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La naissance du roi de Rome en mars 1811: gravure de Benjamin Zix parue dans le "Hinkende Bote am Rhein"

Der Ursprung der Napoleonsbänke
von Rudolf Wild

   Wer aufmerksam durch das nördliche Elsass fährt, der kennt die aus vier Steinquadern zusammengesetzten Kleindenkmäler, die als Napoleonsbänke bezeichnet werden.
   Und als Hintergrund ihrer Entstehung wird gern erzählt, Napoleon Bonaparte persönlich habe ihre Aufstellung befohlen, nachdem er immer wieder beobachtet hatte, wie schwer sich die Frauen auf dem Lande damit abmühen, schwere Lasten auf dem Kopf zu tragen – selbst während der Schwangerschaft. Er wollte ihr Los dadurch erleichtern, dass sie an steinernen Ruhebänken (frz. "reposoir") ihre Last absetzen und eine Pause einlegen konnten. Eine Variante dieser Legende besagt, die Kaiserin Marie Louise habe ihn auf diese Missstände aufmerksam gemacht.    Zweifel am Wahrheitsgehalt dieser Geschichte kommen auf, wann man die Bänke näher betrachtet und dabei feststellt, dass viele dieser Denkmale im Sturz die Jahreszahl 1854 tragen. Unter diesem Gesichtspunkt könnte man die Legende auf Napoleon III. übertragen, doch auch dies ist unwahrscheinlich, denn bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass die charakteristische Form der Napoleonsbänke fast nur im Departement Bas-Rhin vorkommt.

   Ein erster Hinweis auf die Ruhebänke findet sich im zweisprachigen "Recueil officiel des Actes de la Préfecture du Département du Bas-Rhin" vom 22.April 1811. Der weit vorausschauende Straßburger Präfekt Lezay-Marnesia sah die Feierlichkeiten, die für das Tauffest des lang ersehnten Thronfolgers vorgesehen waren, als Chance, staatliche Fördermittel dafür einzusetzen, dass eine nutzbringende und bleibende Erinnerung geschaffen wurde. Zwischen den Zeilen ist zu lesen, dass es sich bei den vorgeschlagenen Bänken nicht um eine neu geschaffene Idee handelt, sondern um Reparatur und Ergänzung von Ruhebänken, die damals bereits dem Verfall preisgegeben waren.
   In dem Erlass (circulaire) wurde die Taufe des Thronfolgers für den 2.Juni 1811 angekündigt. Aus späteren Dokumenten ist jedoch zu entnehmen, dass sie erst am 9.Juni stattfand.
   Im Zuge der Feierlichkeiten sollen etwa 120 Bänke aufgestellt worden sein, die man später als "Banc du roi de Rome" bezeichnete. Diese Bänke waren nicht einheitlich gestaltet. Es gab auch Bänke, denen der obere Sturz fehlte. Ein Entwurf von 1812 zeigt einen Vorschlag, wie man auf diese Weise eine preiswerte Bank aufstellen konnte. Doch der Stern Napoleons I. begann zu sinken, und so wurden in der Zeit nach 1811 wohl kaum noch weitere Bänke aufgestellt.

Napoleonsbank bei Frœschwiller

Zierform einer Napoleonsbank bei La Petite Pierre

Typische Napoleonsbank im Elsass bei Lobsann, im Sturz datiert mit 1854

Napoleonsbank bei Ilbesheim / Pfalz

Ruhebank bei Ingenheim am Rhein

Nachbildung einer Napoleonsbank bei Essingen / Pfalz

Le "Wisch" ou "Bauschde", coussinet sur lequel reposait la charge. Celui-ci provient de Hunspach. (Tragekissen).

Marie-Louise, fille de l'empereur d'Autriche François II: gravure anonyme.

