Werten von 1930 verwendet. Je nach Methode wurden bei einigen Kirchen abweichende Ergebnisse hinsichtlich der Genauigkeit ihrer Orientierung ermittelt.

   Wie wichtig es ist, Angaben in der Literatur zu überprüfen, zeigt das von Kiesow erwähnte Beispiel mit dem Achsenknick im Dom zu Bautzen. Nach der rechnerischen Kontrolle ergibt sich dort nicht der 29. Juni (St. Peter und Paul) als Bezugspunkt sondern Petri Stuhlfeier (Cathedra Petri) am 22.Februar. Die besten Ergebnisse lassen sich erzielen, wenn man für den ab 1463 erbauten Westteil (10° Süd) eine Festlegung der Nordrichtung mit dem Kompass annimmt und für den 1221 erbauten Ostteil (15° Süd) eine Abweichung von nur zwei Tagen zum Datum der Kalenderreform von 1582 einsetzt. - Für den Achsenknick können aber auch andere Gründe maßgebend gewesen sein, wie z.B. Probleme mit dem Baugrund.

   Die eingangs genannte These von der Orientierung der Achse nach dem Sonnenaufgang am Tag des Namenspatrons konnte nur bei wenigen der untersuchten Kirchen bestätigt werden. Dies war nicht anders zu erwarten, da sich nach Eckstein u.a. das Wissen um die Berechnung der "heiligen Linie" zum Geheimwissen der alten Baumeister gehörte und um 1120/25 verloren ging. In späterer Zeit wurde demnach der Kompass als Hilfsmittel zu Ermittlung der Nordrichtung herangezogen - doch die magnetische Nordrichtung schwankt sehr stark und kann für das Erbauungsdatum einer Kirche nur sehr schwer rekonstruiert werden.
   Dementsprechend wurde unterstellt, dass an den einzelnen Kirchen unterschiedliche Methoden zur Festsetzung der "heiligen Linie" zugrunde gelegt werden:

   Abweichungen bei den meisten unserer Kirchen können auch damit zusammenhängen, dass der für die Orientierung maßgebliche Heilige nicht mehr bekannt ist oder die Orientierung aus dem Mittelwert mehrerer Richtungen ermittelt wurde, wie dies von Eckstein u.a. am Beispiel ausgewählter Benediktinerkirchen dargestellt wird. Mit Sicherheit hat auch in einigen Fällen die Lage des Bauplatzes in beengter Ortslage die Richtung der Kirchenachse beeinflusst.
   Wie kompliziert die Berechnung sein kann, sei an der Michaelskirche von Bamberg erläutert: Dort hat Eckstein die Hl. Linien von vier Heiligen berücksichtigt, nämlich Martin (11.Nov.), Dionysius (9.Okt.), Michael (29.Sept.) und Benedikt (11.Juli). Die Summe dieser Linien ergibt 15° Süd, was in diesem Fall dem Sonnenwinkel bei ihrem Untergang entspricht - die Kirche ist nämlich um 15° nach Norden orientiert.
   Und wenn man bei einem Heiligen gleich mehrere Termine berücksichtigen kann wie bei Petrus - Petri-Stuhlfeier am 22.Februar, Peterstag am 29.Juni und Petri-Kettenfeier am 1.August - so stehen gleich mehrere Kombinations-Möglichkeiten zur Verfügung, um einen zur Ostung passenden Termin zu finden.

