Geschichte & Forschung volkstümliche Bezeichnungen

Wetterkreuze
auch Wettermarter, Hagelkreuz etc.


 kleinere Abhandlungen 
Weinmann, Fred - Geheimnisvolle Buchstaben auf dem Hambacher Wetterkreuz, 1972
Weinmann, Fred - Das Wetterkreuz bei Wachenheim, 1975
Weinmann, Fred - Kreuze zur Abwehr von Not, 1981
Merkel, Dieter - Das Wetterkreuz, 1994

 Literatur-Auszüge 

[...] Eine besondere Rolle spielten in Ostthüringen die sogenannten "Wetterkreuze". Sie galten im Volksglauben als Wetterteiler, an denen sich schwere Gewitter teilten und verzogen, wenn an ihnen Gebete verrichtet wurden. [...] Von besonderer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang die schon erwähnten "Wetterkreuze", von denen allein in Ostthüringen bisher mehr als zehn nachgewiesen werden konnten. Das bekannteste ist das Wetterkreuz von Königshofen an der alten Weinstraße und Stadtgrenze von Eisenberg. Von den fünf noch existierenden stehen höchstens zwei an einer ausgesprochenen Wetter- und Wasserscheide (Königshofen und Weisbach), von den urkundlich nachweisbaren ist es nur von einem (Kulm) anzunehmen. Das läßt doch ernste Zweifel an der Volksüberlieferung aufkommen, daß es "Wetter- oder Gewitterteiler" seien. Die Zweifel sind um so berechtigter, als es Wetterkreuze auch im übrigen deutschen Sprachgebiet gibt.
[...] Der verschiedentlich noch ortsübliche Beiname "Wetterkreuz" geht offensichtlich auf diese ältere Bezeichnung zurück, die sinngemäß mit Wetter oder Gewitter gar nichts zu tun hat, sondern sprachlich mit dem Wort "wett" bzw. "quitt" im Sinne von abbezahlt, beglichen oder ausgeglichen zusammenhängt.
Nach dem Mittelhochdeutschen Wörterbuch von Lexer bedeutet das mittelhochdeutsche Wort "wete" bzw. "wette", das noch in unserem Ausdruck "wetten", "Wettbewerb", "um die Wette" steckt, u.a. sowiel wie Erfüllung und Aufhebung einer Rechtsverbindlichkeit, Bezahlung oder Tilgung einer Schuld, Vergütung oder Wiedergutmachung eines Schadens oder auch Geldbuße. Legt man dem Wetterkreuz diese Bedeutung zugrunde, so hieße das, daß mit seiner Errichtung etwas wett- bzw. wiedergutgemacht, eine Schuld, in diesem Fall sogar Blutschuld beglichen und somit eine Rechtsverbindlichkeit eingelöst werden sollte. Das aber entspricht haargenau dem ursprünglichen Sinn des mittelalterlichen Steinkreuzsetzens. Daraus kann gefolgert werden, daß "Wetterkreuz" nur ein älterer Ausdruck für "Sühnekreuz" ist und die gleiche Bedeutung hat. Gleichbedeutend damit ist auch in der kirchlichen Ausdrucksweise die Bezeichnung "gebüßt Kreuz" (Bußkreuz) in Rabis, Kreis Stadtroda, aus dem Jahre 1485. Darauf könnten ebenfalls Flurnamen von Dorndorf und Heilingen im Hexengrund wie "die Buße" und "Bußecke" hinweisen. Damit ist schließlich die Frage nach dem Ursprung und der geschichtlichen Entstehung und Bedeutung unserer unbeschrifteten Flurdenkmale gestellt. Das mittelalterliche Sühnerecht erscheint uns heute fremd und schwer verständlich; in den Grundzügen geht es bereits auf die Germanen zurück, wie uns Tacitus in seiner "Germania" berichtet. Es beruhte auf dem Prinzip der Vergeltung für empfangenes Unrecht, insbesondere in bezug auf die Tötung eines Sippenangehörigen, und verpflichtete die gesamte Sippe zur Blutrache.
(Deubler / Künstler / Ost - Steinerne Flurdenkmale in Ostthüringen, 1976, S.67)