   In größerem Umfang wurden solche Steinbänke erst wieder im Jahr 1854 aufgestellt, nachdem der Präfekt Auguste César West die Hochzeit Napoleons III. zum Anlass nahm, am 21.Dezember 1853 ein Rundschreiben zu verfassen, dass nach dem Vorbild von 1811 erneut Ruhebänke aufgestellt werden sollten. So wurden bis Juli 1854 entlang der wichtigsten Straßen 448 Bänke im Abstand von jeweils zwei Kilometern aufgestellt. Gleichzeitig dürften beschädigte ältere Bänke repariert worden sein. Die einheitliche Gestaltung der neuen Bänke führte dazu, dass sich mit der Zeit der Begriff "Napoleonsbank" durchsetzte.
   Bei der Gründlichkeit, mit der diese Bänke an allen wichtigen Straßen errichtet wurden, darf es nicht verwundern, dass so gut wie keinerlei Reste älterer Bänke erhalten geblieben sind.
   Dafür scheint es im Departement Haute-Rhin noch einige ältere Bänke zu geben. So wurde mir von zwei Ruhebänken berichtet, die bei St. Hippolit stehen. Bei diesen ist die Sitzbank neben dem hohen Sturz angebracht – eine Form, wie sie in Hessen und Baden-Württemberg weit verbreitet ist. Diese Ruhen sind nicht so hoch wie die Napoleonsbänke und eignen sich nicht nur für das Absetzen von Traglasten, die auf dem Kopf transportiert werden, sondern auch zum Absetzen von Rückenlasten.
   Der Transport von Waren auf dem Kopf erfordert übrigens "Kopfarbeit" im doppelten Sinne des Wortes. Es ist nämlich gar nicht so einfach, eine schwere Last so anzuheben, dass sie auf dem Kopf getragen werden kann. Ohne fremde Hilfe gelingt dies nur in gebirgigem Gelände, wenn eine Böschung, eine Ackerterrasse oder eine Weinbergsmauer zur Verfügung steht. Im flachen Gelände benötigt man dagegen eine Ruhebank oder die Hilfe einer fremden Person. Half ein junger Mann einer Lastenträgerin, so war es üblich, dass er durch einen Kuss entschädigt wurde.
   Ansonsten muss man sich die Abfolge so vorstellen: 1.) Man hebt die Last vom Boden auf und stellt sie auf die Sitzbank. 2.) Hier greift man um und stellt die Last auf den hohen Sturz. 3) Nach nochmaligem Umgreifen hebt man die Last auf den Kopf, der durch ein "Wisch" oder "Bauschde" (coussinet rond, Kopfkissel) genanntes Kissel gepolstert wurde. Dieses Kissen diente nicht nur als Polster, – es half auch, die Last zu balancieren, ohne sie festhalten zu müssen.
   Nach einer halben Stunde ist man froh, wenn man die Bürde auf einer anderen Bank abstellen konnte, um sich auszuruhen. Und beim Absetzen der Last sind dann die Handgriffe in ungekehrter Reihenfolge durchzuführen – sofern keine fremde Hilfe zur Verfügung stand.

   Bei den Napoleonsbänken ergibt sich die Höhe dadurch, dass zwischen Sitzbank und dem hohen Sturz eine lichte Höhe von mindestens 1,10m erforderlich ist, damit man sich beim Sitzen den Kopf nicht anstößt. Diese Form ist außerhalb des Departements Bas-Rhin kaum bekannt und kommt nur in wenigen Exemplaren in der Gegend von Calw im Schwarzwald vor.
   Im nördlichen Elsass haben sich etwa 230 Bänke erhalten. Seit der Auflistung durch Bonell1) können allerdings auch welche verschwunden oder andere wiedererrichtet worden sein. Etwa 20 dieser Bänke gehen auf die Geburt des "roi des rome" zurück – z.B. zwischen Wissemborg und Lembach, westlich von Surburg, bei Froeschwiller, in Oberkutzenhausen und bei Roeschwoog. Die übrigen wurden in der Regierungszeit Napoleons III. errichtet oder erneuert.