   Im Folgenden soll die Problematik an einigen Beispielen erläutert werden.
   Beim Speyerer Dom, für den 1030 der Grundstein gelegt wurde, wurde nach Eckstein u.a., ebenso wie bei mittelalterlicher Klosterkirchen des Benediktiner- und Zisterzienserordens, ein Mittelwert aus den Patrozinien Martin (11.Nov.), Dionysius (9.Okt.) und Benedikt (11.Juli) gebildet, um damit die "Heilige Linie" festzulegen. Die Achse des Domes liegt bei etwa 4° südlich der Ostrichtung und könnte damit ebenso gut dem Erzengel Michael (29.Sept.) - einem der Speyerer Kirchenpatrone - zugeordnet werden. Tatsächlich ergibt sich eine gute Übereinstimmung für diese Annahme.
   St. Michael - der Engel mit der Seelenwaage, den Klingenmünster im Wappen führt - symbolisiert den Ausgleich zwischen Gut und Böse und ist demnach der herbstlichen Tag- und Nachtgleiche zuzuordnen, an der das Zeichen der Waage beginnt. Halbwegs brauchbare Übereinstimmungen ergeben sich bei den Kirchen von Waldhambach (3° Süd) und Klingenmünster (2° Nord). Keine Übereinstimmung findet sich dagegen bei Rohrbach (14° Süd) und den Michaelskapellen von Bad Dürkheim (17° Nord) und Heidelberg (6° Nord). Folgt man den Argumenten von Christmann, so lässt sich diese Abweichung dadurch erklären, dass an solchen Plätzen ggf. auf die Ausrichtung vorchristlicher Heiligtümer zurückgegriffen wurde.
   Nahe dem Herbstanfang liegt auch das Fest Mariä Geburt (8.Sept.) und weitere Marienfeste. Hierzu lassen sich Übereinstimmungen finden bei der 1429 erbauten Friedhofskapelle von Annweiler (0,5° Süd) und der Wendelinuskapelle von Essingen (± 0°), die ebenfalls der Jungfrau Maria geweiht ist. Beispiele außerhalb der Pfalz sind die beiden Unserer lieben Frau geweihten Münster in Freiburg und Ulm mit einer Achse von 2° Nord.
   Eine Übereinstimmung findet sich auch bei der Kirche Cosmas und Damian in Maikammer (26.Sept. / 8° Süd) und die der Kreuzerhöhung (14.Sept.) geweihte Kirche von Kirrweiler (2° Süd).
   Eine Beziehung zur Ostrichtung ergibt sich auch bei Patronaten, die nahe dem Frühlingspunkt gefeiert werden, wie St. Joseph (19.März). Die genau geostete kath. Kirche von Offenbach/Queich soll hier als Beispiel dienen.
   Weitere ziemlich genau nach Osten gerichtete Kirchen finden sich z.B. in Frankweiler, Godramstein, Rhodt und Siebeldingen, doch hier ist kein Bezug zu einem passenden Heiligen festzustellen. Die beiden zuletzt genannten Kirchen waren ursprünglich St. Georg geweiht, dessen Fest am 23.April gefeiert wird. St. Georg wird jedoch - wie im Wappen von Rhodt - als Drachentöter dargestellt, so dass sich Parallelen zu St. Michael ergeben.
   Beispiele für eine Ausrichtung nach Heiligen nahe den Sonnenwenden scheinen in unserer Heimat zu fehlen. Als Beispiel für eine Ausrichtung nahe der Wintersonnenwende wird in der Literatur der St. Stephan (27.Dez.) geweihte Dom von Wien genannt, der 35° nach Süden weist. Im Gegensatz dazu weist der den Aposteln Peter (29.6.) und Georg geweiht Dom von Bamberg um 34° nach Norden.
   Am ehesten lässt sich noch ein Zusammenhang bei der Kapelle Johann Bapt. in Gräfenhausen feststellen (24.Juni / 45° Nord), wenn hier auch der Altar auf der Südwestseite liegt. Bei der Kirchenruine von St. Johann lässt sich dagegen kein Zusammenhang feststellen, dafür zeigten die Ausgrabungen, dass man sich beim Kirchenbau an römischem Mauerwerk orientiert hat.
   Wichtige Feste im Jahresverlauf waren St. Martin (11.Nov.) und Maria Lichtmess (2.Febr.), die jeweils ca. 40 Tage vor der Sonnenwende bzw. 40 Tage nach Weihnachten liegen. Recht genau auf diesen Termin ist die nach Westen orientierte evangelische Kirche von Göcklingen mit 30° Süd ausgerichtet. Wollte man hier Martin Luther ehren, dessen Namenstag dies ist? Dabei hat er doch stets eine Heiligenverehrung abgelehnt. Genau wie bei der ev. Kirche von Knöringen, die mit 22,5° der Richtung des Sonnenaufgangs am Reformationstag (31.Okt.) entspricht, dürfte hier der Zufall mitgespielt haben, zumal die Nachbargebäude ähnlich ausgerichtet sind.
   Mit 33,5° Süd dürfte auch die ehemalige Klosterkirche von Eußerthal hier zuzuordnen sein, zumal sie u.a. auch St. Martin geweiht war. Doch dürfte dort auch die Lage parallel zu dem engen Tal eine Rolle bei der Ausrichtung gespielt haben.