   [...] Auch die bloße Einzeichnung eines Kreuzes oder den mehrfach vorkommenden Ausdruck "Wetterkreuz" auf alten Karten habe ich für sich allein gleichfalls nicht als ausreichenden nachweis für das frühere Vorhandensein eines steinernen Kreuzes behandelt, denn solche Einträge könnten - namentlich in katholischer Zeit - wohl ebenso auf die hölzernen Flurkreuze zurückzuführen sein, wie sie heutigentags noch überall, namentlich auf größeren Almen gesetzt werden. [...]
   [...] Die sogenannten Wetterkreuze, die anderwärts, z.B. bei Eisenberg im Thüringischen, vorkommen, bestehen in Sachsen nur noch in der Erinnerung; so wird im Kopitalbuche der Stadt Großenhain ein Wetterkreuz vor dem vorstädtischen Jacobstore an der Straße nach Wildenhain bei Grenzbesichtigungen in den Jahren 1451 und 1609 erwähnt. Bei Crimmitschau, auf der Höhe 306 südöstlich des Bahnhofs, findet sich auf der Generalstabskarte von 1880 der Ausdruck Wetterkreuz eingetragen. Dieses und ein "Wetterkreuz" südöstlich von Dahlen weist nach ser Oberreitsche Landesatlas auf seinen Blättern XIV Zwickau und III Oschatz aus. In allen Fällen sind jedoch meine schriftlichen Nachforschungen samt der persönlichen Suche nach dem Stein selbst erfolglos geblieben.
   Ferner soll ein verschwundenes Wetterkreuz bei Mobendorf, Bezirk Döbeln, gestanden haben; die umliegenden Äcker tragen noch heute die Flurnamen "ob und nid des Wetterkreuzes". [...]
(Kuhfahl, Dr. G.A. - Die alten Steinkreuze in Sachsen, 1928, S.54 u. 189-190)

Wolkenbrüche, Gewitter und Hagelschlag sind Naturerscheinungen, die mit unerbittlicher Gewalt über die Menschen hereinbrechen, Haus und Hof gefährden, Blüten und Früchte zerschlagen und deshalb vor allem den bäuerlichen Menschen mit Sorge und Angst erfüllen. Um sich ihrer zu erwehren, hat der Mensch schon immer die Götter bestürmt und Mittel und Wege gesucht, diese Schicksalsschläge abzuwehren. Unsere Vorfahren erkannten in Donar den Lenker aller Naturgewalten. Als Christen beugten sie sich dem Willen Gottes, erkannten aber auch in den Dämonen eine Macht, die mit göttlicher Einwilligung durch Unwetter den Menschen straften. Aus diesem Wetterglauben erwuchs der Wetterzauber, gegen den die kirchliche und staatliche Gesetzgebung des Mittelalters mit empfindlichen Strafen einschreiten mußte. Man suchte durch die zauberbrechende Kraft des Lärms die bösen Wetter zu vertreiben. Neben dem Blasen der Wetterhörner und dem Wetterschießen war bei dem Läuten der Glocke die natürliche Abwehrkraft des Lärms durch die kirchliche Weihe ins Übernatürliche gesteigert. Die Wetterglocken der gotischen Zeit sind mit den Namen der vier Evangelisten beschriftet; denn die Initien der Evangelien waren damals bereits in den Gebeten der Wettersegen enthalten, und ihre benedizierende und abwehrende Kraft übertrug man auf die Personen der Evangelisten selbst, deren volkstümliche Namen abwehrstark und kraftgeladen zum Träger der Allmacht Gottes wurden. Neben die dämonenabwehrenden Kräfte traten Opfer- und Bittzeremonien, wie Wettersegen, Flurprozessionen, Hagelfeiertag, Kräuterweihe, vor allem aber das Aufrichten besonderer Kreuze in der Flur, die als Wetter-, Schauer- oder Hagelkreuze z.T. heute noch erhalten sind. So weit man diese Kreuze erblickte, so weit waren Dorf und Flur gegen Unwetter gefeit.
(Weinmann, Fred - Kreuze zur Abwehr von Not, in: Pfalzatlas, Textband I, Speyer 1981, S.302)

   Von den Denksäulen wenden wir uns nun zur zweiten Gruppe: zu den Bittsäulen. Sie wollen Krankheiten, Unwetter, Mißwachs, Feuer, Geisterspuk u. dgl. abwenden. Sehr zahlreich sind sie in den Weingegenden: Vitus im Kessel ist der Patron; oft finden sich zierliche Barocksäulen mit Weinlaub umwunden. Der heilige Donatus schützt die Saaten, Florian die Häuser und Scheunen, der heilige Nepomuk die Brücken, die Wetterkreuze gegen Unwetter (z.B. bei Karnabrunn), die Kreuzwegsäulen gegen die bösen Geister, die an Kreuzwegen ihr Unwesen treiben.
   Aufgerichtet wurden sie zumeist von Einzelnen, manchmal aber auch von mehreren, von Eheleuten, von Familien, von Gemeinden, von Korporationen.
(Vancsa, Dr. Max - Über Bet- und Denksäulen in Niederösterreich, in: Berichte und Mitteilungen des Altertums-Vereins zu Wien, Band XXXIX, 1905, S.110)