   Im deutschsprachigen Raum finden sich die meisten Ruhebänke in Baden-Württemberg, wo etwa 140 "Gruhen" dokumentiert sind.2) Und etwa ein Drittel dieser Bänke konzentriert sich im Landkreis Ludwigsburg.3)
   In Rheinland-Pfalz konzentriert sich die Verbreitung der Ruhebänke auf den Bereich südlich von Landau, der bis 1814 zum Departement Bas-Rhin gehört hat. Weiter nördlich ist ihre Verbreitung nur unvollständig dokumentiert. Entsprechendes gilt für Hessen und Bayern, wo solche Ruhebänke ebenfalls weit verbreitet gewesen sein müssen.4)

   Als Beleg dafür, dass es auch in der Pfalz Ruhebänke gegeben hat, die älter sind als die Napoleonsbänke, gilt der Ortsname "Ruhbank" bei Pirmasens, wo 1748 ein "Acker bei der Ruhbank" verkauft wurde. Leider ist nicht überliefert, wie diese Ruhbank ausgesehen hat; die 1948 errichtete Nachbildung orientiert sich an der Form der Napoleonsbänke, auch wenn ihre Bauweise von diesen abweicht.
   Bis in die 1930er Jahre hatten sich in der Pfalz wenigstens zwei Ruhebänke erhalten, deren Bauart von den Napoleonsbänken abwich: Bei Pleisweiler-Oberhofen stand eine solche Bank. Sie ist der Straßenverbreiterung zum Opfer gefallen. Eine zweite Bank bei Gleiszellen-Gleishorbach wies sogar zwei seitliche Sitzbänke auf, die jedoch im Laufe der Jahre tief in den Boden eingesunken waren. So war die alte Form nicht mehr erkennbar – und bei der Renovierung wurde eine neue Bank erstellt, die sich an den Napoleonsbänken orientiert.
   Eine Bank der alten Form – jedoch nur mit einem hohen Pfeiler – steht unbeachtet im Weinberg bei Burrweiler. Sie stand bis in die 1920er Jahre etwa 200 m südlich des Ortes. Zwei Bänke gleichen Typs haben sich bei Gimmeldingen erhalten, wo sie als "Lockenstein" bezeichnet werden – mit "Locken" bezeichnete man früher die schweren Traglasten, die man hier abstellen konnte.
   Die älteste Nachricht über eine Ruhebank ist 1487 für Rommersheim in Rheinhessen belegt. Aus der Urkunde geht jedoch nicht hervor, ob es sich um eine Bank aus Stein gehandelt hat. Es gibt nämlich Hinweise darauf, dass es schon früher ähnliche Bänke aus Holz gegeben hat. Noch 1925 soll eine solche hölzerne Ruhebank bei Oberhilbersheim in Rheinhessen gestanden haben. Und dort gibt es sogar einen Zusammenhang mit Napoleon: Ganz in der Nähe befindet sich eine "Napoleonshöhe", wo Napoleon einst Heerschau gehalten haben soll.
   Das heutige Verbreitungsgebiet der Ruhebänke steht in deutlichem Zusammenhang mit dem Vorkommen von Sandstein (grés), der sich zur Anfertigung solcher Denkmale eignet, nämlich dem Buntsandstein (grés bigarée) beiderseits des Oberrheingrabens und dem Schilf- oder Stubensandstein, der geologisch dem Keuper zuzuordnen ist.

   Der Sandstein der genannten Regionen weist nur eine begrenzte Haltbarkeit auf. Daher wurden Ende des 19.Jahrhunderts – möglicherweise unter dem Einfluss der Romantik – Ruhebänke aufgestellt bzw. erneuert, als die Tradition, Waren auf dem Kopf zu tragen, immer weniger üblich war. Auffallend ist, dass damals z.B. Ruhebänke an Bahnübergängen errichtet wurden, so dass bei geschlossener Schranke die Traglasten abgesetzt werden konnten.
   Und auch heutzutage hat die Erinnerung an die alten Traditionen vielfach dazu geführt, dass man sich an die Ruhebänke erinnert und beschädigte Teile ersetzt.

   In Baden-Württemberg werden die Ruhebänke als "Gruhen" oder "Gruhbänke" bezeichnet – ein Begriff, der sich von g’ruhen im Sinne von ausruhen ableitet. Interessanterweise gibt es im Raum Calw ein paar Bänke, bei denen die Sitzbank unterhalb des hohen Sturzes angebracht ist, und die somit als Vorbild für die Napoleonsbänke gedient haben könnten.