   Nicht ganz so genau orientiert ist mit 25° Süd die Martinskirche von Leinsweiler. - Die Martinskirchen von Billigheim (5° Nord), Kandel (10° Nord) und Stein (36° Nord) sind jedoch anderes ausgerichtet.
   Während Kirchen mit Patronaten zwischen Ende März und Mitte Juni bei uns anscheinend fehlen, häufen sich die Termine im August - einer Zeit, in der auch viele Kirchweih-Feste stattfinden.
   Eine besonders gute Übereinstimmung ergibt sich mit 17° Nord für Wollmesheim, wo als Datum der Kirchenweihe der 18.August 1040 überliefert ist. Ein Zusammenhang mit dem ehemaligen Kirchenpatron Mauritius ist hier allerdings nicht gegeben, denn dessen Festtag liegt erst am 22.September. Immerhin orientiert sich bis auf den heutigen Tag der Kerwe-Termin an dem überlieferten Datum, so dass Wollmesheim nicht nur die älteste Kirche unserer Gegend sondern auch den ältesten überlieferten Kirchweih-Termin aufweisen kann. Würden östlich der Kirche keine Bäume stehen, könnte man zu dem angegeben Termin genau in Richtung der Kirchenachse die Sonne aufgehen sehen.
   Wie oben erwähnt, wurde der Laurentius-Termin (10.August / 17° Nord) in Queichhambach vor Ort überprüft. Eine bessere Genauigkeit liegt hier aber anscheinend in der tatsächlich wahrnehmbaren Richtung des Sonnenaufgangs und nicht beim theoretischen Aufgang in Höhe des Horizontes, wie er bei den anderen Kirchen ermittelt wurde.
   Die Laurentiuskirche in Schweighofen wurde zwar erst 1893 in ihrer heutigen Gestalt gebaut. Die Baulinie von 22° entspricht jedoch einem Datum, wie es nach dem Julianischen Kalender um 1300 genau zum 10.August passte.
   Mit 22,5° Nord ergibt sich für die St.-Lorenz-Kirche von Bornheim eine recht gute Genauigkeit, während die Laurentius-Kirche von Göcklingen mit 7° Süd aus dem Rahmen fällt.
   Mit einer Ausrichtung von etwa 17° Nord entspricht die 1507 erbaute und 1777 erneuerte Kirche Maria Himmelfahrt in Herxheim recht genau dem Termin 15.August. Nicht ganz so genau orientiert ist die 1510 datierte Kirche gleichen Patronats in Niederlustadt. Eine genauere Übereinstimmung der Richtung ergibt sich allerdings, wenn man eine Missweisung der Kompassnadel von etwa 6° West in die Rechnung mit einbezieht.
   Ebenfalls nach 17° Nord ausgerichtet ist die ehemals St. Bartholomäus (24.Aug.) geweihte Kirche von Essingen. Die kath. Kirche von Birkweiler, die erst 1896 erbaut wurde, orientiert sich jedoch mit 38° Nord nicht an diesem Datum.
   In Landau war die heutige Herz-Jesu-Kirche ursprünglich St. Augustin (28.Aug.) geweiht. Die Ausrichtung mit 13° ist ziemlich genau, da nach dem Julianischen Kalender für das 14.Jahrhundert eine Korrektur um 7 Tage erfolgen muss. Der Kreuzgang weicht mit 9° geringfügig von der Kirchenachse ab, für die Entstehungszeit um 1550 sind hier 10 Tage zu korrigieren. Demnach müssten die parallel verlaufende Königsstraße und die Augustinergasse erst später nach diesen Bauten trassiert worden sein.
   Von Otto Schmid aus Neustadt wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass auch das Phänomen der Kleinen Mondwende für die Ausrichtung von Kirchen bedeutsam sein könnte. Bei den Mondwenden findet der Mondknoten in einer Extremposition von 5,15° zum Wendekreis statt. Solche Situationen treten nur alle 19,5 Jahre auf und wurden angeblich bereits in der Bronzezeit beobachtet und dementsprechend auf der Sonnenscheibe von Nebra festgehalten.
   Bei uns ist die Kleine Mondwende bei einem Winkel von 30° nördlich (oder südlich) der Ostrichtung zu beobachten. In dieser Richtung sind die ehemalige Klosterkirche Limburg sowie das Straßburger Münster ausgerichtet. Bei Limburg (um 1024 begonnen) könnte man aber genau so gut Bonifatius (14.Mai) als Bezugsgröße annehmen - aber auch die genaue Dreiteilung des rechten Winkels könnte hier in Betracht gezogen werden.
   Mit der vorstehenden Zusammenstellung konnte die These vom Zusammentreffen der Kirchenachsen mit dem Sonnenaufgang am Tag des Kirchenpatrons weder bestätigt noch widerlegt werden. Es wurden lediglich ein paar frappierende Übereinstimmungen gefunden - und es wurde aufgezeigt, wie einfach und geradezu verleitend es ist, durch die Suche nach einem "passenden" Heiligen oder einer entsprechenden Korrektur des Entstehungsdatums den Datenbestand zu manipulieren.