Schon früh waren die Bitt- und Bußprozessionen auf dem Land zu Wetterprozessionen geworden. Von ihnen schreibt Bischof Sicardus von Cremona um das Jahr 1200: "In dieser Zeit, da die Früchte noch in zarter Blüte stehen, und die Kriege ihren Anfang zu nehmen pflegen, fleht man zu Gott, daß er Hagel und Wetter abhalte und fruchtbare Ernte seinem Volk gebe." Der Wettersegen bei der Prozession bestand in der Lesung der vier Evangelienanfänge in die Richtungen der vier Winde. In fast allen deutschen Gegenden gab es im 13.Jahrhundert sogar Feiertage, die allein dem Wetter galten, "hagelfire", die Hagelfeiern. In der Eifel waren sie bis ins 19.Jahrhundert ein wichtiges Ereignis, Feiertage mit strengem Arbeitsverbot. Im Mittelpunkt dieser Festtage mit Gottesdienst, dem "Schaueramt", stand eine Prozession, die mit dem Wettersegen endete. Hierbei müssen Flurkreuze, bei denen wahrscheinlich Station gemacht wurde, eine Rolle gespielt haben. In frühen Urkunden erwähnte und im Volksmund weiterlebende "Hagel-", "Donner-", "Schauer-" und "wetercruze" deuten darauf hin. In der Eifel steht heute noch das Hagelkreuz in Kottenheim aus dem Jahr 1582, und vielleicht ist die Hagelstraße in Thür ein Hinweis darauf, daß die Hagelprozession einst hier entlang ins Freie ging. Am Standort im Feld vermochten die Wetterkreuze, so glaubte man, Schäden von der Saat abzuhalten in dem Umkreis, soweit sie sichtbar waren. Die ihnen im Volksglauben zugeschriebene Abwehrkraft gegen Wetterdämonen wurde nämlich dinglich gedeutet und konnte dementsprechend auf einer freien Anhöhe weiteste Wirkung erreichen. Man weiß, daß in der Gegend von Arles schon im 6.Jahrhundert Holzkreuze zum Schutz gegen Unwetter im Ackerland aufgestellt wurden, im Gebiet der Hohen Acht noch heute. Größere Kreuze zu diesem Zweck weihte der Priester feierlich. [...]
In den offiziellen, kirchlichen Prozessionsbrauch waren als Ziele der Hagelprozession (beschrieben in der Einführung) auch die Wetter-, Hagel-, Donner- oder Schauerkreuze einbezogen. Die Bestimmung "zur Bewahrung vor Blitz und Donner", wie sie einige Inschriften nennen, konnte ein Flur- und Wegekreuz unabhängig vom Errichtungsanlaß erhalten, wenn es beispielsweise schon lange an seinem Platz im Feld gestanden hatte und dort nie oder nur selten Unwetter niedergegangen waren. Im Volksglauben ging die Bedeutung eines Wetterkreuzes weit über seine Funktion als Station im offiziellen Kultgang mit Bitte an Gott um "gut Wetter" hinaus. Man schrieb ihm Kraft zu, Unwetter abzuwehren. Das klingt noch in der Bezeichnung "Wetter-, Donner-, Hagelkreuz" an. Wie anfangs erwähnt, gab es schon seit urchristlichen Zeiten beim Volk Vorstellungen von der apotropäischen (= abwehrenden) Kraft eines Kreuzes, die sich gegen Böses, Dämonen, Teufel und Geister zu richten vermochte. Das galt für jede Form des Kreuzes, für das Flur- und Wegekreuz, das aufgezeichnete Kreuz, das gesprochene Wort, oder das mit der Hand in die Luft geschlagene. Noch heute bekreuzigt man sich in der Eifel bei Gewitter.
(Lehmann-Brauns, Elke - Himmel, Hölle, Pest und Wölfe: Basaltlava-Kreuze der Eifel, Köln 1986, S.13, 57)



 dokumentierte Beispiele 
Wachenheim (RLP)
Weisbach (TH)
Dörfleins (BY)
Kottenheim I (RLP)
Mallerstetten I (BY)
Lößnitz (SN)
Haynsburg (SA)
Karnabrunn (AUT)
Gerolzhofen (BY)
Hambach I / II (RLP)
Königshofen (TH)
Watterbach III (BY)
Sonsbeck I (NRW)



 weiterführende Literatur und Quellen 



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Sühnekreuze & Mordsteine