   Im nordwestlichen Bereich des Verbreitungsgebietes – der Eifel und dem Neuwieder Becken – wurden die dort "Rasten" oder "Rästen" genannten Ruhebänke aus der dort vorkommenden nahezu unverwüstlichen Basaltlava angefertigt. Demnach wäre zu erwarten, dass sich dort die ältesten Ruhebänke erhalten haben. Doch leider gibt es für diese Region noch keine Dokumentation über die Verbreitung dieser Denkmalform. Immerhin hat sich dort eine Überlieferung erhalten, die Aufschluss auf die Entstehung solcher Bänke geben könnte: Bußfertige Menschen legten ein Gelübde ab, solche Bänke zu errichten, damit den Not leidenden Mitmenschen ihre schwere Arbeit erleichtert wurde. Sie erwarteten damit einen "Ablass" – Linderung der Strafen im Jenseits und eine Verkürzung des Fegefeuers. Anders als bei den Sühnekreuzen, bei denen eine Aufstellung durch eine Urkunde bestimmt wurde, wurden jedoch derartige Gelübde nicht schriftlich verfasst – und so kann über die genannte Überlieferung nur spekuliert werden.
   Ein wenig von dieser Vorstellung könnte sich in dem rheinhessischen Ausdruck "Brückenbank" verbergen – indem durch die fromme Stiftung brückenartig miteinander verbundenen Steinen eine Brücke zum Jenseits geschaffen wird.

   Der Begriff "Mahnsteine" in der Region um Hanau lässt eine ähnliche Möglichkeit der Interpretation offen, auch wenn sich dieser Name ebenso gut aus dem mundartlichen Begriff "Manne" ableiten lässt, der die Körbe bezeichnet, die früher hier abgestellt wurden. Im Sinne von (Er-) Mahnung kann der Begriff aber auch zu einem ganz anderen Ursprung der Ruhebänke führen. Aus dem östlichen Verbreitungsgebiet dieser Bänke in Bayern und Schlesien wird nämlich darauf hingewiesen, dass der Begriff eigentlich "Rugbank" heißen müsste, das sie auf Standorte alter "Ruge-Gerichte" hinweisen. – Leider liegen für Bayern und die weiter östlich liegenden Regionen keine umfassenden Dokumentationen vor, die dies belegen könnten.
   Für zwei der von mir untersuchten Steinbänke trifft ein solcher Zusammenhang tatsächlich zu. Bei Böchingen (SÜW) liegt eine mächtige Steinplatte auf niedrigem Sockel an der Stelle, an der einst die Gerichtssitzungen der "Haingeraide" (einer Waldgenossenschaft) stattfanden. Der Infotafel ist zu entnehmen, der Stein sei der "Geraidestuhl" gewesen, von dem aus die Redner zum umstehenden Volk gesprochen haben und der Richter die Urteile verkündete.
   Eine ähnliche Situation liegt bei der mächtigen Steinbank am "Ruhkreuz" bei Wörth am Main (Bayern) vor. Dort liegen neben der Steinbank drei große Steinquader, die als Verkündsteine eines Rugegerichts interpretiert werden. Vielleicht sind es auch die Bruchstücke einer älteren Bank.