   Dennoch muss den Menschen, die schon in frühester Zeit Kalenderberechnungen anstellten, Hochachtung gezollt werden. Denn nur durch ihre Beobachtung war es möglich, die richtigen Saat- und Erntetermine zu ermitteln und damit den Übergang zu einer sesshaften Lebensweise mit Ackerbau zu ermöglichen. Wer damals dieses Wissen besaß, der hatte Macht. Und das aufstrebende Christentum hat es im frühen Mittelalter offensichtlich verstanden, diese Machtposition an sich zu reißen.
   Insgesamt ist es erstaunlich, wie zu einer Zeit, als man die Erde noch für eine Scheibe hielt und man die astronomischen Gesetzmäßigkeiten noch nicht kannte, solche Ergebnisse erzielt werden konnten. Natürlich kann man auch alles für Zufall halten - aber da müssten schon zu viele Zufälle zusammenkommen.

Literatur:
Ernst Christmann, Flurnamen zwischen Rhein und Saar (Christliche Kirchen auf vorchristlichen Kultstätten, besonders in der Pfalz): BpfKG 9(1952), 17-31, 45-58
Rudolf Eckstein, Franziskus Büll OSB und Dieter Hörnig: Die Ostung mittelalterlicher Klosterkirchen des Benediktiner- und Zisterzienserordens, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige, Bd. 106, H. 1, 1995, 7–78.
www.geologie.uni-freiburg.de/root/projekte/geophysik/muensterschwarzach/abtei.html
Renate Engels, Palatia sacra, Teil I, Bd. 3 (Der Landdekanat Herxheim), 1988
Hermann Grotefend, Taschenbuch der Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der Neuzeit, 121984.
www.heiligenlexikon.de
Gottfried Kiesow, Die Sonne und der Achsenknick, in: Kulturgeschichte sehen lernen. Bd. 2 Bonn 2005, S.37-39.
http://www.monumente-online.de/05/02/sonderthema/sehen_lernen_ ausgabe2005_02_spolien.php
www.bautzen.bz/index.php?site=regionales_details&objekt_ID=56
Volker Rödel, Palatia sacra, Teil I, Bd. 4 (Der Landdekanat Weyher), 1988
Wolfhard Schlosser; Cierny, Jan: Sterne und Steine, eine praktische Astronomie der Vorzeit. Stuttgart 1997.

Glossar:
Azimut: Von der Süd- oder Nordrichtung aus gemessener Winkel.
Deklination: Winkelabstand eines Objektes vom Himmelsäquator.
- auch: Missweisung, Abweichung der Kompassnadel von der Nordrichtung.
Ekliptik: Schiefstellung der Erdachse.
Ephemeriden: Tabelle, die die Positionen eines sich bewegenden astronomischen Objekts auflistet.
Indischer Kreis: uralte geometrische Methode zur Feststellung der Nordrichtung aus der Ermittlung von zwei Schatten gleicher Sonnenhöhe.
Morgenweite: Abweichung der Richtung des Sonnenaufgangs von der Ostrichtung.

(Blätter für pfälzische Kirchengeschichte und religiöse Volkskunde, Jahresband 2008, 75.Jahrgang, S.185-191)

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