   Eine weitere Interpretation des Ursprungs der Ruhebänke geht dahin, dass solche Bänke in der Renaissance und im Barock in den Parkanlagen aufgestellt wurden. In dieser Weise entstand in Schlitz in Oberhessen eine Steinbank, die gleichzeitig mit Napoleon in Verbindung gebracht wurde. Die sog. Napoleonsruhe wurde 1866 von Graf Carl v. Görtz aufgestellt, der sich (nach einer Niederschrift seiner Enkelin Elisabeth v. Görtz 1936) an folgende Geschichte erinnert haben soll: Napoleon I. zieht mit seinem Heer auf einer französischen Landstraße, als ihm ein altes Weiblein entgegenkommt, das eine Last auf dem Rücken trägt. Napoleon befiehlt seinen Offizieren "respect au fardeau" – "Achtung vor der Last" und lässt die ganze Heeressäule seitwärts treten, damit die Frau passieren kann. Die Inschrift "RESPECT AV FARDEAV" soll hieran erinnern.
   In Rheinhessen – dem ehemaligen Departement "Mont Tonnerre" – erinnert der Begriff "Franzosenbank" daran, dass solche Bänke möglicherweise unter französischem Einfluss entstanden. Sogar der Begriff "Roiderom" soll früher geläufig gewesen sein. Und der Begriff "Zollbank" erinnert daran, dass zeitweise an den Gemarkungsgrenzen die transportierten Waren verzollt werden mussten. Auf den Steinbänken konnten diese dann zur Kontrolle ausgebreitet werden.
   Für Standorte von Bänken aus französischer Zeit gibt es allerdings keine Belege. Die "Napoleonsbank" von Rockenhausen wurde erst 2002 errichtet. Und die angeblichen Napoleonsbänke im Raum Neustadt an der Weinstraße entstanden zwischen 1828 und 1860. Der dort vorkommende Sandstein ist allerdings sehr weich, und die damals errichteten Bänke sind fast alle wieder verschwunden.

   Eine weitere Tradition, die mit der Entstehung der Ruhebänke vergleichbar ist, sind Steine, die dazu dienten, um das Besteigen der Pferde zu erleichtern. Man bezeichnet sie als "Reitsteine" (frz. "montier"). Solche steinernen Hilfsmittel waren bereits auf den Burgen angelegt worden, um den gewappneten Reitern das Besteigen der Pferde zu erleichtern. Und auch die Ruhebänke eigneten sich für diesen Zweck – ebenso wie jeder größere Grenzstein. In diesem Sinne können auch die Radabweiser-Steine neben den Napoleonsbänken interpretiert werden. Neben den 1854 aufgestellten Napoleonsbänken wurden für diesen Zweck spezielle rechteckige Quader von etwa 60cm Höhe aufgestellt.
   Schließlich sollen noch die steinernen Sitzbänke in den Ortschaften erwähnt werden, die zum Verweilen einluden. Sie wurden bevorzugt an Stellen errichtet, an denen man auf etwas warten musste – wie z.B. die Postkutsche – und so Gelegenheit fand, zum Gespräch zusammen zu kommen.
   Der Vollständigkeit halber soll darauf hingewiesen werden, dass der Begriff der "Ruhe" auch in Verbindung mit Flurnamen vorkommt und darauf schließen lässt, dass die Ruhebänke früher viel weiter verbreitet waren als wir es heute wissen.

   Kehren wir zurück in das geschichtsträchtige Jahr 1811.
   Angeregt durch die große Resonanz, die die Feier des Tauffestes mit sich gebracht hatte, wurden zwei neue Feiertage eingeführt, um den Personenkult um Napoleon zu stärken. Entsprechende Anweisungen ergingen mit Cirkularschreiben vom 9.Juli 1811 an die Herren Maires:
   Am Geburtstag des Kaisers – dem 15.August (1769) – sollten Spiele unter freiem Himmel veranstaltet werden, die körperliche Stärke und Gewandtheit bewiesen, und es sollten Vieh-Prämierungen stattfinden. Dieser Termin kam bei der katholischen Bevölkerung gut an, denn er deckte sich mit dem traditionellen Fest "Mariä Himmelfahrt".
   Und schließlich sollte noch ein Winterfest stattfinden – zur Erinnerung an die Kaiserkrönung am 2.Dezember (1804). Zu diesem Termin sollten – zusätzlich zur Prämierung landwirtschaftlicher Erzeugnisse – im gesamten niederrheinischen Departement kleine Grünanlagen geschaffen werden, die "Napoleonsbusch" heißen sollten. In jeder Gemeinde sollte solch eine Grünanlage angelegt werden. Und es wurde genau geregelt, wer wie viele Bäume pflanzen durfte – entsprechend den Verdiensten um das Gemeinwohl.
   Der Unter-Präfekt von Weißenburg meldete am 10.Dezember 1811 den Vollzug dieser Aktion nach Straßburg: "Ich habe das Vergnügen, Ihnen anzuzeigen, daß der Krönungsbusch, Ihrem Wunsche gemäß, in allen Gemeinden meines Bezirkes gepflanzt worden ist, mit Ausnahme jedoch von fünf, in welchen sich weder Platz, noch das geringste Gemeinde-Eigenthum vorfand, auf dem er angelegt werden konnte."
   Viele Gemeinden waren dem Befehl natürlich nur widerwillig gefolgt, da man möglichst wenig Fläche aus der Produktion landwirtschaftlicher Produkte ausgliedern wollte. Und so ist es kein Wunder, dass man in zahlreichen Gemeinden dreieckige Grundstücke wählte, die nur schwer zu bewirtschaften waren. Wegen der Ähnlichkeit mit der allgemein bekannten Form von Napoleons Hut erhielten solche Flächen später den Spitznamen "Napoleonshut".
   An die einstigen Krönungsbüsche erinnern heute nur noch wenige Flurnamen, wie z.B. eine Waldabteilung am Springenberg zwischen Dörrenbach und Oberotterbach. Ansonsten wurden die Flächen später anderweitig in öffentliche Nutzung genommen, indem man hier Fest- oder Sportplätze anlegte – eine Nutzung, wie sie ja ursprünglich bereits angedacht war: "…dieser Platz kann auch zu Jahr- und Viehmärkten dienen; es können daselbst Spaziergänge gemacht und Spiele angestellt werden; auch könnten die Sommerfeste und ländlichen Tänze nirgends besser, als da, gehalten werden."
   Doch der Name dieser Grünanlagen wurde weitgehend abgelehnt, da der Begriff "Busch" in der pfälzischen Umgangssprache negativ vorbelastet ist – bis hin zur Bezeichnung für unterentwickelte Gebiete in Afrika.
   Dabei lag hier wohl nur eine missglückte Übersetzung des sprachverwandten französischen Wortes "bosquet" vor, das man besser übersetzt mit Hain, Wäldchen oder Baumgruppe. Im französischen Text des Rundschreibens steht allerdings "Bouquets du Couronnement". – Bei "bosquet" denkt man zunächst an einen Blumenstrauß, im übertragenen Sinne auch die "Blume" des Weines. Hier wurde das Wort allerdings im Sinne der wenig geläufigen Redewendung "bouquet d’arbre" benutzt, was wiederum so viel bedeutet wie "bosquet".
   So ist es denn auch kein Wunder, wenn man lieber von einem "Kaisergarten", "Napoleonsgarten" oder einem "Krönungsgarten" sprach.

   Napoleons Sohn, dessen Geburt wir diese Erinnerungen verdanken, wurde von den Bonapartisten als Napoleon II. zum Kaiser ausgerufen und kurzzeitig auch als solcher anerkannt. Jedoch beanspruchte er weder die Herrschaft in Frankreich noch wurde er jemals mit politischen Führungsaufgaben betraut. Als "Herzog von Reichstadt" starb er am 22.Juli 1832 auf Schloss Schönbrunn bei Wien. Die auf ihn gesetzten Hoffnungen zur Schaffung eines großeuropäischen Kaiserreiches blieben somit unerfüllt.

   Doch zur Erinnerung an seine Geburt wäre es wünschenswert, wenn man den 200. Geburtstag des "Roi des Rome" im Jahre 2011 zum Anlass nehmen würde, die alten Napoleonsbänke wieder ins Bewusstsein zu bringen und notfalls instand zu setzen.

Dessin de Francis Mathés


Dessin de Francis Mathés
Definition des Begriffs "Reposior" nach dem Wörterbuch "Larousse": Provisorischer Altar für besondere Anlässe im Freien zum Abstellen des Heiligen Sakraments...

Anmerkungen:
1) Bonnel, Yves: Monuments de Légende – Les petits Monuments Napoléoniens en Alsace – Les Bancs-Reposoirs, 1ére Partie Strasbourg 1982, 2ème Partie 1983
2) Wolf, Reinhard: Gruhen – Steinerne Ruhebänke, GEEK-Informationen Nr.34 / August 1997
3) Wolf, Reinhard: Gruhen im Landkreis Ludwigsburg, in: Ludwigsburger Geschichtsblätter, 36/1984
4) vgl. Riebeling, Heinrich: Historische Verkehrsmale in Hessen. Ein topographisches Handbuch zur Verkehrsgeschichte. Dossenheim/Heidelberg 1981; Ihle, Fritz: Der Ruhstein. in: Mitteilungsblätter der Deutschen Steinkreuzforschung, 34.Jg. Heft 1, 1978, S.1-17

Literatur (Auswahl):
Bonnel, Yves: Monuments de Légende - Les petits Monuments Napoléoniens en Alsace - Les Bancs-Reposoirs, 1ère Partie Strasbourg 1982, 2éme Partie 1983
Ihle, Fritz: Der Ruhstein. in: Mitteilungsblätter der Deutschen Steinkreuz­forschung, 34.Jg. Heft 1, 1978, S.1-17
Mötzing, Kurt: Ruhen, Mahnsteine und Napoleonsbänke; in: Hessische Heimat (Neue Folge) 17. Jg. 1967 H.1, S.28-30
Oberste-Lehn, Gert: Pfälzer Weinsteine. Thema und Variationen, Wachenheim 2001, S.219-226
Weber, Gesine: Vom Reisen und Rasten im 18. und 19.Jahrhundert. Der ruhende Verkehr - Rastplätze für Fuhrwerke und Fußgänger, in: Achse Rad und Wagen 5 (1997) S.120-125
Recueil officiel des Actes de la Préfecture du Département du Bas-Rhin. Tome XII (1811) Strasbourg 1812. Landesarchiv Speyer, G 83
Riebeling, Heinrich: Historische Verkehrsmale in Hessen. Ein topographisches Handbuch zur Verkehrsgeschichte. Dossenheim/Heidelberg 1981
Röder, Josef: Rechts- und volkskundliche Denkmäler aus dem Neuwieder Becken, RheinischeVierteljahres-Blätter, Heft 1-4 1948, – Rasten S.184-192
Wild, Rudolf: Vom Ruhstein zur Napoleonsbank, Volkskundliche Beiträge zur Kulturgeschichte der Pfalz - Heft 1, Annweiler-Queichhambach 1997
Wild, Rudolf: Die Steinfelder Ruhbank, in: Steinfeld 1250 bis 2000. Steinfeld 2000, S.438-440
Wild, Rudolf: Die Ruhbank bei Pirmasens – Ein Vergleich mit den Napoleonsbänken im benachbarten Elsaß, in: Heimatkalender für das Pirmasenser und Zweibücker Land 2001, S.191-193
Wild, Rudolf: Zu Ehren Napoleons II. – Die Napoleonsbank bei Ilbesheim erinnert an die französische Zeit der Pfalz, in: Die Pfalz, Zeitschrift für Politik, Kultur und Wirtschaft, Nr.1, 1.Quartal 2007, S.3
Wild, Rudolf: Napoleonsbank und Krönungsgarten, in: Chronik Wollmesheim, Landau 2007, S.77-80
Wilhelm, Franz (Pilsen): Ruhsteine – Dorfsteine – Gerichtssteine, in: Landesverein sächsischer Heimatschutz, Mitteilungen Heft 1-4, Band XXV, 1936, S.57-61
Wilms, Rudolf: Napoleonssteine und -Bänke, in: Pfälzer Heimat, Jahrgang 9,1958 Heft 1, S.22-24
Wolf, Reinhard: Gruhen im Landkreis Ludwigsburg, in: Ludwigsburger Geschichtsblätter, 36/1984
Wolf, Reinhard: „Gruhen“ – Steinerne Ruhebänke, in: Blätter des Schwäbischen Albvereins, 102.Jahrgang Nr. 1/1996, S.4-6
Wolf, Reinhard: Gruhen – Steinerne Ruhebänke, GEEK-Informationen Nr. 34 / August 1997

(Wild, Rudolf - L'origine des bancs napoléoniens, Cercle d'histoire et d'archéologie de l'Alsace du Nord, in: Revue l'Outre-Forêt n° 143, p.29-34)

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